Ich bin jetzt auch durch. Mein Fazit ist, dass Venetica im Großen und Ganzen ein absolut geniales Spiel ist. Dafür, dass es ein Action-RPG ist, ist es erfreulich wenig kampflastig und lebt von einer durch und durch sympathischen Proagonistin, toller Storydichte und schöner Spielatmosphäre. Scarlett war mir von Anfang an sehr sympathisch und obwohl Action-RPGs eigentlich nicht mein bevorzugtes Spielegenre bilden, hat mich dieses Spiel doch fesseln können wie nur wenige andere Spiele es konnten (sonst hätte ich es ja auch nicht in nur knapp fünf Tagen durchgespielt). Da ich nicht weiß, wie weit Calesca (oder andere, die es eventuell spielen) ist, packe ich den Rest, inklusive einiger Kritikpunkte, doch lieber mal in Spoiler:
Ich hatte ja schon gesagt, dass ich persönlich Venetica relativ einfach fand. Aus dieser zunächst wertungsfreien Äußerung wird nun ein Kritikpunkt (der größte): Venetica ist zu einfach. Wenn ich ein Spiel bereits im ersten Spieldurchlauf auf den höchsten Schwierigkeitsgrad umstelle, und das Spiel, obwohl ich in meinem ersten Durchlauf viele Dinge mangels besseren Wissens nur suboptimal löse, ohne größere Probleme durchspielen kann, dann läuft irgendetwas falsch. Zumal ich auch zum größten Teil in der Anfangskleidung rumgelaufen bin. Das Kampfsystem ist wirklich gut umgesetzt und die Kämpfe machen richtig Spaß. Aber man braucht nur eine Handvoll Kämpfe, um alles, was man wissen muss, zu lernen und sogar zu perfektionieren. Und von da ab an sind alle Gegner ein Witz, den man zum Frühstück verspeist. Denn meistens kämpft man gegen einzelne Gegner und auf die kann man einfach frontal zurennen und nach einer Folge von sechs oder sieben Mausklicks fallen die Gegner um, weil sie nicht in der Lage sind, innerhalb einer gut getimten Angriffskombo auszuweichen, zu parieren, oder gar einen Gegenangriff zu starten. Zwar ist man recht schnell tot, wenn man in eine gegnerische Angriffskombo gerät, aber das passiert so gut wie nie. Wie Obi-Wahn schon sagte: Wenn man stirbt, dann ist das eigentlich nur Unaufmerksamkeit. Oder man überschätzt sich. Gegen einzelne Gegner ist eigentlich jede Angriffskombo sofort erfolgreich. Gegen mehrere Gegner ist man gut beraten, die Angriffskombo nach 2 oder höchstens 3 Angriffen erstmal abzubrechen, einen Schritt zurück zu machen und dann neu draufzuhauen. Zwar dauert es so etwas länger, aber man kämpft völlig ungefährdet. Und wenn die Gegner mir so gar nichts anhaben können, kann es auf Dauer doch etwa langweilig werden. Venetica ist nicht das erste Action-RPG, das ich gespielt habe, mit anderen Spielen habe ich weit mehr Probleme gehabt. Venetica erschien mir einfach wenig fordernd.
Die Bosskämpfe sind zwar teilweise fordernd, weil man nicht gleich weiß, was man tun soll. Der erste Bossgegner, diese Fürstin, die sich als Anführerin der Assassinen aufspielt, war noch am schwierigsten. Danach waren alle weiteren Bossgegner irgendwie viel zu leicht zu durchschauen. Das gilt auch - und das fand ich besonders schade - für den Endgegner Viktor. Gleich beim ersten Anlauf auf "schwer" habe ich den ohne größere Probleme platt gemacht. Danach hatte ich noch 65 Heiltränke, rund 40 Mental-Tränke und über 20 starke Heiltränke im Gepäck, neben 40 Sturm-Tränken, oder wie die heißen. Denn im ganzen Spiel habe ich keinen einzigen Heiltrank benötigt. Ich habe einiges an Nahrung verputzt und einiges an Wundsalben, weil ich gedacht habe, die Tränke hebe ich mir für die schwere Endphase auf. Aber eine schwere Endphase gab es nicht. Und ich bin mir sicher, dass ich noch mehr Tränke hätte sammeln können, denn zum einen habe ich bestimmt längst nicht alle Schätze gefunden, und zum anderen habe ich auch keine Tränke selbst hergestellt (anscheinend geht das ja irgendwie). Ich habe auch kaum Sonderfertigkeiten gelernt, bzw. eingesetzt. Nur die Maximierung der Kombonangriffe und daneben noch "Blutnebel" und alles war okay.
Außerhalb der Bosskämpfe kam man höchstens in Bedrängnis, wenn man es mit mehreren Gegnern auf einmal zu tun hatte. Aber das war selten der Fall. Das Turnier im Juma-Stammesland war noch mit das schwerste überhaupt, weil eine unüberlegte Aktion gleich den Tod bedeuten konnte und man zwischen den insgesamt fünf Kämpfen auch nicht neu laden durfte. Da habe ich einiges an Zeit investieren müssen. Aber schlussendlich war auch das dann gut machbar.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Sache mit den unterschiedlichen Entscheidungen, die man so treffen konnte. Man hatte oft den Eindruck, man würde eine gravierende Entscheidung treffen müssen (zumindest haben die verschiedenen Dialogoptionen das suggeriert), aber letztlich waren die Auswirkungen kaum merkbar. In der Hinsicht schneidet zum Beispiel "The Witcher" wesentlich besser ab, denn da hat man zu spüren bekommen, wenn eine Entscheidung zweifelhaft war. Und als ich zum ersten Mal das Handbuch gelesen habe, klang das wirklich so, als würde man mit seinen Entscheidungen ernsthaften Einfluss nehmen können. Davon habe ich aber nicht viel gespürt. Vielleicht mal ein böses Wort von einem NPC, aber das war es dann auch schon. Das ist mir zu wenig, wenn das Handbuch diesen Aspekt schon so sehr hervorhebt. Man wurde auch nie wirklich zur Rechenschaft gezogen.
Dann war mir die Welt, gerade in Venedig, zu unbelebt. Es liefen viele Bürger rum, sie hauchten der Stadt aber kein Leben ein. Ganz vereinzelt hörte man mal ein "Ich weiß nicht", aber das war es dann auch schon. Man fühlte sich nicht wirklich im Großstadtgetummel. Es war alles total unlebendig. Die meisten standen nur stumm an Ort und Stelle, auch die Händler.
Wie gesagt: Venetica weiß im Gesamteindruck trotzdem absolut zu überzeugen. Aber an der ein oder anderen Stelle hätte ich mir schon gewünscht, dass das Spiel einem etwas mehr abverlangt. Und Obi, wenn du das Spiel noch nicht auf "schwer" durchgespielt hast, solltest du das ruhig mal tun, denn wenn du das Spiel jetzt schon fünf Mal durchgespielt hast, wirst du auch auf "schwer" durchspazieren, da bin ich sicher.
Was den Wiederspielbarkeitswert angeht, bin ich etwas zwiegespalten. Im Moment wüsste ich nicht, was mich zu einem erneuten Spieldurchlauf motivieren sollte. Man könnte noch probieren, einer anderen Gilde beizutreten, aber das würde auch nur ein paar andere Mini-Nebenquesten ergeben, so wie ich das sehe. Ich glaube, einmal spiele ich noch, aber ich denke, der Spielspaß wird dann rapide sinken. Der erste Spieldurchlauf ist wirklich ein Erlebnis, aber danach... naja.