Olport, 3. Tag des Namenlosen im Jahre 14 seiner allergöttlichsten Magnifizenz, Kaiser Hal I. von Gareth
Ich erholte mich gerade von einer kleinen Expedition in den grauen Bergen und schlenderte gemütlich über den Fischmarkt von Olport. Ich wollte mir eben eine Fischpastete zum Mittagessen gönnen, als etwas an meinem Hosenbein zupfte. „Taschendieb!“ schoss es mir durch den Kopf. Blitzschnell drehte ich mich um und packte zu.
„Hab ich dich du Mistkerl!“ polterte ich los und schüttelte den kleinen Jungen kräftig durch.
„Bitte, bitte, lass mich runter“, fing er an zu schluchzen, dass mir das Herz weich wurde. Ich stellte den jungen Dieb wieder auf seine eigenen Füße und packte ihn fest am Handgelenk.
Immer noch wütend über den dreisten Versuch mich zu bestehlen schleppte ich den jungen über den Marktplatz. Vor dem Magistrat von Olport angekommen wurde mir dann sein Gejammer zu viel. Ich wollte gerade zu einer mächtigen Ohrfeige ausholen, als mir seine Kleidung auffiel. Er war viel zu gut gekleidet für einen Dieb. Tatsächlich trug er die Kluft eines Schreiber-lehrlings.
„Seid ihr Styr al Skerdun?“ stammelte er als ich innehielt.
„Ja!“ erwiderte ich barsch, „was willst du von mir?“
„Meister Alwyn von Olport… Nachricht… suche … al Skerdun“, stammelte er weiter.
„Bring mich zu ihm“, brummte ich und gab ihm einen kleinen Schubs.
Er stolperte los und blickte den gesamten weg furchtvoll über seine Schulter zurück. Beim Schreiber angekommen verschwand er sofort auf nimmer wieder sehen. Meister Alwyn, ein grauhaariger Mann, mittleren Alters begrüßte mich und führte mich in sein Arbeitszimmer. Dort präsentierte er mir einen vergilbten, an den Rändern zerfledderten Brief. Ich wollte gerade zugreifen, da zog er seine Hand mit einem unver-schämten Grinsen zurück. Gleichzeitig streckte er mir seine leere linke entgegen und murmelte
„Na, na, nicht so schnell!“ Am liebsten hätte ich ihm die vorher unverteilte Ohrfeige verpasst.
Letztendlich bekam ich den Brief gegen einen Golddukaten ausgehändigt. „Hoffentlich war’s das ganze Wert“, dachte ich und zog mich in mein Zimmer in der Herberge zurück. Gespannt öffnete ich das teure Schreiben.
„Hallo Styr, muss dich dringend sprechen. Brauche Hilfe bei der Suche nach meinem Vater. Erwarte dich in Thorwal in unserem alten ‚Palast’. Alles weitere dort. Deine Minna“
„Soso, die gute alte Minna braucht mich mal wieder“, dachte ich. Ein lächeln stahl sich in meine Mundwinkel. „Vielleicht ist der Tag doch nicht ganz so schlecht.“ „Was hatten wir damals für eine tolle Zeit.“ Murmelte ich vor mich hin.
Sofort hatte ich wieder die alte Kriegerakademie vor Augen. Ich hatte gerade den ersten Kurs in Waffenkunde besucht, als wir uns zum ersten Mal trafen. Es war in den ‚Vier Winden’ wo wir beide von einem anstrengendem Tag entspannen wollten. Sie war damals Schülerin an in der Magiergilde. Mit einem warmen Lächeln erinnerte ich mich an unser Liebesnest in den ‚Vier Winden’. „Was soll’s, du konntest Minna noch nie etwas abschlagen. Los geht’s!“ sagte ich zu mir.
Geschwind packte ich meine Sachen und verließ den ‚Fischkopf’. Am Hafen angekommen hörte ich mich beim Hafenmeister nach Schiffen nach Süden um. Ich bin zwar noch nie gerne mit dem Schiff gereist, aber für so eine weite Strecke kam nur ein schneller Segler in Frage. Der mürrische Hafenmeister, Hafenmeister scheinen irgendwie immer mürrisch zu sein, schickte mich in Richtung Westdocks mit den Worten: „Frachdamal!“ Na ja, eigentlich war das bei ihm nur ein Wort.
Gesagt, getan. Bald hatte ich zwei Schiffe zur Auswahl: Der Kapitän einer alten, runden Kogge, die ihre besten Tage definitiv schon erlebt hatte, wollte noch heute Nachmittag nach Thorwal aufbrechen, und ein relativ neuer Schoner, auf dem ich nur den Maat fand würde morgen nach Prem auslaufen. Aufgrund der schnelleren Reisegeschwindigkeit entschied ich mich für den Schoner. Der Maat beschied mir morgen früh punkt acht am Pier zu stehen und wandte sich dann wieder den Ladetätigkeiten zu.
Glücklicherweise hatte ich mein Zimmer noch nicht bezahlt und machte mich nach einigen Besor-gungen, am Hauptmarkt, auf zum ‚Fischkopf’. Mit etwas gemischten Gefühlen ging ich nach einer ausgiebigen Mahlzeit zeitig zu Bett.
Olport, 4. Tag des Namenlosen 14
Nach einem warmen Frühstück bezahlte ich mein Zimmer und wünschte Mirko dem Wirt vom ‚Fisch-kopf“’ einen schönen Sommer.
„Grüß Magda von mir!“ verabschiedete ich mich.
„Bis bald, alter Junge!“ rief er mir nach als ich seine Herberge verließ. Er wusste ich würde ihn sicher bald wieder aufsuchen um nach meinen Abenteuern hier zu rasten. Über die letzten Jahre hatte ich hier schon einige Schrammen auskuriert und wir waren Freunde gewor-den.
Am Hafen angekommen, begab ich mich zum Westpier und ging über eine schmale Planke an Bord der ‚Sturmvogel’. Kaum war ich an Deck, zog ein Matrose die Planke ein und der Maat gab das Kommando zum ablegen. Mit einer Hand winkte er mich in Richtung Kapitänskabine. Der Kapitän rief mich herein und begrüßte mich freundlich.
„Drammen, Mandor Drammen, Kapitän der ‚Sturm-vogel’. Ihr wollt also mit nach Prem. Das macht 25 Silberlinge, 15 jetzt und 10 beim verlassen des Schiffes.“
Ich war erbost. Wollte er mich etwa ausrauben? Wütend schnaubte ich, „Das könnt ihr vergessen!“ und bot ihm 15 Silberlinge insgesamt.
Doch leider bekam ich nicht die gewünschte Reaktion zu sehen. Lachend stand er auf und öffnete die Heckfenster seiner Kabine. Mit einem grinsen deutete er auf die kleiner werdenden Häuser von Olport. „Zahlen oder Schwimmen!“ sagte er trocken.
Nach einiger Zeit und einer geteilten Mahlzeit einigten wir uns dann auf 20 Silberlinge und meine Mithilfe im Falle eines Piratenangriffes. Außerdem konnte ich eine eigene Kajüte herausschlagen, was den Maat, der grummelnd ausziehen musste, nicht besonders zu erfreuen schien.
Manrin, 3. Praios im Jahre 15 seiner allergöttlichsten Magnifizenz, Kaiser Hal I. von Gareth
Nach einer ungestörten ersten Reisehälfte machten wir heute einen kurzen Zwischenstopp in Manrin. Der Kapitän ließ die Vorräte aufstocken und nahm einige Ballen Tuch an Bord. Ich war heilfroh endlich mal wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und ging als erster von Bord. Ich bummelte kurz über den Markt und genoss ein kühles Bierchen, aber wir stachen schon bald wieder in See.
Auf See (im Runin-Sund), 8. Praios 15
Der Tag fing stürmisch an. Südlich der Premer Landzunge braute sich gegen Mittag ein richtiger Sturm zusammen. Immer dunkler wurden die Wolken und die steife Brise war schon längst zu einem Sturmgebrüll geworden. Mit Mühe konnte ich mich an die Reling klammern. Das ständige auf und ab war einfach nur grausam für meinen Magen. Ich hasse Schiffe! Schon vor einigen stunden hatte ich Efferd meinen Mageninhalt geopfert und noch immer war mir speiübel.
Nachmittags, es muss so gegen fünf Uhr gewesen sein, flaute der Sturm dann endlich ein wenig ab. Wir waren gerade in die Meerenge zwischen der Insel Runin und dem Premer Festland eingefahren und der Wellengang nahm merklich ab. Langsam beruhigte sich mein Magen wieder. Gerade als ich die Reling wieder verlassen wollte, um mich in meiner Kabine auszuruhen sah ich es: Ein Rot-weißes Segel!
„Piraten! Piraten auf Backbord!“ schrie ich aufgeregt und zeigte auf das bedrohliche Segel. Das feindliche Boot drehte in unsere Richtung. Sie hatten die Verfolgung aufgenommen.
Zum Glück hatte die ‚Sturmvogel’ einen guten Kapitän. Mandor Drammen reagierte blitzschnell. Er und sein Maat trieben die Seemänner zu Höchstleistungen an. Geschwind wie Affen rannten sie hinauf in die Rahen und setzten alles Tuch was wir hatten. Drammen selbst übernahm das Ruder und drehte die ‚Sturmvogel’ in Richtung Runin, der Kurs der am meisten Geschwin-digkeit versprach. Während die Mannschaft versuchte die ‚Sturmvogel’ außer Reichweite zu bringen eilte ich in meine Kabine.
Dort legte ich schnell meine Lederrüstung an und setzte meinen Helm auf. Mit dem Schwert in der Hand ging ich zurück an Deck. Die ‚Sturmvogel’ hatte sich in Richtung Runins Nordkap gedreht und hatte die Piraten nun direkt achtern in etwa einer Meile Entfernung. Ich versuchte den Seemännern nicht in die Quere zu kommen und setzte mich in eine ruhige Ecke. Ich legte mein Schwert quer über die Knie und betete zu Rondra, meiner Schutzgöttin, während ich meine Klinge mit dem Schleifstein vorbereitete.
