11.03.2014, 19:03
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Einen Grund zum "auf die Füße getreten Fühlen" gibt es nicht, wenn Du Deine Meinung vertrittst. Aber ich sehe die Sache ganz deutlich anders, teilweise sogar konträr.Er sieht das nicht nur anders, sondern sogar teilweise konträr! Heilige Jungfrau Gottes, gebenedeit sei… Ja, das schlägt doch dem Faß die Krone mitten ins Gesicht! Undzwar: hochkant! Eiderdaus! Ok, aber worauf ich eigentlich hinaus wollte, war eben nicht „die Ukraine erklären“, sondern auf die einseitige Berichterstattung hinweisen - siehe den Beitrag Nummer 3762.
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Aber man muß natürlich auch sehen, daß den (West-)Ukrainern von ihm quasi die Orangene Revolution und deren Früchte gestohlen wurde. Damals wurde er wegen offensichtlichen Wahlbetrugs aus dem Amt gejagt und nun wendet er sich von der lange versprochenen EU-Annäherung ab. Für die (West-)Ukrainer war das offenbar ein Schlag ins Gesicht. Die sind ersichtlich "pro-europäisch" in dem Sinne, daß sie hin zur EU und weg von Rußland wollen.Die Absage der Unterzeichnung des Abkommens war dem geschuldet, dass der gewiß nicht pro-russische Präsident versucht hatte, im Interesse der Ukraine zwischen der EU und Rußland zu balancieren - und denn eben einen gewaltigen Schuß vor den Bug von den Russen bekommen hat - Shit happens.
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Es ist völlig normal, daß eine Protestbewegung Köpfe und Identifikationsfiguren braucht, am Besten auch solche, die international bekannt sind. Und auch wenn von denen nicht der Startschuß gegeben wird, müssen sich solche Personen dann auch an die Spitze von Bewegungen setzen. Timoschenko saß noch im Knast (aufgrund von Rache-Justiz Janukovichs, das sollte man nicht vergessen) und Klitschko war schon früher ein Oppositionspolitiker gegen die Janukovich-Partei. - Als in Ägypten die Umstürze kamen, war auch jedesmal Herr el-Baradei plötzlich da und wollte in der neuen Ordnung mitmischen (solange sie in eine ihm genehme Richtung ging), ohne daß er selbst der Auslöser der Proteste gewesen wäre. Dieses Phänomen, daß bekannte Oppositionelle hinzutreten, wenn ein Protest schon am Laufen ist, ist nichts speziell Ukrainisches. Und es ist auch weder illegitim noch macht es die Widerstandsbewegung unglaubwürdig.Wenn es etwas macht, dann unglaubwürdig. Nun zu den „West-Ukrainern“ und der „gestohlenen Revolution (orange)“: Das heutzutage alles, was nicht im Entferntesten den Begriff „Revolution“ verdient hat, eine solche genannt wird, ist ein Teil dessen, was ich Ursprungs kritisierte - nämlich die Berichterstattung in den Medien. Was gab es nicht alles für „Revolutionen“ in letzter Zeit: ein neues Auto [url=(link: https://www.youtube.com/watch?v=oOb1M14NYUU)], orangene, arabische, türkische… und inhaltlich: früher stand der Begriff mal dafür, dass die Mehrheit der Bevölkerung Verhältnisse zu ihren Gunsten umwarf - das Gegenteil wird heute so genannt. Ähnlich wie der Begriff „Reform“ heutzutage das Gegenteil dessen bezeichnet, was ihm einst innewohnte (siehe u.a. Agenda 2010).
Jetzt wurde den „West-Ukrainern“ ihr Putsch - hups, ihre Revolution - gestohlen von dem pösen, pösen Janukowicz (Schreibweise mir egal). Nämlich von der Mehrheit der Ukrainer. Durch Wahlen. Bei der die OSZE nix zu meckern hatte. Soviel zum offensichtlichen Wahlbetrug. International bekannt ist natürlich der Klitschko, dem seine ukrainische Heimat ebenso am Arsch vorbeigeht wie seinen Kumpanen. Wenn der nicht mit der Konrad-Adenauer-Stiftung seine „Udar“-Partei („Udar“ bedeutet „(Faust-)Schlag“) aufgebaut hätte, wüsste heute noch niemand, dass er mal ein ganz großer Politiker wird. Und auch in Ägypten (wie übrigens auch in Rußland) wurde kurz darauf die Konrad-Adenauer-Stiftung wegen eigenartiger Machenschaften belangt und aufgelöst.
