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Bedingungsloses Grundeinkommen
"Die Abschaffung der Arbeitslosen" (pdf, 12MB; S.30ff), Artikel im wissenschaftlichen Magazin mundo der TU Dortmund.

[spoiler='Ein paar Auszüge']
Zitat:„Es ist gut, dass die Politik überhaupt davon spricht“, findet Fischer, „unsere Aufgabe ist nun, genau hinzugucken: Wir wollen ein bedingungsloses Grundeinkommen, das dem Einzelnen tatsächlich freie Entscheidungen ermöglicht - und keine Sparvariante bisheriger Sozialausgaben.“ Mehr als bloße Existenzsicherung soll das Grundeinkommen sein: „Es soll an kulturellen Gütern teilhaben lassen“, fordert Fischer.
Zitat:Seit Jahren fahren sie und ihre Mitstreiter durchs Land, halten Vorträge, diskutieren mit den Menschen und kennen mittlerweile jeden denkbaren Einwand auf ihr Modell. „Manche halten uns für neoliberal, andere für kommunistische Spinner“, sagt Ute Fischer und lacht. Eine parteipolitische Verortung sei jedoch unmöglich: Es gibt in allen Lagern Befürwortung und Ablehnung. Dabei sei nicht immer vorherzusehen, wo im Publikum die Interessierten und wo die Gegner sitzen, sagt Ute Fischer: „Ich habe alles erlebt: Alt-Linke, die das Modell vom Tisch fegen, und gut-bürgerliche Früh-Rentner, die hoch interessiert sind.“
Zitat:Häufig versuchen Gegner mit vermeintlich harten Fakten, jede Diskussion zu blockieren: „Und wer soll das bezahlen?“ laute dann der erste Einwand. Schade findet die Wissenschaftlerin das, denn es zeigt ihr, dass derjenige sich überhaupt nicht auf das Gedankenspiel einlässt: Was bedeutete eine Gesellschaft ohne Zwang zur Erwerbsarbeit?
Was es tatsächlich bedeutet, das kann man nur ahnen. Würden sich nicht die meisten Menschen in die Hängematte legen und nichts tun? „Prima“ hat Drogeriemarkt-Chef Götz Werner auf dieses Argument einmal geantwortet, „dann würde ich Ihnen raten: Verkaufen Sie Hängematten!“
Ute Fischer lacht. Sie ist sich sicher, dass sich die Menschen trotz Grundeinkommen eine Beschäftigung suchen werden. „Die Selbstständigkeit wird sich stark erhöhen“, prognostiziert sie. Denn die Kriterien für die Berufswahl werden sich dramatisch ändern. Statt danach zu gehen, welche Branche sicher ist und welcher Beruf die Familie ernährt, wird es heißen: Was kann ich? Was will ich? „Auch wenn ich geringer qualifiziert bin oder über Fähigkeiten verfüge, die auf den ersten Blick gar nicht marktgängig sind, werde ich mich ins Gemeinwesen einbringen können, und es würde auch anerkannt“ so Fischer.
Zitat:Befreite, glückliche Menschen, die sich durch ihre Arbeit selbst verwirklichen und in der Gesellschaft nützlich machen - das klingt zu schön, um wahr zu sein. Sitzen die Dortmunder Soziologen da nicht einer idealisierten Idee auf - einer Utopie gar? Braucht es für eine solche Gesellschaftsform nicht auch eine neue Gesellschaft? Oder anders gefragt: Sind wir überhaupt reif dafür? Ute Fischer lächelt. Auch diesen Einwand kennt sie. „In den Diskussionen wird häufig geargwöhnt, dass »die anderen « dann nichts mehr mit sich anzufangen wüssten - nach dem Motto: Die Arbeit strukturiert dem »Mann von der Straße « den Tag. Ich denke, heute ist ein größerer Teil in der Lage, mit dieser Freiheit auch umzugehen.“ Schließlich ist die Zeit vorbei, da Familientraditionen Lebenswege vorzeichneten und man auf eine lebenslange Arbeitsstelle bauen konnte. Natürlich sei diese radikale Freiheit eine Herausforderung, bestätigt sie. „Wir sind stärker auf uns zurückgeworfen. Wir bekommen Geld und müssen damit etwas anfangen - nämlich das eigene Leben gestalten.“ Dennoch ist sie optimistisch, dass das gelingt. „Der Mensch ist von Natur aus neugierig, er will wachsen und lernen, so wie das Kleinkind vom Krabbeln ins Gehen kommt. Das ist kein Bild von einem Menschen, wie wir ihn gerne hätten, das kann man beobachten“ sagt Ute Fischer.
Zitat:Schon in Kindergarten und Schule müsse sich allerdings etwas ändern, wenn ein Grundeinkommen ein späteres Berufsleben nach Neigung erlaube, fügt Neuendorff hinzu. Noch werden neugierige und wissbegierige Kinder dort in gewisse Bahnen gelenkt, kritisiert er: „Die Schule ist ein Disziplinierungsinstrument, das den Schülern das, was eigentlich enfaltet werden soll, eher austreibt. Was klassisch unter Bildung verstanden wird[*], kommt in der Schule bislang kaum zustande.“ Pädagogen, aber auch Eltern müssen demnach stärker als heute zur Eigenverantwortung erziehen.
Zitat:Große Sympathie hat Ute Fischer für die Idee, das Grundeinkommen mit einer Konsumsteuer zu finanzieren. „Finanzwissenschaftlich gesehen ist das wohl die konsequenteste Umsetzung, weil es der Idee der Freiheit am nächsten kommt: Man belastet nicht mehr die Leistung der Bürger mit Steuern und Abgaben, sondern den Konsum.“ Eine Konsumsteuer könnte zu einem kritisch-reflektierteren Umgang mit Konsum und Lebensstandards überhaupt führen, hofft Hartmut Neuendorff. Eine solche System-Umstellung kann allerdings Jahrzehnte dauern, vermutet Fischer. Eine schnellere Alternative hat sie zusammen mit Professor Helmut Pelzer vom Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Ulm entwickelt: das so genannte Transfergrenzenmodell, das Ute Fischer auch „die kleine Lösung“ nennt. „Mit diesem Modell könnte man ganz allmählich in die Konsumsteuer hinein wachsen, indem man andere Steuern immer mehr abbaut und die Konsumsteuer immer weiter erhöht - ein evolutionäres Modell.“