Glücklicherweise kam sie aber heute nicht mehr zum Einsatz. Unter vollen Segeln machte die ‚Sturm-vogel’ ihrem Namen alle Ehre und war für das Drachenboot der Piraten ein wenig zu schnell. Dennoch hatten wir Runin fast komplett umrundet ehe die Seeräuber abdrehten und ihren Angriff aufgaben.
Prem, 9. Praios 15
Nach unserem kleinen Intermezzo mit dem Piratenschiff war ich doch heilfroh endlich in Prem anzukommen. Nachdem wir das Drachenboot abhängen konnten hatte Mandor Drammen die ‚Sturmvogel’ in einem weiten Bogen um Runin herum nach Prem gesteuert. Dabei war er mir richtig auf die Nerven gegangen mit seinem ewigen Gejammer über den verlorenen Tag.
Gegen halb zehn Uhr abends machten wir im Premer Hafen fest. Ich ging noch einmal zu Kapitän Drammen in die Kajüte und warf ihm ein kleines Säckchen mit den versprochenen restlichen 10 Silberlingen auf den Kartentisch.
„Danke für die schnelle und ‚sichere’ Reise“, grinste ich ihn an.
„Efferds Segen, und immer eine handbreit Wasser unterm Kiel!“ wünschte ich noch und drehte mich zur Tür.
„Danke und möge Rondra dich schützen!“ erwiderte Drammen.
„Styr!“ rief er noch als ich durch die Tür ging. Ich drehte mich noch einmal um und der Beutel mit den Silberlingen schlug auf meiner Brust ein. Mit rechts fing ich ihn auf und blickte den Kapitän ernst an. Er nickte mir respektvoll zu und ich verstand dass er mir für die Warnung vor den Piraten danken wollte. Ich warf den Beutel noch einmal hoch und fing ihn wieder auf. Darauf hin verließ ich die ‚Sturmvogel’ - froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Am ende hatte mich Mandor Drammen tatsächlich überrascht.
Prem, 10. Praios 15
Frühmorgens um sieben Uhr hatte ich die Hafenherberge ‚Ottasjolm’ in Prem verlassen und war zum Hafenmeister gegangen.
„Efferd zum Gruße, irgendein Boot nach Thorwal im Hafen?“ begrüßte ich ihn.
„Efferd zum Gruß, Reisender“ entgegnete er lakonisch, „Informationen - ein Silberling, einfach nur gucken - umsonst!“
Murrend drückte ich ihm einen Silberling in die Hand und schaute ihn fragend an. Als er daraufhin auch nichts sagte, wiederholte ich meine Frage:
„Ist irgendein Boot nach Thorwal im Hafen?“
„Nein!“ entgegnete er.
„Na, und wann kommt eins?“ fragte ich nach.
Als Antwort streckte er mir seine Hand hin. Anscheinend hatte er gemeint, ein Silberling pro Frage. Unverschämt-heit! Es widerstrebte mir ungeheuer diesem Geldhai mein Sauerverdientes Geld in den Rachen zu schmeißen, aber ich wollte nun mal nicht nach Thorwal laufen. Also überließ ich ihm ein weiteres meiner hart verdienten Silberstücke.
„Übermorgen sollte eins kommen“, brummte er und wandte sich wieder seinen Listen zu.
Enttäuscht buchte ich ein Zimmer in der ‚Ottasjolm’ und machte mich auf Prem ein wenig besser kennen zu lernen. Ich hatte ja nun zwei Tage Zeit totzuschlagen.
Prem, 12. Praios 15
Heute ging es nun endlich weiter Richtung Thorwal. Ich konnte mir eine Passage auf der ‚Walfisch’ sichern. Es war eine alte Handelskogge die meinem Magen mit einer rollenden Überfahrt drohte. Aber was sollte ich auch anderes tun. Sie war das einzige Schiff das heute noch auslief. Vier Tage hatte der dicke Kapitän mir versprochen würden wir brauchen. Nicht die schnellste Überfahrt, aber ich wollte nun auch nicht länger warten. Mit einem flauen Gefühl im Magen ging ich an Bord und hoffte auf eine ruhige Überfahrt.
Thorwal, 16. Praios 15
‚Vier Tage’ das ich nicht lache. Heute war der fünfte Tag der Überfahrt und die alte Seekuh, wie ich den Kahn mittlerweile nannte, wogte immer noch durch die Fluten. Nun ja, wenn eine Reise umsonst ist, dann darf man sich wohl auch nicht beschweren. Wenigsten kamen am späten Abend doch noch die Lichter Thorwals in Sicht und ich konnte mich spätnachts in ‚Efferds Trunk’ aufs Ohr hauen.
Thorwal, 17. Praios 15
Ich war sogar ein wenig aufgeregt als ich mich heute früh auf den Weg zu den ‚Vier Winden’ machte. Ich freute mich Minna nach so langer Zeit einmal wieder zu sehen. Kurz hinter dem Hafenmarkt spielte man mir übel mit. ‚Klatsch! Klatsch! Klatsch!’ machte es als drei Pferdeäpfel in meinem Rücken einschlugen. Mist! Die Dinger waren frisch. Ich stank erbärmlich. Plötzlich hörte ich Gekicher, das eindeutig von hinter ein paar Fässern zu kommen schien. Dort fand ich ein paar Kinder die versuchten nicht laut zu lachen. Als sie mich sahen sprangen sie auf und sprinteten kreischend davon. „Unverschämtheit!“ dachte ich, und musste dennoch schmunzeln. Für die Kinder war das bestimmt ein toller Tag.
Marwin, der Wirt der ‚Vier Winde’ war nicht gerade begeistert über seinen neuen, „stinkenden“ Kunden und rümpfte ganz Unverholen die Nase. Aber er hatte natürlich trotzdem ein Zimmer für mich. Ich orderte noch eine volle Wanne warmes Wasser um mich für Minna sauber und frisch zu machen. Ich wollte ja einen guten Eindruck bei ihr machen.
Frisch gebadet begab ich mich in die Taverne der ‚Vier Winde’ und siehe da, am Tresen saß sie. Sie war genauso schön wie früher. Etwa einen Meter siebzig groß und schlank, ihr langes braunes Haar über ihre schultern hängend. Über den hohen Wangenknochen sprachen ihre braunen Augen von tiefer Weisheit wie es nur die einer Magierin konnten. Ohne Sie anzusehen lehnte ich mich an die Bar direkt neben ihr und rief zum Barkeeper:
„Travia zum Gruße, zwei Bier, guter Mann!“
„Zum Wohl“ sagte er freundlich als er die Humpen vor mir platzierte. Ich lehnte mich zu ihm hin und flüsterte: „Wer ist den die hübsche Dame neben mir?“
„Das?“ sagte er und zeigte auf Minna, „das ist Lynn Minasdotter!“ Als Minna ihren Namen hörte drehte sie sich zu uns um und wollte gerade etwas Abfälliges sagen als sie mich erkannte.
„Styr!“ rief sie, „bist du es wirklich?“ und fiel mir um den Hals.
„Schön dich zu sehen, Minna“ sagte ich und umarmte sie innig.
Beim Mittagessen erzählte sie mir dann von ihrem Vater, der von einer Reise nach Skelellen nicht zurückgekehrt war und dass sie ihn nun suchen wollte. Ich versprach ihr natürlich meine Hilfe. Wir waren fast fertig und wollten gerade die Taverne verlassen, als uns eine ungewöhnlich Erscheinung zum bleiben animierte.
Ein Zwerg war auf einen Tisch gesprungen und fing zur Musik einer elfischen Sängerin an akrobatisch zu tanzen. Das sah man nun mal nicht alle Tage. Der Zwerg war für seine Rasse, mit etwa einen Meter dreißig, relativ groß, und ungewöhnlich muskulös. Er trug nur eine braune Hose und Stiefel, und hatte seinen struppigen Bart mit einem roten Band zusammengebunden. So tanzte und taumelte er zum mystischen Gesang der Elfe. Die war ungewöhnlich groß, sie schien genau so groß zu sein wie ich, über einen Meter neunzig. Sie spielte auf einer goldenen Leier und sang dazu ein altes elfishes Lied. Wahrlich, die zwei boten einen außergewöhnlichen Anblick.
Die beiden hatten gerade einige Spenden eingesammelt und sich zu uns an die Bar gesetzt, als ein hünenhafter Thorwaler im Kriegsgewand der Hetgarde die Taverne betrat.
„Höret! Höret! Höret! Der Hetman Tronde Torbensson sucht Helden, die fähig und willens sind, sich auf eine gefährliche Suche zu begeben, die sie wohl ihr Leben kosten kann, deren Erfolg ihnen aber unsterblichen Ruhm und gutes Gold bringt. Sowohl Kenntnisse des Schwertes, als auch der Zauberei sind vonnöten um die Suche zu vollenden. Wer glaubt, über genügend Fertigkeiten zu verfügen, der melde sich auf schnellstem Wege beim Hetman in Thorwal!“
„Das riecht nach Abenteuer“ dachte ich bei mir und fand meinen Gedanken in Minnas Augen wieder. Wir würden dem Hetman wohl einen Besuch abstatten.
„Na, das klingt ja spannend“ bemerkte der Zwerg. „Ingerimm zum Gruße, Thor ak Alzar der Name, Zwerg aus Leidenschaft!“ meinte er grinsend und streckt mir seine Hand entgegen. Ich stellte dem wettergegerbtem Zwerg Minna und mich vor und er zeigte mit dem Daumen hinter sich auf die blonde Elfe, „Die fabelhafte Sängerin ist Aryah Silverbow.“
„Hallo“, sagte Aryah und blickte mich mit ihren eisblauen Augen durchdringend an.
Wir unterhielten uns kurz, tranken ein zwei Bier miteinander und beschlossen dann gemeinsam beim Hetman vorbeizuschauen. Bei einem größeren Auftrag, könnte eine größere Gruppe von Nöten sein. Aryah erwähnte noch zwei befreundete Abenteurer Kollegen von ihr. Eren Luchsohr einen Waldelf und Tanya Eisbach eine Firnelfe die schon in mehreren Abenteuern ihre Gefährten gewesen waren. Wir beschlossen also diese zwei auch noch mit zum Hetman zu nehmen. Da sie gerade auf dem Markt einige Besorgungen machen wollten ging Aryah los um sie zu suchen. Wir setzten uns mit Thor an einen Tisch und er orderte noch etwas zu essen.
