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EM 2020
#1
Den Zwölfen zum Gruße!

"Besser spät als nie" - dieses inoffizielle Motto der EM 2020 nutze ich ebenfalls, um zwischen Vorrunde und erstem K.o.-Spiel einen Faden anzufangen.

Was waren die für mich wichtigsten Sachen aus der Vorrunde? An erster Stelle zu nennen sind sicherlich die Wiederbelebungsmaßnahmen für den Dänen Christian Eriksen. Eine so ernste Situation beim Fußball habe ich noch nie gesehen. Dänemark schaffte dann durch einen überragenden Sieg im letzten Gruppenspiel eines der Szenarien wahr werden zu lassen, die ich schon vor zwei EMs beschrieben habe:

(10.06.2012, 10:54)Kunar schrieb: Es ist zwar extrem unwahrscheinlich, aber man kann selbst mit zwei Niederlagen noch weiterkommen (...). (...)

Eine Mannschaft gewinnt in allen drei Spielen, während sich die anderen im Kreis schlagen. Damit hat jede der drei Mannschaften einen Sieg und zwei Niederlagen auf dem Konto - eine von ihnen muss aber die Vorrunde überstehen laut Regelwerk.

Finnland hat als EM-Neuling immerhin einen Sieg eingefahren. Am Ende war das aber zu wenig, um weiterzukommen.

Am meisten überzeugt hat mich Italien. Sie haben alle drei Spiele souverän gewonnen, blieben dabei stets ohne Gegentor - und in der Mannschaft scheint die Stimmung zu stimmen. Sie sind für mich gemessen an der Leistung in der Vorrunde der heißeste Anwärter auf den Titel.

Dahinter kommen Belgien und die Niederlande, die ebenfalls alle drei Spiele gewonnen haben, spielerisch nicht immer überzeugt haben. Die Niederlande scheinen dieses Mal nicht so einen Riesenknatsch im Team zu haben wie vor 9 Jahren; die Frage ist nur - ebenso wie bei den Belgiern - ob sie die Leistung konstant abrufen können. Belgien hatte seit der WM 2014 auf sich aufmerksam gemacht; in entscheidenden Momenten zeigten sie jedoch immer wieder eine unerwartete Schwäche.

England fand ich eher enttäuschend, auch wenn sie ihre Gruppe ohne Gegentor gewonnen haben. Es war jedoch kein Vergleich zum Offensivfeuerwerk von vor drei Jahren. Als Riesenüberflieger sehe ich sie nicht. Kroatien, immerhin Vizeweltmeister, zeigte nur im letzten Spiel, was sie an individueller Klasse drauf haben. Spanien war sterbenslangweilig und es ist schade, dass sie überhaupt die Gruppenphase überstanden haben. Vielleicht sollte man eine neue Sportart erfinden, bei der man einfach nur durch Ballbesitz gewinnt, und sie können dort für immer glücklich werden.

Tja, und dann die Todesgruppe. Die hielt, was sie versprach. Frankreich deutete im Spiel gegen Deutschland nur an, was einige ihrer Stars können - mehr war nicht nötig nach dem frühen Eigentor. Das 1:1 gegen Ungarn hingegen war erschreckend schwach. Im letzten Spiel gegen Portugal wurde dann gekämpft. Portugal selbst ließ sich von Deutschland im zweiten Spiel den Schneid abkaufen. Trotz vieler international erfolgreicher Spieler ist die Mannschaft immer noch völlig auf Ronaldo fixiert. Die Ungarn wurden zum Opfer der Auslosung. Sie hatten die EM ohnehin nur über die Nations League erreicht. Gegen Portugal hielten sie lange mit, bevor kurz vor Schluss doch die Kräfte ausgingen, Frankreich trotzten sie ein Unentschieden ab - und gegen Deutschland waren sie bis kurz vor Schluss der Sensation ganz nahe. Ich kann gut verstehen, dass mindestens einer der Spieler nach dem Spiel geweint hat, als sie sich von ihren Fans verabschiedeten.

Deutschland ist eine Wundertüte - gegen Frankreich erschreckend schwach und einfallslos, gegen Portugal plötzlich mutig und selbstbewusst, gegen Ungarn unkonzentriert und nervös. Immerhin gelang es in den letzten Minuten, das Ruder noch einmal herumzureißen. Die bisherigen Gegentore waren jedoch dumm, das letzte Tor der Ungarn einfach nur peinlich für Deutschland.

