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Der Fall Hoeneß und die Steuerhinterziehung
#35
(14.03.2014, 11:16)Silencer schrieb: Natürlich spielt die Höhe der Summe eine Rolle bei der Bewertung dieses Falles. Klar man muss erst einmal ein gewisses Vermögen besitzen, um in diesem Umfang überhaupt spekulieren zu können. Uli Hoeneß wäre aber mit einer deutlich kleineren Summe nie zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Das ist richtig. Bei der Strafzumessung werden auch die Folgen der Tat einbezogen und das bedeutet bei der Steuerhinterziehung eben, wieviel Geld dem Staat entgangen ist. Das muß man aber nicht unbedingt als gerecht empfinden. Wieviele Steuern jemand hinterzieht, hängt nämlich letztlich nur davon ab, mit welchen Summen er hantiert, wie hoch also seine Einkünfte ausfallen, nicht aber davon, wieviel kriminelle Energie er aufgewendet hat. Die Entscheidung von Hoeneß, die Schweizer Konten den deutschen Steuerbehörden zu verschweigen, ist die gleiche, ob er damit nun genug Gewinne für 3 Mio. € Steuerschuld oder für 28 Mio. € Steuerschuld erwirtschaftet hat.

Das ist aber freilich kein Problem allein des Steuerstrafrechts. Entsprechende Situationen kann es bei fast allen Delikten geben. Wer fahrlässig eine rote Ampel überfährt, bleibt straffrei (eine Ordnungswidrigkeit ist das schon, erfüllt aber keinen Straftatbestand). Baut er dadurch einen Unfall, bei dem ein Blechschaden entsteht, bleibt er ebenfalls straffrei, weil fahrlässige Sachbeschädigung eben nicht strafbar ist. Verletzt oder tötet er dabei aber einen Menschen, wird er wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung bestraft. - Und das obgleich die Handlung in allen drei Fällen identisch war und die Folgen der fahrlässigen Handlung eher dem Zufall entsprungen sind.

Man kann also sagen, daß es der Wertung unseres Strafrechts entspricht, daß wer überhaupt prinzipiell schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) handelt, auch im Hinblick auf seine spätere Bestrafung das Risiko der großen Folgen seiner Handlungen trägt. Ob Hoeneß wirklich 28 Mio. € Steuern hinterziehen wollte und sich darüber Gedanken gemacht hat oder ob er nur eben solch unglaubliche Gewinne erzielt hat, daß es dazu auch für ihn mehr zufällig gekommen ist, spielt vor diesem Hintergrund keine Rolle. Das hat mit den Strafzwecken zu tun, die unser Strafrecht verfolgt. - Ob das letztlich gerecht ist, darüber kann man sich natürlich streiten. Ich habe damit zuweilen so meine Schwierigkeiten.

(14.03.2014, 11:16)Silencer schrieb: Man kann ihm ja jetzt noch anrechnen, dass er auf die Revision verzichtet und das Urteil akzeptiert hat, aber er hätte sich wahrscheinlich die Haftstrafe ganz ersparen können, wenn er wirklich ehrlich und von sich aus früher gehandelt hätte.
Ja, als ich das das erste Mal heute Morgen gehört habe, dachte ich spontan: "Wie kann man nur so dämlich sein, bei dieser Sachlage!" - Aber wenn man darüber nachdenkt, macht das mitunter auch Sinn:

Hätte Hoeneß Revision eingelegt, hätte dies wahrscheinlich auch die Staatsanwaltschaft getan. Ob der BGH am Ende zu seinen Gunsten entschieden hätte hinsichtlich der Anforderungen an die Selbstanzeige bzw. deren Berücksichtigung bei der Strafzumessung, das wäre zumindest unsicher gewesen. Dafür hätte aber eben auch die Möglichkeit bestanden, daß die Staatsanwaltschaft durchdringt und am Ende eine höhere Strafe für ihn herausgekommen wäre. Zudem kann es sich für ihn in dreierlei Hinsicht als positiv auswirken, wenn er sich jetzt reuig und bußfertig zeigt. Denn sowohl die Entscheidung, ob er schon nach der Hälfte der Haftzeit auf Bewährung freikommt, als auch die Frage, ob er diese Zeit im offenen Vollzug verbringen darf, sind nach den ganzen Umständen des Falles, einschließlich des nachtatlichen Verhaltens des Täters zu beurteilen. Unnachgiebigkeit bis zum Letzten sieht da sicherlich schlechter aus als die Akzeptanz von Urteil und Strafe.

Und zudem macht er sich so auch im Ansehen in der Bevölkerung besser. In der Phoenix-Runde gestern abend war man sich (natürlich noch in Unkenntnis des Revisionsverzichts) einig, daß nach Verbüßung der Haftstrafe beim FC Bayern eine große Bereitschaft vorhanden sein wird, ihm eine zweite Chance zu geben. Sollte er also wirklich anstreben, sein Amt nach ca. zweijähriger Pause wiederzuerlangen, ist es dafür gewiß von Vorteil, wenn er sich jetzt durch besonders ehrbares und anständiges Verhalten als tragbarer "guter Mensch mit Fehlern" erwiesen hat. Im Ergebnis wäre das dann "nur" eine unangenehme und unrühmliche Phase in seinem Leben, nicht aber die endgültige Beendigung seines Lebenswerkes.

Vor diesem Hintergrund kann ich zwar nicht ausschließen, daß sein Revisionsverzicht eine echte Herzensentscheidung aus tief empfundener Reue ist. Aber es kann zumindest auch aus kühlem Kalkül heraus Sinn machen, so zu agieren.

(14.03.2014, 11:16)Silencer schrieb: In meiner Heimatstadt hat es einen notorischen jugendlichen Schwarzfahrer erwischt, 2 Jahre 10 Monate Jugendstrafe. Soetwas ist offenbar auch möglich. Naja über die Relation braucht man wohl nicht nachzudenken.
Ja, möglich ist soetwas, denn das fällt unter den Straftatbestand der Erschleichung von Leistungen ( § 265a StGB). Hier dürfte die Haftstrafe aber dadurch zustandekommen, daß es sich um einen "notorischen" Straftäter handelte. Für eine einzelne Tat geht der Strafrahmen ja auch nur bis zu 1 Jahr. Die über 2 Jahre können also nur zusammenkommen, indem da die Strafen für mehrere Taten zusammengefaßt wurden (oder falls das Jugendstrafrecht andere Strafrahmen vorsieht, das weiß ich jetzt nicht). - Daß Herr Hoeneß seinen Fehler, Steuern zu hinterziehen, noch einmal in seinem Leben wiederholen wird, ist hingegen wohl eher unwahrscheinlich. Schon daran scheitert die Vergleichbarkeit meines Erachtens.
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."
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