Am Nebentisch wurde es plötzlich laut. Ein paar Seeleute hatten wohl einen über den Durst getrunken. Schwankend erhob sich einer und musste sich am Tisch abstützen ehe er weitererzählen konnte.
„Ein Totenschiff, ein Geisterschiff, sag’ ich euch, von der Bilge bis hoch in die Rahen mit Untoten bemannt. Ich sage euch, das ist der Fluch Efferds! Oder vielleicht auch Marbos, der Tochter Borons, des Totengottes. Ich habe da mal vor Jahren eine Geschichte gehört, dass Marbo in menschlicher Gestalt auf einem Schiff gefahren ist, und eine Horde Seeleute über sie herfielen. Das Schiff soll nie in seinem Bestimmungshafen angekommen sein und nur der tumbe Schiffskoch konnte gerettet werden…“
„Ach alles Blödsinn, Thure rief einer seiner Kumpanen und Thure setzte sich wortlos hin. Anscheinend hatte er diese Geschichte schon öfter zum Besten gegeben.
„Na wenn das kein ordentliches Seemannsgarn ist, dann weiß ich auch nicht“, meinte Thor, doch in dem Moment kam Aryah mit den beiden anderen Elfen im Schlepptau zurück.
Schnell wurden wir mit den beiden bekannt gemacht. Der schwarzhaarige Eren schien der ältere der beiden zu sein. Er war in etwa so groß wie Minna, während die etwas kleinere Tanya einen halben Kopf kleiner war. Auf den ersten Eindruck schien sie ein zierliches Persönchen zu sein, was ihr kräftiger Händedruck allerdings widerlegte. Ihre nussbraunen Augen funkelten nur so vor Lebensfreude und sie machte einen sehr fröhlichen Eindruck. Schon bald machten wir uns auf den Weg zum Hetman.
Tronde war sehr froh uns zu sehen und meinte gleich wir seien genau die Richtigen für diese Mission. Er gab uns den Auftrag das Schwert ‚Grimring’ vom alten Hetman Hyggelik zu finden. Wir sollten dann damit das Orkheer aufhalten dass sich irgendwo im oberen Bodirtal zusammenrottet. Zu guter letzt gab er uns noch eine Vollmacht für das Zeughaus von Thorwal und einen Namen. Er meinte wir sollten mal bei Isleif Olgardsson in Felsteyn vorbeischauen. „Mal sehen was der so zu berichten hat“, dachte ich. Minna meinte wir könnten das ganze gut mit der Suche nach ihrem Vater verbinden, weil uns die Mission wohl durch einen Großteil der Thorwaler Gegend führen würde. Also beschlossen wir den Auftrag anzunehmen und wollten morgen aufbrechen.
Thorwal, 18. Praios 15
Ein Besuch bei Stoerrebrandt-Grassberg, einem Krämer gegenüber der ‚Vier Winde’ besorgten wir uns ein paar Seile und Decken. Bevor wir aufbrechen wollten begaben wir uns noch ins Zeughaus. Mit der Vollmacht von Hetman Tronde, 30 Dukaten war die Wert, besorgten wir einen Teil der Grundausrüstung. Danach wollten wir noch zu Grollo, einem gut sortierten Waffenhändler.
Auf dem Weg zu Grollo fiel Eren einem Taschendieb zum Opfer. Als er den Diebstahl bemerkte, sprintete er los und wir alle hinterher. Quer durch Thorwal ging die Hatz. Bis wir keuchend von der ‚Ottaskin der Windzwinger’ ankamen.
„Er…ist… da rein…gelaufen!“ keuchte Eren.
Ich ging auf die Wachen vor dem Tor zu und bat sie höflich um Einlass. Ich schilderte ihnen sogar unser Anliegen. Allerdings wollten sie nicht auf mich hören. Sie lachten nur und sagten,
„Haut ab! Hier kommt niemand rein!“
Sie müssen dann einen Kommentar von mir in den falschen Hals bekommen haben. Na ja, jedenfalls kam es zu einer kleinen Schlägerei mit den drei Wachen. Dank unserer Überzahl konnten wir die drei zurückschlagen und einige ihrer Waffen zu Geld machen. “Hoffentlich hetzen uns die nicht die Stadtwachen auf den Hals.“
Na ja, die Kerle haben uns aber trotzdem ganz schön übel mitgespielt. Eren und Aryah haben einige böse Schnittwunden abbekommen. Also beschlossen wir noch ein paar Tage zu rasten bevor wir losziehen würden.
Thorwal, 23. Praios 15
Fünf lange Tage brauchten die beiden Elfen für die Regeneration, aber die vergingen zum Glück nicht gänzlich ungenutzt. Minna konnte die freie Zeit dazu nutzen ihren Zauberstab mit einigen Zaubern zu belegen die später noch von Nutzen sein sollten. Und ich besuchte meinen alten Mentor Meister Dramosch in der Krieger Akademie. Leider hatte er keine guten Neuigkeiten für mich. Die alte Zwingfeste war von Piraten eingenommen worden. Meister Dramosch hatte keine Zeit und nicht genügend Männer, sondern nur Lehrlinge, um die Piraten auszuräuchern. Er bat mich aber für siebzig Dukaten um Hilfe. Ich konnte ihm natürlich nichts abschlagen und versprach dass wir seinen Keller schon ausräuchern würden. Die anderen waren auch sofort dafür, und so machten wir uns auf in die Keller der alten Zwingfeste.
Meister Dramosch hatte Recht. In den Katakomben unter seiner Kriegerakademie hatten sich tatsächlich Räuber eingenistet. Thor, er hatte einfach ein Händchen für Schlösser, ging voraus. Als Zwerg hatte er ja sowieso eine natürliche Affinität zu Höhlen und dunklen Kellern. Minna sorgte mit ihrem Zauberstab für reichlich Beleuchtung und so machten wir uns auf das Gewölbe zu erforschen.
Wir waren gerade um die erste Ecke gebogen, als wir zwei der finsteren Gesellen überraschten. Die zwei zückten ihre Skrajas und stürzten auf Thor und mich zu. Doch bevor sie zuschlagen konnten hatten unsere drei elfischen Gefährten schon ein paar Pfeile abgeschossen und die zwei Halunken sanken röchelnd zu Boden. Schnell versteckten wir ihre Leichen in einer Ecke und nahmen ihre Waffen an uns.
Tiefer in den inneren Kellerräumen fanden wir das Gerätedepot der Räuberbande und auch deren gut bestückte Speisekammer. Zwei Mal trafen wir noch auf ein Räuberpaar, doch auch die fanden kein rühmlicheres Ende gegen uns. Einen Phexschrein ließen wir links liegen, mit den Göttern soll man es sich ja nicht verscherzen, bevor wir in einer Sackgasse landeten. Minna half uns mit Magie aus der Klemme, denn sie konnte durch einen Zauber feststellen dass hinter der Mauer ein weiterer Raum war, in dem sich Menschen aufhielten.
Nach ausgiebiger Suche fand Thor dann einen geheimen Gang und wir betraten den Raum auf der anderen Seite. Offensichtlich hatten wir zuvor einen Alarm ausgelöst, denn die Räuberhorde wartete schon mit gezückten Säbeln auf uns. Sechs üble Schurken stürzten sich schreiend auf uns.
Nur mit Mühe konnten wir uns des ersten Angriffs erwehren. Dann zeigten die Elfen was sie noch so drauf hatten. Alle drei vielen in einen magischen Singsang, der alle umstehenden schläfrig werden lies. Drei der Räuber schliefen auf der Stelle ein und ein weiterer taumelte schlaftrunken umher. Geistesgegen-wärtig schlug ich zu und half dem Mann in den ewigen Schlaf. Die übrigen beiden versuchten noch ihre Kollegen zu wecken, da schlug Minna mit einem Feuerstrahl zu und streckte einen nieder. Den dritten erledigte Thor mit seiner Axt. Auch die drei schlafenden waren dann kein Problem mehr.
Nachdem wir dann aus dem Raum alles was von Wert war eingesteckt hatten, fanden wir noch die Treppe in ein tieferes Level. Aufgrund der Schwere unserer eigenen Verletzungen und aufkommender Müdigkeit beschlossen wir erst einmal an die Oberfläche zurück zu kehren. Oben angekommen besuchten wir mal wieder Grollo den Waffenhändler und machten die geplünderten Waffen zu Geld. Dann schleppten wir uns, müde und abgekämpft, in die ‚Vier Winde’ und schliefen alsbald ein.
Thorwal, 24. Praios 15
Frühmorgens ging es heute wieder los. Wir wollten nun endlich Meister Dramoschs Auftrag abschleißen. Als wir das erste Kellergeschoss betraten waren wir besonders vorsichtig. Hatten wir doch Angst in eine Falle zu laufen die gestern noch nicht da gewesen war. Aber es gab keine Vorkommnisse. Die ersten beiden Räuberleichen lagen sogar immer noch dort wo wir sie versteckt hatten.
Im zweiten Untergeschoss trafen wir dann gleich auf zwei einzelne Schurken, deren wir uns, dank gut genutzter Überzahl, schnell entledigen konnten. Gleich hinter der ersten Tür fanden wir die Waffenkammer des Piratennestes. Nach kurzer Beratung beschlossen wir die Kammer erst einmal zu leeren und das Zeug hinaus zu schaffen. Wir wollten ja nicht das Risiko eingehen, dass sich in unserem Rücken einer bewaffnen konnte.
Nach einer kurzen Tour zu Grollo waren die Räuber um viele Waffen leichter und wir um einige Dukaten reicher. Schön, wenn alles so läuft wie man sich das vorstellt. Wieder im Kellergewölbe angekommen stieß Thor erneut auf eine Geheimtüre und schaffte es auch sie zu öffnen.
Direkt hinter der Tür trafen wir einen ziemlich überraschten Piraten an, der, von einem Pfeil getroffen, tot umfiel bevor er sein Schwert zücken konnte. Hinter einer schweren Eichentür trafen wir dann auf den Rest der Räuberhorde. Sechs finstere Gesellen stürmten auf uns zu, als sie erkannten dass wir offensichtlich Fremde waren. Diesmal kamen wir jedoch nur mit kleinen Kratzern davon und erbeuteten einen kleinen Goldschlüssel. In einer versteckten Truhe, natürlich passte hier der Schlüssel, fanden wir dann eine Karte der von den Piraten genutzten Kellergewölbe. Offensichtlich hatten wir die Piraten aus der alten Zwingfeste vertrieben. Meister Dramosch würde sich freuen. Aber erst einmal verlangten unsere Körper nach einem Bett.