Die mandeläugige haarkranz-geflochtene Marienerscheinung Timoschenko saß wegen Korruption in Haft, völlig zu recht. Und wurde flugs von westlichen Medien ebenso zur Oppositionspolitikerin herbeiphantasiert wie vielleicht - um mal einen abrupten Vergleich zu ziehen - Chodorkowski in Rußland. Eben das Phänomen in den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten, wo der „Wandel“ nicht ganz so astrein geklappt hat wie etwa Polen oder Tschechien: die stärksten Tiere im Stall beissen sich durch und werden zu den Oligarchen; es gilt die Macht des „rackets“ - in Somalia wie in Afghanistan, in der Ukraine wie in Afrika - nur in Rußland kam was dazwischen, als der pöse, pöse Putin den Zentralstaat gegen diese Kartelle (bzw. lavierend mit einigen gegen andere) durchsetzte (und mögen muß man Putin deswegen immer noch nicht).
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Das kann ich so nicht bestätigen. In fast jeder Talkrunde über die Ukraine wird diese rechte Szene angesprochen, mal ausführlicher, mal knapper. Es ist wohlbekannt und unbestritten, daß es diese Leute gibt. Das sind Rechtsradikale bzw. extreme Nationalisten, die sicher nichts Gutes im Sinne haben. Daß solche Kräfte sich bei laufenden Unruhen allzugerne hervortun, ist weder erstaunblich, noch ein Einzelfall. In den Umstürzen des Arabischen Frühlings haben auch immer die Radikalislamisten mitgemischt, wenngleich die Auslöser und die Mehrheit der Protestbewegung ganz andere Ziele hatten.Ich meinte nicht „Talk-Runden“, sondern die Berichterstattung der Medien. Da geht es um die Beiträge in „tagesschau“ und „tagesthemen“ sowie deren Pendants auf anderen Sendern und in der Presse - dass „ntv“ da wirklich das Allerletzte ist, wundert mich nicht. Also mithin das, was in Tageszeitungen auf den Seiten 1-8 steht, nicht hinten irgendwo im Feulliton.
Nach einer Untersuchung des Medien-Magazins „ZAPP“ wurden 80% der Interviews in Tagesschau und Tagesthemen mit der Bevölkerung mit eindeutig „pro-westlichen“ Kräften gesendet - war ja auch praktischer, direkt vom Hotel aus zum Maidan zu laufen als zwei Straßen-Ecken weiter zur „normalen“ Bevölkerung.
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Westerwelle war doch zu der Zeit schon gar nicht mehr im Amt. Den Vertrag zwischen Janukovich, Klitschko und den anderen Oppositionsparteien hat Steinmeier zusammen mit den Außenministern Frankreichs und Polens vermittelt. - Und ja, das kann man als Durchbruch werten, weil Janukovich da erstmals überhaupt Zugeständnisse gemacht und nicht nur auf Zeit gespielt hatte. Allerdings hätte ihm dieser Vertrag noch immer sein Amt - welches er diktatorisch ausgeübt hat - bis Ende des Jahres gesichert. Und das war schon nach den Maidan-Toten. Daß die Demonstranten das nicht billigen konnten, hatte ich mir gedacht. Daß der Umsturz schon am nächsten Tag kommen würde, hätte wohl niemand erwartet.Westerwelle war also nicht mehr im Amt: im November 2013? Da muß die NSA aber gewaltig in der Historie rumgefuhrwerkt haben, dass ich das nicht mehr auf die Reihe kriege. Habe ich die Bilder etwa geträumt? Hmm, nö. Hab ich nicht. Westerwelle WAR auf dem Maidan und hat mit der Opposition verhandelt (noch im Dezember 2013 war er im Amt - das war die seltsam lange Übergangszeit bis zur neuen Regierungsbildung, u.a. Dank SPD-Mitgliederentscheid). Soso, und jetzt hat der alte Putin-Freund sein Amt also „diktatorisch“ ausgeübt - weil er von der Mehrheit gewählt wurde und sonst nix verbrochen hat - DAS meine ich mit Medien-Berichterstattung. Das das hier auf fruchtbaren Boden fallen würde, hätte ich nicht vermutet. Naja, so fruchtbar ja nun auch nicht.
Und nun zum Vertrags-Abschluß zwischen der Opposition und Janukowicz: Die Oppositionsführer reichen Janukowicz die Hand zum „historischen Kompromiß“ - bildlich und dokumentarisch festgehalten - die EU freut sich - jetzt haben aber die „Demonstranten“ trotzdem was dagegen: ja was denn nun? Wird die „Opposition“ jetzt von ihren Führern vertreten oder von wem oder was? Und der soeben ausgehandelte Kompromiss (beinhaltet unter anderem gemeinsam neue Übergangsregierung und Neuwahlen) ist aber doch irgendwie nix? Für wen? Warum? Versteh ich immer noch nicht. Gib mir bitte nochmal detaillierte Auskunft darüber, WEM genau welches Detail des „historischen“ Kompromisses nicht gefallen hat.
