(12.10.2009, 20:08)Wolverine schrieb: Sorry, dass ich mich mit meinen teils ausufernden Kommentaren wieder in die Diskussion einmische, aber als ich gelesen habe, was Boneman hier von sich gibt:
Ach, du schon wieder...
Ich sage ja gar nicht, dass ich weiß, was die Nichtwähler wollen (dass sie "keine Regierung" wählen, war Ironie). Aber es ist offensichtlich, was sie nicht wollen: Eine der Parteien auf dem Stimmzettel (bzw. eine Koalition zwischen bestimmten Parteien). Sonst könnten sie die ja wählen. Wenn du meinst, dass man aus einer Nichtbeteiligung an der Wahl darauf nicht schließen darf, bitte. Ich tu's trotzdem und finde das auch rwichtig, denn wenn sich dann nur ein einziger Nichtwähler ungerecht behandelt fühlt, weil er z.B. einer von denen ist, die zwar schon eine politische Präferenz hätten, aber der Meinung sind, dass sich eh nichts ändert (ist ja ganz beliebt und auch nachvollziehbar diese Aussage), und dann beim nächsten Mal vielleicht doch zur Wahl geht, ist schon was gewonnen.
Was die tausend Gründe angeht, gehe ich schonmal nicht davon aus, dass alle Nichtwähler an diesem Tag "verhindert" waren. Das wäre ja absurd. Wir reden hier nicht von 5% (die das meinetwegen großzügig geschätzt noch betreffen darf), sondern von fast einem Drittel! Die Begründung, dass Nichtwähler halt nichts ändern wollen, finde ich auch nur halb gut, denn auch dazu müssten sie wenigstens die alte Regierung nochmal wählen. Denn im aktuellen Fall haben sie ja faktisch die Veränderung gewählt - wenn man schon von "mitwählen" reden will.
Zitat:Was mir dabei aber richtig Sorgen machst, ist dass Du mit dieser Argumentation der designierten (und damit auch fast allen vergangenen) Koalition(en), die Legitimation zu entziehen versuchst, denn sie ist ja von 2/3 (der Mehrheit) der Bevölkerung nicht gewollt. Und damit bereitest Du den geistigen Nährboden für alle Revolutionsversuche gegen diese "illegitime" Regierung. Und das halte ich für äußerst bedenklich, denn ich teile Deine Meinung nicht, dassIch hab nicht so viel Ahnung, wie das mit den Wahlergebnissen in der Vergangenheit war. Ich interessiere mich erst für Politik seit etwas vor der Bundestagswahl 2005. Aber wenn das damals genauso war wie heute, dann hast du durchaus recht.
(11.10.2009, 22:24)Boneman schrieb: so wie unser demokratisches System in der Praxis aussieht, hat es tatsächlich nicht viel Rückhalt verdient., da nirgendwo ein wirklich besseres entdecken konnte.
Deine Feststellung ist aber nichts Besonderes, denn logischerweise entziehe ich, wenn ich das ganze demokratische System in dieser Form anzweifle, allen Regierungen, die in diesem System unter den kritisierten Bedingungen zustandegekommen sind meine Legitimation - auf die sie durchaus nicht angewiesen sind (was du vielleicht im Eifer des Gefechts vergessen hast ).
Was das bessere System angeht, so hab ich an anderer Stelle schon mal erklärt: Nur weil wir nichts besseres kennen, heißt das nicht, dass es nichts besseres gibt.
Außerdem sagte ich "in der Praxis". Auf dem Papier macht Demokratie sehr viel her, wie ich finde. Genauso wie der Grundgedanke des Sozialismus und auch der des Kapitalismus beide einen sehr wahren Kern haben. Es kommt halt immer nur "Stückwerk" bei der Umsetzung heraus, weil einzelne das System zu ihren Gunsten missbrauchen (oder für persönliche Ich-kann-dich-nicht-leiden-also-spiel-ich-nicht-mit-dir-Mätzchen ). Aber auch dazu habe ich mich an anderer Stelle bereits lang und breit ausgelassen. Die Demokratie bildet da keine Ausnahme (aktuelles Beispiel: Afghanistan).
Und über meine Aussage, die du für Ironie hältst: Nein, das war tatsächlich ernst gemeint. Zumindest ein bisschen.
(12.10.2009, 20:30)Wolverine schrieb:Natürlich wird die Partei dafür (hoffentlich) die Rechnung kriegen (und im besten Fall der SPD in die Bedeutungslosigkeit hinterherfolgen). Und zwar egal, ob die Entscheidung sich nachträglich als "richtig" herausgestellt hat. Dass Herr Ulrich mit Herrn Lafontaine nicht kann, hat er mit Sicherheit schon vor der Wahl gewusst. Es ist auf gewisse Weise schon moralisch verwerflich, wenn man so nachdrücklich wie er vorher hoch und heilig A verspricht und nach der Wahl dann einfach B macht (und noch die SPD-Wähler um ihre Stimm-Unterstützung bittet, damit das mit Rot-Rot-Grün auch wirklich klappt - was zum jetzigen Zeitpunkt schon sehr zynisch anmutet).(12.10.2009, 14:26)Boneman schrieb: oder auch die aktuellen Geschehnisse im Saarland: Wenn die Grünen vor der Wahl sagen, dass ein Regierungswechsel unumgänglich ist und danach selbigen verhindern, indem sie lieber mit der CDU ins Bett steigen, weil ihr Vorsitzender ein persönliches Problem mit dem Herrn Lafontaine hat. Dieser Kindergarten fühlt sich dann tatsächlich noch demokratisch legitimiert?Ja, sie sind demokratisch legitimiert, und sie sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Und wenn ihnen ihr Gewissen sagt, dass es unterm Strich besser ist, mit der alten Regierung eine Veränderung zu versuchen, als sich auf einen solchen Menschen wie Lafontaine einzulassen, dann ist das so.