Thorwal, 25. Praios 15
Gleich um acht Uhr in der Früh trafen wir uns mit Meister Dramosch. Er war äußerst erfreut und dankte uns ausgiebig. Natürlich überreichte er uns die versprochen-en 50 Dukaten und lud uns zu einem kleinen Festmahl ein. Gemeinsam studierten wir noch einmal die Karte die die Piraten von ihrem Unterschlupf angefertigt hatten.
„Ich glaube hier geht es noch weiter nach unten“, meinte Tanya und zeigte auf eine Türe die wir noch gar nicht genauer angesehen hatten.
„Ja, es gab früher noch drei weitere Kellergeschosse unter der Ebene auf der ihr wart“ sagte Meister Dramosch, „aber die hat seit Jahrzehnten niemand mehr betreten. Die Tür da hat mein Vorgänger vor vielen Jahren versiegelt.“
„Das schreit ja förmlich nach einer genauren Untersuchung“, sagte Thor enthusiastisch.
Alle stimmten ihm zu und so verabschiedeten wir uns und begaben uns erneut in den Keller der alten Zwingfeste.
Die besagte Tür hätten wir fast nicht aufgekriegt, aber Minna gelang es sie mit einer magischen Formel zu bewegen und uns Zutritt zu verschaffen. Viel fanden wir auf der nächsten Ebene nicht. Plötzlich stand aber eine Furchterregende Gestalt vor uns. Ich hätte mir fast vor Angst in die Hosen gemacht. Vor uns stand ein Skelett, ein Gerippe das ein Kettenhemd trug und ein altes verrostetes Schwert schwang. Zum Glück war Thor vertrauter mit dieser Art Angreifer und hieb den Knochenmann in seine Einzelteile. „Puh“, dachte ich, „hoffentlich hat keiner meine Furcht bemerkt!“
Leider fand unsere Suche an einem Geröllhaufen ein vorläufiges Ende. Hier ging es nicht weiter. Wir mussten erstmal zurück, und fanden in einem Nebenraum eine Möglichkeit durch einen senkrechten Schacht ein Stockwerk tiefer zu klettern. Angeseilt ging’s dann nach unten. Dort wurden wir erneut von einem dieser Gerippe angegriffen, doch diesmal konnte ich meine Angst überwinden. Ein kräftiger Hieb mit meiner Streitaxt und all die Knochen klapperten einzeln zu Boden.
Wir beschlossen dann erstmal den Rest der oberen Ebene zu untersuchen. Der Rücken will ja immer gesichert sein! Dort fanden wir eine uralte Feuerfalle, die aber zu unserem Leidwesen noch glänzend in Schuss war. Da haben wir uns böse verbrannt. Die Feuerfalle hatte einen Raum mit einer Truhe geschützt. Die Truhe enthielt Passenderweise einige Flaschen ‚Hylailer Feuer’. Leider konnten wir die Falle auch auf dem Rückweg nicht umgehen und verbrannten uns erneut.
In einem kleinen Regal fanden wir einige alte Waffen vor die noch gut in Schuss zu sein schienen. Natürlich wurden sie sofort eingesteckt. Und wieder ging es einige Stufen weiter hinunter. In einem Raum im Südosten hatte sich knietiefes Wasser gesammelt und plötzlich schrie Thor verängstigt auf:
„Ahh!“ rief er und fing wie wild an mit seiner Axt um sich zu hacken. Eren packte Thor geistesgegenwärtig am Kragen und hievte den tropfenden Zwerg aus dem brackigen Wasser.
„Irgendwas hat sich an meinem Bein festgesaugt!“ sagte Thor, er war sichtlich erschüttert. Wir konnten alle noch die Abdrücke der Saugnäpfe an seinem linken Bein sehen und wollten schleunigst aus diesem Raum heraus.
Leider konnten wir kurze Zeit später schon wieder nicht mehr weiter. Es sah so aus als ob wir tauchen müssten um auf die andere Seite zu gelangen. Thor zitterte vor Angst bei der Vorstellung schon wieder in unbekanntes Wasser zu müssen. Schließlich erklärte ich mich bereit es zu versuchen. Wasser hatte mir noch nie etwas ausgemacht, nur Schiffe. Ich band mir also ein Seil um die Hüfte und schwamm los. Ich tauchte auf dem Rücken, um mich an der Decke entlang zu tasten. Es ging unendlich langsam vorwärts. Fast war meine Luft zu Ende. Ich wollte gerade umkehren, als ich ins leere griff. Ich hatte es geschafft. Wieder im Trockenen zog ich zweimal kräftig am Seil. Es war das vereinbarte Zeichen und schon bald half ich Minna aus den dunklen Fluten.
Alle hatten es geschafft und Eren, der letzte, hatte das andere Ende des Seiles für den Rückweg festgebunden. Klitschnass aber erleichtert marschierten wir weiter. Schon wieder eine Treppe nach unten. Das musste jetzt die fünfte Ebene sein von der Meister Dramosch gesprochen hatte. Wieder wurden wir von einigen Skeletten angegriffen, aber auch völlig durchnässt stellten die, außer der Angst tief im Herzen, keine große Gefahr für uns dar.
Hinter einer Tür fanden wir dann einen bedrückenden Gang, aus dem das markerschütternde Heulen gequälter Seelen drang. Ängstlich blickten wir uns an. Wollten wir wirklich da rein? Minna zuckte nur mit den Schultern und ging vorsichtig los. Der Rest folgte ihr in eisigem Schweigen. Plötzlich schälte sich eine wabernde Gestalt aus den Schatten. Ein Peitschenknall hallte durch die Luft. Ein Heshtot, ein seelenloser Dämon, schwebte auf uns zu. Das war zu viel für Thor, er rannte schreiend davon.
Immer wieder zuckte seine Peitsche durch den Raum. Wir mussten schwere Treffen einstecken. Nichts half gegen diese schwarze Schreckensgestalt. Es war als würden unsere Schwerter versuchen Rauch zu schneiden. Panik ergriff unsere Gruppe. Würden wir hier unten ein grausames Ende finden? Nein! Boron war noch nicht bereit für uns. In einem Akt der Verzweiflung schlug Minna mit ihrem Zauberstab zu. Der magisch behandelte Stab schnitt den Dämon glatt in zwei. Ein quietschender Schrei ertönte. Der Heshtot löste sich in Rauch auf. Wir hatten es geschafft, der Dämon war besiegt.
Hinter einer Ecke saß Thor, in sich zusammengekauert. Es kostete uns einige Mühen ihn dazu zu bewegen mit uns weiter zu gehen. Aber wie es schien hatten wir mit dem Dämon auch den restlichen Spuk ein Ende gesetzt. Wir sahen in jede Ecke, fanden aber nichts weiter das für uns von Interesse gewesen wäre.
Nach einer weiteren Tauchpartie, ein wenig waren wir sogar froh über die reinigende Wirkung des Wassers, gelangten wir wieder auf die nächst höherer Ebene. Leider konnten wir durch den Schacht den wir herunter gekommen waren nicht mehr wieder hoch. Und an dem Geröllhaufen auf Ebene 3 konnten wir auch nicht vorbei. Bevor jedoch Panik aufkommen konnte kam uns die Höhlenerfahrung unseres tapferen Zwerges zu Gute.
„Spürt ihr auch diesen Luftzug?“ fragte Thor.
„Ja klar“, rief Aryah, „der kommt aus dieser Richtung!“
„Dann muss es da auch irgendwo rausgehen!“ erklärte Thor und stapfte los.
Tatsächlich fanden wir nach kurzem Suchen auch eine brüchige Wand die, erstmal eingerissen, den Weg in einen weiteren Keller frei gab. Kaum hatten wir diesen betreten wurden wir vom gleißenden Licht einer Laterne geblendet. Es war Gurthag der Schmied in dessen Keller wir gelandet waren. Wir konnten Gurthag nach kurzer Diskussion von unserer Rechtschaffenheit überzeugen und er ließ uns durch seine Werkstatt in das taghelle Thorwal. Müde schleppten wir uns in die ‚Vier Winde’ und beschlossen uns erstmal richtig zu erholen.
Serske, 29. Praios 15
Nach drei Tagen der Ruhe und Rast waren wir nun endlich wieder fit genug um Thorwal fürs erste den Rücken zu kehren. Zwar hatten wir vom Hetman den Hinweis bekommen in Felsteyn vorbeizuschauen, doch beschlossen wir, dem erstmal nicht nachzugehen. Der eigentliche Grund aus dem Minna und ich uns in Thorwal getroffen hatten war ja das Verschwinden ihres Vaters. Minna sagte, er war in Richtung Skelellen unterwegs gewesen, um Verwandte zu besuchen. Wir waren alle der Meinung, dass uns die Suche nach ‚Grimring’ wahrscheinlich in viele Teile Aventuriens führen würde, und es somit nicht schaden konnte im Süden anzufangen.
Deshalb machten wir uns zu Fuß auf nach Serske, wo wir am späten Nachmittag etwas durchnässt eintrafen. Es hatte den ganzen Tag wie aus Kübeln gegossen. Wir besuchten daher die Herberge ‚Orknase’ um wieder trocken zu werden und etwaigen Erkältungen vorzubeugen.
Serske - Breida, 30. Praios 15
Bei strahlendem Sonnenschein ging es heute über die noch vom Vortag regennassen Wanderwege weiter nach Breida. Gegen Abend, wir wollten gerade beginnen nach einem geeignetem Lagerplatz suchen, als Eren uns mit einer Geste zur Stille mahnte. Er hatte einige Wildrinder erspäht die auf einer Wiese friedlich grasten. Die Gelegenheit war einfach zu verlockend. Eren bedeutete uns zu warten und schlich sich langsam näher. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, erhob er sich blitzschnell und feuerte zwei Pfeile auf den Bullen ab. Ich muss schon sagen, Eren ist ein fantastischer Schütze. Beide Pfeile trafen ihr Ziel und der mächtige Bulle sank schwer verletzt nieder. Wir machten uns sofort daran das Tier auszuweiden und das Fleisch transportfähig zu machen.