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Ich kann nicht erkennen, daß der Westen hier besondere Forderungen eingebracht hätte. Er hat die Opposition gegen Janukovich politisch unterstützt, das ja. Gegen ein diktatorisches Regime ist das auch legitim. Aber die Forderungen kamen von den Demonstranten bzw. deren Führern selbst. Die haben sich auch nicht bzw. nur sehr sporadisch mit ausländischen Politikern aus dem Westen getroffen. Daß der Westen hier als scharfmacher agiert hätte, dafür sehe ich keine Belege.Also von den Führern selbst, die soeben das Abkommen abgeschlossen haben, geht’s noch? Die Wirklichkeit blamiert immer den, der an seine Medien glaubt. Nochmal zum Mitschreiben: die „Oppositionsführer“ handeln mit der Regierung einen historischen Kompromiß aus, Klitschko grinst mit Handschlag Janukowicz siegessicher in die Kameras - und einen Tag später weiß er von nichts mehr? Alte Boxerbirne!
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Die Maidan-Bewegung war zuletzt - sicher auch der Rechtsradikalen wegen, die sich da untergemischt hatten - nicht mehr gänzlich friedlich. Da waren auch Waffen im Spiel. Und ja, mit rein friedlichen Demonstrationen wäre Janukovich nicht aus dem Amt zu bekommen gewesen. Erst die Eskalation der Gewalt hat den Druck so erhöht, daß er letztlich aufgeben mußte.Gaaanz stark! Ein demokratisch gewählter Präsident ist nicht so einfach aus dem Amt zu bekommen - sowie seinerzeit Allende - "da waren auch Waffen im Spiel". Können wir uns darauf einigen, daß friedliche Demonstranten protestieren und demonstrieren, während Putschisten putschen?
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Eine saubere Aufklärung ist in diesen Zeiten des Umsturzes auch nicht zu erwarten. Aber die Hinweise überwiegen momentan wohl eher für die Vermutung, daß die gezielten Schüsse auf Demonstranten von regierungstreuen Truppen kamen.Wär schön, dafür einen Beleg zu haben. Was aus meinem Zitat hervorgeht, hast Du nicht widerlegen können. Aber so funktionieren die Medien eben: einfach mal den schönen „Anschein“ hernehmen… klappt schon. Warum hat dann die neue „Übergangsregierung“ keinerlei Interesse daran, das aufzuklären? Das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse, scheint aber auf das hinauszulaufen, was Scharping sein „Hufeisen-Plan“ und Bush seine (irakischen) Massenvernichtungswaffen waren.
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Die neue Regierung ist vom Parlament gewählt. Das Parlament wurde niemals aufgelöst, es sind nur ca. 2/3 der Leute aus der Janukovich-Partei "mal eben" zur Opposition übergelaufen. Wie freiwillig das war, darüber mag man sich streiten, das wird von den Rußlandtreuen ja auch bezweifelt. Aber eine formale Legitimation liegt wohl durchaus vor (anders als für den Chef des neuen Krim-Regionalparlaments).Genau, vom Parlament gewählt. Allerdings musst Du dir hier den Vergleich gefallen lassen, dass Adolf Hitler 1933 auch „vom Parlament gewählt“ wurde. Rein mehrheitlich. Dass man zuvor ein paar Leute aus dem Parlament ausgeschlossen (verhaftet) hat und ein klein wenig Druck ausübte, schert da ja nicht. Und ich kann mich nicht daran erinnern, 1989/90 Bilder von schwer bewaffneten "Neues Forum"-Mitgliedern gesehen zu haben, die anschließend die Straßen kontrollierten und von jedem eine "Spende" für die neue Regierung einzutrieben.
Daß dies keine demokratisch legitimierte Regierung im eigentlichen Sinne ist, weiß wohl jeder. Deshalb soll es ja auch schon im Mai Neuwahlen geben. Eine Phase der nicht-demokratischen Übergangsregierung gibt es bei jedem Umsturz. Das war auch 1989 nicht anders bis zu den ersten freien Wahlen in der DDR.
(07.03.2014, 10:17)Zurgrimm schrieb: Nein, der zweite Weltkrieg ist seit fast 70 Jahren zu Ende und seine Ergebnisse stehen fest. Mit denen muß sich jeder Staat und jede Volksgruppe arrangieren. Die Polen streben auch nicht danach, ihr Land wieder nach Osten auszuweiten und Deutschland erkennt nach wie vor die Oder-Neiße-Grenze an. Die Krim wurde vom Sowjetpräsidenten Chruschtschow 1954 (also 9 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg!) der Ukraine zugeschlagen.
Ahja, noch ganz kurz dazu: Von wann bis wann war die Ukraine bis dato ein selbständiger Staat - also bevor Chruschtschow ihn 1954 zu einem solchen machte?
Fadenscheinige Argumente: die gibt’s zu Hauf - nur nicht auf Seiten Russlands. Es geht immer noch um die Revision des WK 2: Polen ist bereits vertragswidrig in der NATO, dazu: Lettland, Litauen, Estland, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Albanien und Kroatien. Was genau hast Du bisher dazu gesagt?
Nix für ungut.