[*] Dazu zwei Definitionen des Begriffs "Bildung":
Heute: "Bildung hat die Persönlichkeitsentwicklung und die Erziehung zur Berufsfähigkeit zum Ziel."

Vor 50 Jahren: "Bildung: Der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern der durch sein Wissen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfasst, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat."
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(22.02.2009, 01:11)Boneman schrieb: [...]
Dass diese Herren damals ein paar hässliche Hintergedanken hatten, ist ja heute jedem klar. Das liegt aber daran, dass sie ein System einführen wollten. Die Idee an sich kann sehr viel besser sein, als das, was manche daraus machen (Marx wird dieser Tage wieder viel gelesen, habe ich gehört). Und dafür zu sorgen, dass eben nicht irgendjemand daherkommt und irgendetwas damit macht, ist Bürgerpflicht. Das sollten gerade die Deutschen mittlerweile gelernt haben.

Deshalb: Aufklären und darüber reden. Und das versuch ich hier (leider die meiste Zeit über in einem Monolog ;)).
Dabei geht es gerade darum, zu verhindern, dass die Diskussion nur in einer Elite geführt wird, die dann ein Konzept ausarbeitet, das die Idee missbraucht und so doch wieder nur dieser Elite etwas bringt. Das war in der Vergangenheit auch immer wieder so und ist ja auch deine Befürchtung. Und genau deshalb ist es wichtig, die Diskussion zu den "einfachen Leuten" zu tragen. Aber die müssen das auch annehmen und darüber reden und nicht das Ganze von sich weisen als Humbug oder Spinnerei. Das ist die emanzipatorische Aufgabe des Grundeinkommens.
Apropos Missbrauch...
Die NPD entdeckt das Grundeinkommen: Bedingungsloses Grundeinkommen - Wahrer Humanismus oder Lizenz zur Faulheit? (Link gelöscht - Crystal)
Ich habe keine Ahnung, zu welchem Schluss die NPD nach dem Vortrag kommt, aber es ist wohl wichtig, zu wissen, dass die Diskussion mittlerweile auch zweifelhaftere Kreise erreicht hat. Ein Grund mehr, sich damit auseinanderzusetzen und selber Gedanken dazu zu entwickeln, bevor einem Vorgekautes vorgesetzt wird...
Great people care.
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Bedingungsloses Grundeinkommen - von Boneman - 18.06.2007, 21:56
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