Ich erholte mich gerade von einer kleinen Expedition in den grauen Bergen und schlenderte gemütlich über den Fischmarkt von Olport. Ich wollte mir eben eine Fischpastete zum Mittagessen gönnen, als etwas an meinem Hosenbein zupfte. „Taschendieb!“ schoss es mir durch den Kopf. Blitzschnell drehte ich mich um und packte zu.
„Hab ich dich du Mistkerl!“ polterte ich los und schüttelte den kleinen Jungen kräftig durch.
„Bitte, bitte, lass mich runter“, fing er an zu schluchzen, dass mir das Herz weich wurde. Ich stellte den jungen Dieb wieder auf seine eigenen Füße und packte ihn fest am Handgelenk.
Immer noch wütend über den dreisten Versuch mich zu bestehlen schleppte ich den jungen über den Marktplatz. Vor dem Magistrat von Olport angekommen wurde mir dann sein Gejammer zu viel. Ich wollte gerade zu einer mächtigen Ohrfeige ausholen, als mir seine Kleidung auffiel. Er war viel zu gut gekleidet für einen Dieb. Tatsächlich trug er die Kluft eines Schreiber-lehrlings.
„Seid ihr Styr al Skerdun?“ stammelte er als ich innehielt.
„Ja!“ erwiderte ich barsch, „was willst du von mir?“
„Meister Alwyn von Olport… Nachricht… suche … al Skerdun“, stammelte er weiter.
„Bring mich zu ihm“, brummte ich und gab ihm einen kleinen Schubs.
Er stolperte los und blickte den gesamten weg furchtvoll über seine Schulter zurück. Beim Schreiber angekommen verschwand er sofort auf nimmer wieder sehen. Meister Alwyn, ein grauhaariger Mann, mittleren Alters begrüßte mich und führte mich in sein Arbeitszimmer. Dort präsentierte er mir einen vergilbten, an den Rändern zerfledderten Brief. Ich wollte gerade zugreifen, da zog er seine Hand mit einem unver-schämten Grinsen zurück. Gleichzeitig streckte er mir seine leere linke entgegen und murmelte
„Na, na, nicht so schnell!“ Am liebsten hätte ich ihm die vorher unverteilte Ohrfeige verpasst.
Letztendlich bekam ich den Brief gegen einen Golddukaten ausgehändigt. „Hoffentlich war’s das ganze Wert“, dachte ich und zog mich in mein Zimmer in der Herberge zurück. Gespannt öffnete ich das teure Schreiben.
„Hallo Styr, muss dich dringend sprechen. Brauche Hilfe bei der Suche nach meinem Vater. Erwarte dich in Thorwal in unserem alten ‚Palast’. Alles weitere dort. Deine Minna“
„Soso, die gute alte Minna braucht mich mal wieder“, dachte ich. Ein lächeln stahl sich in meine Mundwinkel. „Vielleicht ist der Tag doch nicht ganz so schlecht.“ „Was hatten wir damals für eine tolle Zeit.“ Murmelte ich vor mich hin.
Sofort hatte ich wieder die alte Kriegerakademie vor Augen. Ich hatte gerade den ersten Kurs in Waffenkunde besucht, als wir uns zum ersten Mal trafen. Es war in den ‚Vier Winden’ wo wir beide von einem anstrengendem Tag entspannen wollten. Sie war damals Schülerin an in der Magiergilde. Mit einem warmen Lächeln erinnerte ich mich an unser Liebesnest in den ‚Vier Winden’. „Was soll’s, du konntest Minna noch nie etwas abschlagen. Los geht’s!“ sagte ich zu mir.
Geschwind packte ich meine Sachen und verließ den ‚Fischkopf’. Am Hafen angekommen hörte ich mich beim Hafenmeister nach Schiffen nach Süden um. Ich bin zwar noch nie gerne mit dem Schiff gereist, aber für so eine weite Strecke kam nur ein schneller Segler in Frage. Der mürrische Hafenmeister, Hafenmeister scheinen irgendwie immer mürrisch zu sein, schickte mich in Richtung Westdocks mit den Worten: „Frachdamal!“ Na ja, eigentlich war das bei ihm nur ein Wort.
Gesagt, getan. Bald hatte ich zwei Schiffe zur Auswahl: Der Kapitän einer alten, runden Kogge, die ihre besten Tage definitiv schon erlebt hatte, wollte noch heute Nachmittag nach Thorwal aufbrechen, und ein relativ neuer Schoner, auf dem ich nur den Maat fand würde morgen nach Prem auslaufen. Aufgrund der schnelleren Reisegeschwindigkeit entschied ich mich für den Schoner. Der Maat beschied mir morgen früh punkt acht am Pier zu stehen und wandte sich dann wieder den Ladetätigkeiten zu.
Glücklicherweise hatte ich mein Zimmer noch nicht bezahlt und machte mich nach einigen Besor-gungen, am Hauptmarkt, auf zum ‚Fischkopf’. Mit etwas gemischten Gefühlen ging ich nach einer ausgiebigen Mahlzeit zeitig zu Bett.
Olport, 4. Tag des Namenlosen 14
Nach einem warmen Frühstück bezahlte ich mein Zimmer und wünschte Mirko dem Wirt vom ‚Fisch-kopf“’ einen schönen Sommer.
„Grüß Magda von mir!“ verabschiedete ich mich.
„Bis bald, alter Junge!“ rief er mir nach als ich seine Herberge verließ. Er wusste ich würde ihn sicher bald wieder aufsuchen um nach meinen Abenteuern hier zu rasten. Über die letzten Jahre hatte ich hier schon einige Schrammen auskuriert und wir waren Freunde gewor-den.
Am Hafen angekommen, begab ich mich zum Westpier und ging über eine schmale Planke an Bord der ‚Sturmvogel’. Kaum war ich an Deck, zog ein Matrose die Planke ein und der Maat gab das Kommando zum ablegen. Mit einer Hand winkte er mich in Richtung Kapitänskabine. Der Kapitän rief mich herein und begrüßte mich freundlich.
„Drammen, Mandor Drammen, Kapitän der ‚Sturm-vogel’. Ihr wollt also mit nach Prem. Das macht 25 Silberlinge, 15 jetzt und 10 beim verlassen des Schiffes.“
Ich war erbost. Wollte er mich etwa ausrauben? Wütend schnaubte ich, „Das könnt ihr vergessen!“ und bot ihm 15 Silberlinge insgesamt.
Doch leider bekam ich nicht die gewünschte Reaktion zu sehen. Lachend stand er auf und öffnete die Heckfenster seiner Kabine. Mit einem grinsen deutete er auf die kleiner werdenden Häuser von Olport. „Zahlen oder Schwimmen!“ sagte er trocken.
Nach einiger Zeit und einer geteilten Mahlzeit einigten wir uns dann auf 20 Silberlinge und meine Mithilfe im Falle eines Piratenangriffes. Außerdem konnte ich eine eigene Kajüte herausschlagen, was den Maat, der grummelnd ausziehen musste, nicht besonders zu erfreuen schien.
Manrin, 3. Praios im Jahre 15 seiner allergöttlichsten Magnifizenz, Kaiser Hal I. von Gareth
Nach einer ungestörten ersten Reisehälfte machten wir heute einen kurzen Zwischenstopp in Manrin. Der Kapitän ließ die Vorräte aufstocken und nahm einige Ballen Tuch an Bord. Ich war heilfroh endlich mal wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und ging als erster von Bord. Ich bummelte kurz über den Markt und genoss ein kühles Bierchen, aber wir stachen schon bald wieder in See.
Auf See (im Runin-Sund), 8. Praios 15
Der Tag fing stürmisch an. Südlich der Premer Landzunge braute sich gegen Mittag ein richtiger Sturm zusammen. Immer dunkler wurden die Wolken und die steife Brise war schon längst zu einem Sturmgebrüll geworden. Mit Mühe konnte ich mich an die Reling klammern. Das ständige auf und ab war einfach nur grausam für meinen Magen. Ich hasse Schiffe! Schon vor einigen stunden hatte ich Efferd meinen Mageninhalt geopfert und noch immer war mir speiübel.
Nachmittags, es muss so gegen fünf Uhr gewesen sein, flaute der Sturm dann endlich ein wenig ab. Wir waren gerade in die Meerenge zwischen der Insel Runin und dem Premer Festland eingefahren und der Wellengang nahm merklich ab. Langsam beruhigte sich mein Magen wieder. Gerade als ich die Reling wieder verlassen wollte, um mich in meiner Kabine auszuruhen sah ich es: Ein Rot-weißes Segel!
„Piraten! Piraten auf Backbord!“ schrie ich aufgeregt und zeigte auf das bedrohliche Segel. Das feindliche Boot drehte in unsere Richtung. Sie hatten die Verfolgung aufgenommen.
Zum Glück hatte die ‚Sturmvogel’ einen guten Kapitän. Mandor Drammen reagierte blitzschnell. Er und sein Maat trieben die Seemänner zu Höchstleistungen an. Geschwind wie Affen rannten sie hinauf in die Rahen und setzten alles Tuch was wir hatten. Drammen selbst übernahm das Ruder und drehte die ‚Sturmvogel’ in Richtung Runin, der Kurs der am meisten Geschwin-digkeit versprach. Während die Mannschaft versuchte die ‚Sturmvogel’ außer Reichweite zu bringen eilte ich in meine Kabine.
Dort legte ich schnell meine Lederrüstung an und setzte meinen Helm auf. Mit dem Schwert in der Hand ging ich zurück an Deck. Die ‚Sturmvogel’ hatte sich in Richtung Runins Nordkap gedreht und hatte die Piraten nun direkt achtern in etwa einer Meile Entfernung. Ich versuchte den Seemännern nicht in die Quere zu kommen und setzte mich in eine ruhige Ecke. Ich legte mein Schwert quer über die Knie und betete zu Rondra, meiner Schutzgöttin, während ich meine Klinge mit dem Schleifstein vorbereitete.
Glücklicherweise kam sie aber heute nicht mehr zum Einsatz. Unter vollen Segeln machte die ‚Sturm-vogel’ ihrem Namen alle Ehre und war für das Drachenboot der Piraten ein wenig zu schnell. Dennoch hatten wir Runin fast komplett umrundet ehe die Seeräuber abdrehten und ihren Angriff aufgaben.