Man kann sie dafür bei nächster Gelegenheit mit ihrer Abwahl strafen.
[...]
Und man wird bei den nächsten Wahlen sehen, ob das für die CDU/FDP seinen Preis wert war.
Ich hab bestimmt auch schon mal irgendwo erwähnt, dass ich den Gedanken, Politiker für ihre (Haupt-)Wahlversprechen haftbar zu machen, zumindest überlegenswert finde, oder? Wenn nicht, hab ich's jetzt getan. (Darauf gestoßen bin ich übrigens auf Ars Regendi (wo die Folge der Einführung dieser Regelung gleich einen extremen Machtverlust bedeutet (aber das nur am Rande...)))
(12.10.2009, 20:50)Wolverine schrieb:Mir wäre neu, dass es in Deutschland eine Mindestwahlbeteiligung gibt? Da du dich ja immer über "haltlose Behauptungen" aufregst, würde mich jetzt auch mal interessieren, wo das steht. Genauso wie die Behauptung, dass es zwischen 50% und 75% Wahlbeteiligung fast immer zu Allparteienkoalitionen kommt? Ich kritisiere doch gerade, dass die Wahlbeteiligung überhaupt keine Auswirkungen auf das Ergebnis hat.(12.10.2009, 14:37)Boneman schrieb: Das Problem der Nichtwähler wäre nicht so tragisch, wenn die Nicht-Stimmen (und die ungültigen) ein tatsächliches Gewicht hätten. Dazu gehört mindestens (d.h. notwendig, aber nicht hinreichend ) ein Balken in den Hochrechnungen, damit es niemand mehr so einfach ignorieren kann.
Vielleicht wäre eine Art "indirekter Wahlzwang" besser. Nein, das was ich meine, wäre kein Zwang, sondern eher eine "Verstärkung der Wahlpflicht". Was wäre, wenn die 30% der Nicht- und Ungültigwähler mit in den Bundestag "einziehen". Das heißt: 30% der Sitze bleiben einfach leer. An den nötigen Mehrheitsverhältnissen ändert sich natürlich nichts: Es gelten immer noch die absolute und Zweidrittelmehrheit, gemessen am Anteil der Sitze insgesamt. Es darf ja Minderheitsregierungen geben, das heißt zu einer völligen Handlungsunfähigkeit kommt es so nicht. Allerdings wird es sehr viel schwerer, Gesetze zu verabschieden, denn die leeren Sitze stimmen grundsätzlich mit Enthaltung - die dann natürlich wie Gegenstimmen gezählt werden.
Und wenn gar nichts mehr geht, gibt es halt so lange Neuwahlen, bis etwas geht.
Dir ist aber schon klar, dass derartiges bisher von keinem Land der Welt auch nur im Ansatz in Erwägung gezogen wurde ?
Und das aus gutem Grund ! Unter 50 % Wahlbeteiligung kommt es automatisch zu Neuwahlen (Oder zu totalem Stillstand, es kann ja nicht mal mehr eine Geschäftsordnung darüber verabschiedet werden, wann Sitzungstermine anzusetzen sind! ), was die Wahlbegeisterung sicherlich in ungeahnte Höhen treibt, wenn man alle naselang an die Urnen muss/darf.
Über 50% kommt es bis ran an die 75 % fast immer zu Allparteienkoalitionen, in der jeder (auch eine eventuell existierende Rechtsradikale Partei) quasi-Vetorecht hätte, was wirkliche Entscheidungen auch fast völlig unmöglich macht. (Sowas wie Atomaus/einstieg oder ErneuerbareEnergienGesetz würds da nie geben), und aufgrund der Querelen ständig zu Neuwahlen führen dürfte (s.o.).
Nein. das würde solange im Chaso enden, bis eine Partei den Unmut in der Bevölkerung über ständige Neuwahlen auszunutzen weiß, diesen "Missstand" beenden will, und sich dafür wählen lässt, und was dann passiert, kann man in den Geschichtsbüchern nachlesen ...
Ach ja, und dass das "bisher von keinem Land der Welt auch nur im Ansatz in der Erwägung gezogen wurde", hätte ich bitte auch gleich noch belegt. Danke schonmal, das spart mir viel Google-Recherche.
Ganz abgesehen davon:
Dir ist aber schon klar, dass das eine spontane Idee war, die mir kurz vorm Schreiben des Beitrags erst in den Sinn gekommen ist und die ich folglich mal so in den Raum geworfen habe?
Du tust gerade so, als wäre ich gefährlich und der nächste Revolutionsführer, der Deutschland in eine neue Diktatur stürzt. Es ehrt mich, dass du mir das zutraust, aber ich glaube nicht, dass es soweit kommen wird - zumindest nicht mit mir an der Spitze.
Great people care.