Prem, 9. Praios 15
Nach unserem kleinen Intermezzo mit dem Piratenschiff war ich doch heilfroh endlich in Prem anzukommen. Nachdem wir das Drachenboot abhängen konnten hatte Mandor Drammen die ‚Sturmvogel’ in einem weiten Bogen um Runin herum nach Prem gesteuert. Dabei war er mir richtig auf die Nerven gegangen mit seinem ewigen Gejammer über den verlorenen Tag.
Gegen halb zehn Uhr abends machten wir im Premer Hafen fest. Ich ging noch einmal zu Kapitän Drammen in die Kajüte und warf ihm ein kleines Säckchen mit den versprochenen restlichen 10 Silberlingen auf den Kartentisch.
„Danke für die schnelle und ‚sichere’ Reise“, grinste ich ihn an.
„Efferds Segen, und immer eine handbreit Wasser unterm Kiel!“ wünschte ich noch und drehte mich zur Tür.
„Danke und möge Rondra dich schützen!“ erwiderte Drammen.
„Styr!“ rief er noch als ich durch die Tür ging. Ich drehte mich noch einmal um und der Beutel mit den Silberlingen schlug auf meiner Brust ein. Mit rechts fing ich ihn auf und blickte den Kapitän ernst an. Er nickte mir respektvoll zu und ich verstand dass er mir für die Warnung vor den Piraten danken wollte. Ich warf den Beutel noch einmal hoch und fing ihn wieder auf. Darauf hin verließ ich die ‚Sturmvogel’ - froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Am ende hatte mich Mandor Drammen tatsächlich überrascht.
Prem, 10. Praios 15
Frühmorgens um sieben Uhr hatte ich die Hafenherberge ‚Ottasjolm’ in Prem verlassen und war zum Hafenmeister gegangen.
„Efferd zum Gruße, irgendein Boot nach Thorwal im Hafen?“ begrüßte ich ihn.
„Efferd zum Gruß, Reisender“ entgegnete er lakonisch, „Informationen - ein Silberling, einfach nur gucken - umsonst!“
Murrend drückte ich ihm einen Silberling in die Hand und schaute ihn fragend an. Als er daraufhin auch nichts sagte, wiederholte ich meine Frage:
„Ist irgendein Boot nach Thorwal im Hafen?“
„Nein!“ entgegnete er.
„Na, und wann kommt eins?“ fragte ich nach.
Als Antwort streckte er mir seine Hand hin. Anscheinend hatte er gemeint, ein Silberling pro Frage. Unverschämt-heit! Es widerstrebte mir ungeheuer diesem Geldhai mein Sauerverdientes Geld in den Rachen zu schmeißen, aber ich wollte nun mal nicht nach Thorwal laufen. Also überließ ich ihm ein weiteres meiner hart verdienten Silberstücke.
„Übermorgen sollte eins kommen“, brummte er und wandte sich wieder seinen Listen zu.
Enttäuscht buchte ich ein Zimmer in der ‚Ottasjolm’ und machte mich auf Prem ein wenig besser kennen zu lernen. Ich hatte ja nun zwei Tage Zeit totzuschlagen.
Prem, 12. Praios 15
Heute ging es nun endlich weiter Richtung Thorwal. Ich konnte mir eine Passage auf der ‚Walfisch’ sichern. Es war eine alte Handelskogge die meinem Magen mit einer rollenden Überfahrt drohte. Aber was sollte ich auch anderes tun. Sie war das einzige Schiff das heute noch auslief. Vier Tage hatte der dicke Kapitän mir versprochen würden wir brauchen. Nicht die schnellste Überfahrt, aber ich wollte nun auch nicht länger warten. Mit einem flauen Gefühl im Magen ging ich an Bord und hoffte auf eine ruhige Überfahrt.
Thorwal, 16. Praios 15
‚Vier Tage’ das ich nicht lache. Heute war der fünfte Tag der Überfahrt und die alte Seekuh, wie ich den Kahn mittlerweile nannte, wogte immer noch durch die Fluten. Nun ja, wenn eine Reise umsonst ist, dann darf man sich wohl auch nicht beschweren. Wenigsten kamen am späten Abend doch noch die Lichter Thorwals in Sicht und ich konnte mich spätnachts in ‚Efferds Trunk’ aufs Ohr hauen.
Thorwal, 17. Praios 15
Ich war sogar ein wenig aufgeregt als ich mich heute früh auf den Weg zu den ‚Vier Winden’ machte. Ich freute mich Minna nach so langer Zeit einmal wieder zu sehen. Kurz hinter dem Hafenmarkt spielte man mir übel mit. ‚Klatsch! Klatsch! Klatsch!’ machte es als drei Pferdeäpfel in meinem Rücken einschlugen. Mist! Die Dinger waren frisch. Ich stank erbärmlich. Plötzlich hörte ich Gekicher, das eindeutig von hinter ein paar Fässern zu kommen schien. Dort fand ich ein paar Kinder die versuchten nicht laut zu lachen. Als sie mich sahen sprangen sie auf und sprinteten kreischend davon. „Unverschämtheit!“ dachte ich, und musste dennoch schmunzeln. Für die Kinder war das bestimmt ein toller Tag.
Marwin, der Wirt der ‚Vier Winde’ war nicht gerade begeistert über seinen neuen, „stinkenden“ Kunden und rümpfte ganz Unverholen die Nase. Aber er hatte natürlich trotzdem ein Zimmer für mich. Ich orderte noch eine volle Wanne warmes Wasser um mich für Minna sauber und frisch zu machen. Ich wollte ja einen guten Eindruck bei ihr machen.
Frisch gebadet begab ich mich in die Taverne der ‚Vier Winde’ und siehe da, am Tresen saß sie. Sie war genauso schön wie früher. Etwa einen Meter siebzig groß und schlank, ihr langes braunes Haar über ihre schultern hängend. Über den hohen Wangenknochen sprachen ihre braunen Augen von tiefer Weisheit wie es nur die einer Magierin konnten. Ohne Sie anzusehen lehnte ich mich an die Bar direkt neben ihr und rief zum Barkeeper:
„Travia zum Gruße, zwei Bier, guter Mann!“
„Zum Wohl“ sagte er freundlich als er die Humpen vor mir platzierte. Ich lehnte mich zu ihm hin und flüsterte: „Wer ist den die hübsche Dame neben mir?“
„Das?“ sagte er und zeigte auf Minna, „das ist Lynn Minasdotter!“ Als Minna ihren Namen hörte drehte sie sich zu uns um und wollte gerade etwas Abfälliges sagen als sie mich erkannte.
„Styr!“ rief sie, „bist du es wirklich?“ und fiel mir um den Hals.
„Schön dich zu sehen, Minna“ sagte ich und umarmte sie innig.
Beim Mittagessen erzählte sie mir dann von ihrem Vater, der von einer Reise nach Skelellen nicht zurückgekehrt war und dass sie ihn nun suchen wollte. Ich versprach ihr natürlich meine Hilfe. Wir waren fast fertig und wollten gerade die Taverne verlassen, als uns eine ungewöhnlich Erscheinung zum bleiben animierte.
Ein Zwerg war auf einen Tisch gesprungen und fing zur Musik einer elfischen Sängerin an akrobatisch zu tanzen. Das sah man nun mal nicht alle Tage. Der Zwerg war für seine Rasse, mit etwa einen Meter dreißig, relativ groß, und ungewöhnlich muskulös. Er trug nur eine braune Hose und Stiefel, und hatte seinen struppigen Bart mit einem roten Band zusammengebunden. So tanzte und taumelte er zum mystischen Gesang der Elfe. Die war ungewöhnlich groß, sie schien genau so groß zu sein wie ich, über einen Meter neunzig. Sie spielte auf einer goldenen Leier und sang dazu ein altes elfishes Lied. Wahrlich, die zwei boten einen außergewöhnlichen Anblick.
Die beiden hatten gerade einige Spenden eingesammelt und sich zu uns an die Bar gesetzt, als ein hünenhafter Thorwaler im Kriegsgewand der Hetgarde die Taverne betrat.
„Höret! Höret! Höret! Der Hetman Tronde Torbensson sucht Helden, die fähig und willens sind, sich auf eine gefährliche Suche zu begeben, die sie wohl ihr Leben kosten kann, deren Erfolg ihnen aber unsterblichen Ruhm und gutes Gold bringt. Sowohl Kenntnisse des Schwertes, als auch der Zauberei sind vonnöten um die Suche zu vollenden. Wer glaubt, über genügend Fertigkeiten zu verfügen, der melde sich auf schnellstem Wege beim Hetman in Thorwal!“
„Das riecht nach Abenteuer“ dachte ich bei mir und fand meinen Gedanken in Minnas Augen wieder. Wir würden dem Hetman wohl einen Besuch abstatten.
„Na, das klingt ja spannend“ bemerkte der Zwerg. „Ingerimm zum Gruße, Thor ak Alzar der Name, Zwerg aus Leidenschaft!“ meinte er grinsend und streckt mir seine Hand entgegen. Ich stellte dem wettergegerbtem Zwerg Minna und mich vor und er zeigte mit dem Daumen hinter sich auf die blonde Elfe, „Die fabelhafte Sängerin ist Aryah Silverbow.“
„Hallo“, sagte Aryah und blickte mich mit ihren eisblauen Augen durchdringend an.
Wir unterhielten uns kurz, tranken ein zwei Bier miteinander und beschlossen dann gemeinsam beim Hetman vorbeizuschauen. Bei einem größeren Auftrag, könnte eine größere Gruppe von Nöten sein. Aryah erwähnte noch zwei befreundete Abenteurer Kollegen von ihr. Eren Luchsohr einen Waldelf und Tanya Eisbach eine Firnelfe die schon in mehreren Abenteuern ihre Gefährten gewesen waren. Wir beschlossen also diese zwei auch noch mit zum Hetman zu nehmen. Da sie gerade auf dem Markt einige Besorgungen machen wollten ging Aryah los um sie zu suchen. Wir setzten uns mit Thor an einen Tisch und er orderte noch etwas zu essen.
Am Nebentisch wurde es plötzlich laut. Ein paar Seeleute hatten wohl einen über den Durst getrunken. Schwankend erhob sich einer und musste sich am Tisch abstützen ehe er weitererzählen konnte.
„Ein Totenschiff, ein Geisterschiff, sag’ ich euch, von der Bilge bis hoch in die Rahen mit Untoten bemannt. Ich sage euch, das ist der Fluch Efferds! Oder vielleicht auch Marbos, der Tochter Borons, des Totengottes. Ich habe da mal vor Jahren eine Geschichte gehört, dass Marbo in menschlicher Gestalt auf einem Schiff gefahren ist, und eine Horde Seeleute über sie herfielen. Das Schiff soll nie in seinem Bestimmungshafen angekommen sein und nur der tumbe Schiffskoch konnte gerettet werden…“
„Ach alles Blödsinn, Thure rief einer seiner Kumpanen und Thure setzte sich wortlos hin. Anscheinend hatte er diese Geschichte schon öfter zum Besten gegeben.
„Na wenn das kein ordentliches Seemannsgarn ist, dann weiß ich auch nicht“, meinte Thor, doch in dem Moment kam Aryah mit den beiden anderen Elfen im Schlepptau zurück.
Schnell wurden wir mit den beiden bekannt gemacht. Der schwarzhaarige Eren schien der ältere der beiden zu sein. Er war in etwa so groß wie Minna, während die etwas kleinere Tanya einen halben Kopf kleiner war. Auf den ersten Eindruck schien sie ein zierliches Persönchen zu sein, was ihr kräftiger Händedruck allerdings widerlegte. Ihre nussbraunen Augen funkelten nur so vor Lebensfreude und sie machte einen sehr fröhlichen Eindruck. Schon bald machten wir uns auf den Weg zum Hetman.
Tronde war sehr froh uns zu sehen und meinte gleich wir seien genau die Richtigen für diese Mission. Er gab uns den Auftrag das Schwert ‚Grimring’ vom alten Hetman Hyggelik zu finden. Wir sollten dann damit das Orkheer aufhalten dass sich irgendwo im oberen Bodirtal zusammenrottet. Zu guter letzt gab er uns noch eine Vollmacht für das Zeughaus von Thorwal und einen Namen. Er meinte wir sollten mal bei Isleif Olgardsson in Felsteyn vorbeischauen. „Mal sehen was der so zu berichten hat“, dachte ich. Minna meinte wir könnten das ganze gut mit der Suche nach ihrem Vater verbinden, weil uns die Mission wohl durch einen Großteil der Thorwaler Gegend führen würde. Also beschlossen wir den Auftrag anzunehmen und wollten morgen aufbrechen.
Thorwal, 18. Praios 15
Ein Besuch bei Stoerrebrandt-Grassberg, einem Krämer gegenüber der ‚Vier Winde’ besorgten wir uns ein paar Seile und Decken. Bevor wir aufbrechen wollten begaben wir uns noch ins Zeughaus. Mit der Vollmacht von Hetman Tronde, 30 Dukaten war die Wert, besorgten wir einen Teil der Grundausrüstung. Danach wollten wir noch zu Grollo, einem gut sortierten Waffenhändler.
Auf dem Weg zu Grollo fiel Eren einem Taschendieb zum Opfer. Als er den Diebstahl bemerkte, sprintete er los und wir alle hinterher. Quer durch Thorwal ging die Hatz. Bis wir keuchend von der ‚Ottaskin der Windzwinger’ ankamen.
„Er…ist… da rein…gelaufen!“ keuchte Eren.
Ich ging auf die Wachen vor dem Tor zu und bat sie höflich um Einlass. Ich schilderte ihnen sogar unser Anliegen. Allerdings wollten sie nicht auf mich hören. Sie lachten nur und sagten,
„Haut ab! Hier kommt niemand rein!“
Sie müssen dann einen Kommentar von mir in den falschen Hals bekommen haben. Na ja, jedenfalls kam es zu einer kleinen Schlägerei mit den drei Wachen. Dank unserer Überzahl konnten wir die drei zurückschlagen und einige ihrer Waffen zu Geld machen. “Hoffentlich hetzen uns die nicht die Stadtwachen auf den Hals.“
Na ja, die Kerle haben uns aber trotzdem ganz schön übel mitgespielt. Eren und Aryah haben einige böse Schnittwunden abbekommen. Also beschlossen wir noch ein paar Tage zu rasten bevor wir losziehen würden.
Thorwal, 23. Praios 15
Fünf lange Tage brauchten die beiden Elfen für die Regeneration, aber die vergingen zum Glück nicht gänzlich ungenutzt. Minna konnte die freie Zeit dazu nutzen ihren Zauberstab mit einigen Zaubern zu belegen die später noch von Nutzen sein sollten. Und ich besuchte meinen alten Mentor Meister Dramosch in der Krieger Akademie. Leider hatte er keine guten Neuigkeiten für mich. Die alte Zwingfeste war von Piraten eingenommen worden. Meister Dramosch hatte keine Zeit und nicht genügend Männer, sondern nur Lehrlinge, um die Piraten auszuräuchern. Er bat mich aber für siebzig Dukaten um Hilfe. Ich konnte ihm natürlich nichts abschlagen und versprach dass wir seinen Keller schon ausräuchern würden. Die anderen waren auch sofort dafür, und so machten wir uns auf in die Keller der alten Zwingfeste.
Meister Dramosch hatte Recht. In den Katakomben unter seiner Kriegerakademie hatten sich tatsächlich Räuber eingenistet. Thor, er hatte einfach ein Händchen für Schlösser, ging voraus. Als Zwerg hatte er ja sowieso eine natürliche Affinität zu Höhlen und dunklen Kellern. Minna sorgte mit ihrem Zauberstab für reichlich Beleuchtung und so machten wir uns auf das Gewölbe zu erforschen.
Wir waren gerade um die erste Ecke gebogen, als wir zwei der finsteren Gesellen überraschten. Die zwei zückten ihre Skrajas und stürzten auf Thor und mich zu. Doch bevor sie zuschlagen konnten hatten unsere drei elfischen Gefährten schon ein paar Pfeile abgeschossen und die zwei Halunken sanken röchelnd zu Boden. Schnell versteckten wir ihre Leichen in einer Ecke und nahmen ihre Waffen an uns.
Tiefer in den inneren Kellerräumen fanden wir das Gerätedepot der Räuberbande und auch deren gut bestückte Speisekammer. Zwei Mal trafen wir noch auf ein Räuberpaar, doch auch die fanden kein rühmlicheres Ende gegen uns. Einen Phexschrein ließen wir links liegen, mit den Göttern soll man es sich ja nicht verscherzen, bevor wir in einer Sackgasse landeten. Minna half uns mit Magie aus der Klemme, denn sie konnte durch einen Zauber feststellen dass hinter der Mauer ein weiterer Raum war, in dem sich Menschen aufhielten.
Nach ausgiebiger Suche fand Thor dann einen geheimen Gang und wir betraten den Raum auf der anderen Seite. Offensichtlich hatten wir zuvor einen Alarm ausgelöst, denn die Räuberhorde wartete schon mit gezückten Säbeln auf uns. Sechs üble Schurken stürzten sich schreiend auf uns.
Nur mit Mühe konnten wir uns des ersten Angriffs erwehren. Dann zeigten die Elfen was sie noch so drauf hatten. Alle drei vielen in einen magischen Singsang, der alle umstehenden schläfrig werden lies. Drei der Räuber schliefen auf der Stelle ein und ein weiterer taumelte schlaftrunken umher. Geistesgegen-wärtig schlug ich zu und half dem Mann in den ewigen Schlaf. Die übrigen beiden versuchten noch ihre Kollegen zu wecken, da schlug Minna mit einem Feuerstrahl zu und streckte einen nieder. Den dritten erledigte Thor mit seiner Axt. Auch die drei schlafenden waren dann kein Problem mehr.
Nachdem wir dann aus dem Raum alles was von Wert war eingesteckt hatten, fanden wir noch die Treppe in ein tieferes Level. Aufgrund der Schwere unserer eigenen Verletzungen und aufkommender Müdigkeit beschlossen wir erst einmal an die Oberfläche zurück zu kehren. Oben angekommen besuchten wir mal wieder Grollo den Waffenhändler und machten die geplünderten Waffen zu Geld. Dann schleppten wir uns, müde und abgekämpft, in die ‚Vier Winde’ und schliefen alsbald ein.
Thorwal, 24. Praios 15
Frühmorgens ging es heute wieder los. Wir wollten nun endlich Meister Dramoschs Auftrag abschleißen. Als wir das erste Kellergeschoss betraten waren wir besonders vorsichtig. Hatten wir doch Angst in eine Falle zu laufen die gestern noch nicht da gewesen war. Aber es gab keine Vorkommnisse. Die ersten beiden Räuberleichen lagen sogar immer noch dort wo wir sie versteckt hatten.
Im zweiten Untergeschoss trafen wir dann gleich auf zwei einzelne Schurken, deren wir uns, dank gut genutzter Überzahl, schnell entledigen konnten. Gleich hinter der ersten Tür fanden wir die Waffenkammer des Piratennestes. Nach kurzer Beratung beschlossen wir die Kammer erst einmal zu leeren und das Zeug hinaus zu schaffen. Wir wollten ja nicht das Risiko eingehen, dass sich in unserem Rücken einer bewaffnen konnte.
Nach einer kurzen Tour zu Grollo waren die Räuber um viele Waffen leichter und wir um einige Dukaten reicher. Schön, wenn alles so läuft wie man sich das vorstellt. Wieder im Kellergewölbe angekommen stieß Thor erneut auf eine Geheimtüre und schaffte es auch sie zu öffnen.
Direkt hinter der Tür trafen wir einen ziemlich überraschten Piraten an, der, von einem Pfeil getroffen, tot umfiel bevor er sein Schwert zücken konnte. Hinter einer schweren Eichentür trafen wir dann auf den Rest der Räuberhorde. Sechs finstere Gesellen stürmten auf uns zu, als sie erkannten dass wir offensichtlich Fremde waren. Diesmal kamen wir jedoch nur mit kleinen Kratzern davon und erbeuteten einen kleinen Goldschlüssel. In einer versteckten Truhe, natürlich passte hier der Schlüssel, fanden wir dann eine Karte der von den Piraten genutzten Kellergewölbe. Offensichtlich hatten wir die Piraten aus der alten Zwingfeste vertrieben. Meister Dramosch würde sich freuen. Aber erst einmal verlangten unsere Körper nach einem Bett.
Thorwal, 25. Praios 15
Gleich um acht Uhr in der Früh trafen wir uns mit Meister Dramosch. Er war äußerst erfreut und dankte uns ausgiebig. Natürlich überreichte er uns die versprochen-en 50 Dukaten und lud uns zu einem kleinen Festmahl ein. Gemeinsam studierten wir noch einmal die Karte die die Piraten von ihrem Unterschlupf angefertigt hatten.
„Ich glaube hier geht es noch weiter nach unten“, meinte Tanya und zeigte auf eine Türe die wir noch gar nicht genauer angesehen hatten.
„Ja, es gab früher noch drei weitere Kellergeschosse unter der Ebene auf der ihr wart“ sagte Meister Dramosch, „aber die hat seit Jahrzehnten niemand mehr betreten. Die Tür da hat mein Vorgänger vor vielen Jahren versiegelt.“
„Das schreit ja förmlich nach einer genauren Untersuchung“, sagte Thor enthusiastisch.
Alle stimmten ihm zu und so verabschiedeten wir uns und begaben uns erneut in den Keller der alten Zwingfeste.
Die besagte Tür hätten wir fast nicht aufgekriegt, aber Minna gelang es sie mit einer magischen Formel zu bewegen und uns Zutritt zu verschaffen. Viel fanden wir auf der nächsten Ebene nicht. Plötzlich stand aber eine Furchterregende Gestalt vor uns. Ich hätte mir fast vor Angst in die Hosen gemacht. Vor uns stand ein Skelett, ein Gerippe das ein Kettenhemd trug und ein altes verrostetes Schwert schwang. Zum Glück war Thor vertrauter mit dieser Art Angreifer und hieb den Knochenmann in seine Einzelteile. „Puh“, dachte ich, „hoffentlich hat keiner meine Furcht bemerkt!“
Leider fand unsere Suche an einem Geröllhaufen ein vorläufiges Ende. Hier ging es nicht weiter. Wir mussten erstmal zurück, und fanden in einem Nebenraum eine Möglichkeit durch einen senkrechten Schacht ein Stockwerk tiefer zu klettern. Angeseilt ging’s dann nach unten. Dort wurden wir erneut von einem dieser Gerippe angegriffen, doch diesmal konnte ich meine Angst überwinden. Ein kräftiger Hieb mit meiner Streitaxt und all die Knochen klapperten einzeln zu Boden.
Wir beschlossen dann erstmal den Rest der oberen Ebene zu untersuchen. Der Rücken will ja immer gesichert sein! Dort fanden wir eine uralte Feuerfalle, die aber zu unserem Leidwesen noch glänzend in Schuss war. Da haben wir uns böse verbrannt. Die Feuerfalle hatte einen Raum mit einer Truhe geschützt. Die Truhe enthielt Passenderweise einige Flaschen ‚Hylailer Feuer’. Leider konnten wir die Falle auch auf dem Rückweg nicht umgehen und verbrannten uns erneut.
In einem kleinen Regal fanden wir einige alte Waffen vor die noch gut in Schuss zu sein schienen. Natürlich wurden sie sofort eingesteckt. Und wieder ging es einige Stufen weiter hinunter. In einem Raum im Südosten hatte sich knietiefes Wasser gesammelt und plötzlich schrie Thor verängstigt auf:
„Ahh!“ rief er und fing wie wild an mit seiner Axt um sich zu hacken. Eren packte Thor geistesgegenwärtig am Kragen und hievte den tropfenden Zwerg aus dem brackigen Wasser.
„Irgendwas hat sich an meinem Bein festgesaugt!“ sagte Thor, er war sichtlich erschüttert. Wir konnten alle noch die Abdrücke der Saugnäpfe an seinem linken Bein sehen und wollten schleunigst aus diesem Raum heraus.
Leider konnten wir kurze Zeit später schon wieder nicht mehr weiter. Es sah so aus als ob wir tauchen müssten um auf die andere Seite zu gelangen. Thor zitterte vor Angst bei der Vorstellung schon wieder in unbekanntes Wasser zu müssen. Schließlich erklärte ich mich bereit es zu versuchen. Wasser hatte mir noch nie etwas ausgemacht, nur Schiffe. Ich band mir also ein Seil um die Hüfte und schwamm los. Ich tauchte auf dem Rücken, um mich an der Decke entlang zu tasten. Es ging unendlich langsam vorwärts. Fast war meine Luft zu Ende. Ich wollte gerade umkehren, als ich ins leere griff. Ich hatte es geschafft. Wieder im Trockenen zog ich zweimal kräftig am Seil. Es war das vereinbarte Zeichen und schon bald half ich Minna aus den dunklen Fluten.
Alle hatten es geschafft und Eren, der letzte, hatte das andere Ende des Seiles für den Rückweg festgebunden. Klitschnass aber erleichtert marschierten wir weiter. Schon wieder eine Treppe nach unten. Das musste jetzt die fünfte Ebene sein von der Meister Dramosch gesprochen hatte. Wieder wurden wir von einigen Skeletten angegriffen, aber auch völlig durchnässt stellten die, außer der Angst tief im Herzen, keine große Gefahr für uns dar.
Hinter einer Tür fanden wir dann einen bedrückenden Gang, aus dem das markerschütternde Heulen gequälter Seelen drang. Ängstlich blickten wir uns an. Wollten wir wirklich da rein? Minna zuckte nur mit den Schultern und ging vorsichtig los. Der Rest folgte ihr in eisigem Schweigen. Plötzlich schälte sich eine wabernde Gestalt aus den Schatten. Ein Peitschenknall hallte durch die Luft. Ein Heshtot, ein seelenloser Dämon, schwebte auf uns zu. Das war zu viel für Thor, er rannte schreiend davon.
Immer wieder zuckte seine Peitsche durch den Raum. Wir mussten schwere Treffen einstecken. Nichts half gegen diese schwarze Schreckensgestalt. Es war als würden unsere Schwerter versuchen Rauch zu schneiden. Panik ergriff unsere Gruppe. Würden wir hier unten ein grausames Ende finden? Nein! Boron war noch nicht bereit für uns. In einem Akt der Verzweiflung schlug Minna mit ihrem Zauberstab zu. Der magisch behandelte Stab schnitt den Dämon glatt in zwei. Ein quietschender Schrei ertönte. Der Heshtot löste sich in Rauch auf. Wir hatten es geschafft, der Dämon war besiegt.
Hinter einer Ecke saß Thor, in sich zusammengekauert. Es kostete uns einige Mühen ihn dazu zu bewegen mit uns weiter zu gehen. Aber wie es schien hatten wir mit dem Dämon auch den restlichen Spuk ein Ende gesetzt. Wir sahen in jede Ecke, fanden aber nichts weiter das für uns von Interesse gewesen wäre.
Nach einer weiteren Tauchpartie, ein wenig waren wir sogar froh über die reinigende Wirkung des Wassers, gelangten wir wieder auf die nächst höherer Ebene. Leider konnten wir durch den Schacht den wir herunter gekommen waren nicht mehr wieder hoch. Und an dem Geröllhaufen auf Ebene 3 konnten wir auch nicht vorbei. Bevor jedoch Panik aufkommen konnte kam uns die Höhlenerfahrung unseres tapferen Zwerges zu Gute.
„Spürt ihr auch diesen Luftzug?“ fragte Thor.
„Ja klar“, rief Aryah, „der kommt aus dieser Richtung!“
„Dann muss es da auch irgendwo rausgehen!“ erklärte Thor und stapfte los.
Tatsächlich fanden wir nach kurzem Suchen auch eine brüchige Wand die, erstmal eingerissen, den Weg in einen weiteren Keller frei gab. Kaum hatten wir diesen betreten wurden wir vom gleißenden Licht einer Laterne geblendet. Es war Gurthag der Schmied in dessen Keller wir gelandet waren. Wir konnten Gurthag nach kurzer Diskussion von unserer Rechtschaffenheit überzeugen und er ließ uns durch seine Werkstatt in das taghelle Thorwal. Müde schleppten wir uns in die ‚Vier Winde’ und beschlossen uns erstmal richtig zu erholen.
Serske, 29. Praios 15
Nach drei Tagen der Ruhe und Rast waren wir nun endlich wieder fit genug um Thorwal fürs erste den Rücken zu kehren. Zwar hatten wir vom Hetman den Hinweis bekommen in Felsteyn vorbeizuschauen, doch beschlossen wir, dem erstmal nicht nachzugehen. Der eigentliche Grund aus dem Minna und ich uns in Thorwal getroffen hatten war ja das Verschwinden ihres Vaters. Minna sagte, er war in Richtung Skelellen unterwegs gewesen, um Verwandte zu besuchen. Wir waren alle der Meinung, dass uns die Suche nach ‚Grimring’ wahrscheinlich in viele Teile Aventuriens führen würde, und es somit nicht schaden konnte im Süden anzufangen.
Deshalb machten wir uns zu Fuß auf nach Serske, wo wir am späten Nachmittag etwas durchnässt eintrafen. Es hatte den ganzen Tag wie aus Kübeln gegossen. Wir besuchten daher die Herberge ‚Orknase’ um wieder trocken zu werden und etwaigen Erkältungen vorzubeugen.
Serske - Breida, 30. Praios 15
Bei strahlendem Sonnenschein ging es heute über die noch vom Vortag regennassen Wanderwege weiter nach Breida. Gegen Abend, wir wollten gerade beginnen nach einem geeignetem Lagerplatz suchen, als Eren uns mit einer Geste zur Stille mahnte. Er hatte einige Wildrinder erspäht die auf einer Wiese friedlich grasten. Die Gelegenheit war einfach zu verlockend. Eren bedeutete uns zu warten und schlich sich langsam näher. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, erhob er sich blitzschnell und feuerte zwei Pfeile auf den Bullen ab. Ich muss schon sagen, Eren ist ein fantastischer Schütze. Beide Pfeile trafen ihr Ziel und der mächtige Bulle sank schwer verletzt nieder. Wir machten uns sofort daran das Tier auszuweiden und das Fleisch transportfähig zu machen.