Die deutsche Mannschaft hat große Probleme in der Abwehr, insbesondere in der Abstimmung. Gegen einen defensiv sicheren Gegner, der wenige Chancen herausspielt und diese verwandelt, wird es sehr schwer. Kurioserweise sind sie mit dem zweiten Platz in der Gruppe im auf dem Papier leichteren Teil des Turnierbaums gelandet - die anderen Überlebenden der Todesgruppe sieht man wenn überhaupt erst im Finale wieder. Insofern stimmt die Prophezeihung, dass es gut war, einigen harten Brocken direkt in der Gruppenphase zu begegnen. Von einer Favoritenrolle (und einer guten Form) ist Deutschland jedoch weit entfernt, da gibt es zu viele andere Mannschaften, die mehr Konstanz bewiesen haben.

Die beiden Kracher im Achtelfinale sind Belgien - Portugal und Deutschland - England, das vermeintlich schwächste Spiel Schweden - Ukraine. Da kommt ein wenig Nostalgie auf: Vor 25 Jahren gab es das Halbfinale Deutschland - England... die Engländer sehe ich jedoch diesmal vorne, auch wenn Manuel Neuer noch gute Erinnerungen an das WM-Achtelfinale vor 11 Jahren haben wird.
Ärger im Svellttal? Auf der Suche nach dem Salamanderstein? Dann hilft der Sternenschweif-Reiseführer von Kunar!
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#2
Irgendwie fehlt mir bei diesem Turnier, wie auch schon 2018, eine größere Anzahl an Außnahmespielern. Wenn ich da nur 20 Jahre zurück denke, da war jede Spitzenmannschaft mit Weltklassespielern gespickt...
Davon abgesehen scheint die Politik immer mehr in den Vordergrund und der Fußball in den Hintergrund zu rücken. Enttäuschend.
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#3
Selten konnter ich einer (Zwischen-)Analyse so umfäänglich zustimmen wie dieser. Danke, Kunar, für die treffende Zusammenfassung des bisherigen Turniers. - Wobei ich nur verhältnismäßig Spiele bzw. Halbzeiten gesehen habe; deutlich weniger als bei anderen Turnieren.


(26.06.2021, 15:15)Kunar schrieb: Am meisten überzeugt hat mich Italien. Sie haben alle drei Spiele souverän gewonnen, blieben dabei stets ohne Gegentor - und in der Mannschaft scheint die Stimmung zu stimmen. Sie sind für mich gemessen an der Leistung in der Vorrunde der heißeste Anwärter auf den Titel.
Ging mir genauso. Ich hatte vor dem Turnier kaum eine Einschätzung, welche Mannschaft wie stark ist. Aber die Disziplin und Konsequenz der Italiener waren beeindruckend. Dass sie sich gestern gegen sehr couragierte Österreicher schwer getan haben, tut dieser Einschätzung keinen Abbruch. Im Ergebnis hat die bessere Mannschaft gewonnen; auch wenn die Österreicher durchaus auch ihre Chancen hatten.

(26.06.2021, 15:15)Kunar schrieb: Deutschland ist eine Wundertüte - gegen Frankreich erschreckend schwach und einfallslos, gegen Portugal plötzlich mutig und selbstbewusst, gegen Ungarn unkonzentriert und nervös.
Ich denke auch, sie können gut spielen; die Klasse, die Fähigkeiten, das ist alles da. Es läuft nur irgendwie noch nicht richtig zusammen. Das schnelle Umschalten - ehemals Aushängeschild der deutschen Natiuonallmannschaft, sieht man kaum. Der Angriff ist häufig eher behäbig und einfallslos; potentielle Anspielstationen laufen sich nicht frei, sondern gehen neben den gut stehenden gegnerischen Abwehrspielern spazieren. Besonders auffällig fand ich aber, dass - anders als ich es bei anderen Top-Mannschaften gesehen habe - schnelle Spielverlagerungen durch Seitenwechsel mit langen Pässen zumeist entweder nicht ankommen oder gar nicht erst versucht werden. Es wird dann stattdessen mit kurzen Pässen hintenherum über die Abwehrspieler gespielt, was der gegnerischen Mannschaft die Zeit gibt, auch das Spiel zu verlagern und die Räume zu schließen.


Wenn man es mal herunterbricht, war es kaum mehr als eine wirklich gute Halbzeit, die man von der deutschen Nationalmannschaft bislang gesehen hat. Gegen Frankreich war es ein Klassenunterschied. Gegen Portigal war es eine beeindruckende Leistung, aber das ließ in der zwiten Halbzeit auch rasch nach. Spätestens gegen Mitte der zweiten Halbzeit hatte ich das Gefühl, sie wirkten ausgepowert. Und gegen Ungarn haben sich die Abwehrschwächen dann eben richtig gezeigt und gerächt. Gegen eine so defensivstarke Mannschaft zwei Tore zu schießen, ist o.k.; man sollte dann nur eben nicht zwei kassiert haben.

Es bleibt eine Wundertüte. Wenn die Mannschaft richtig ins Turnier fände, könnte sie es bis ins Finale schaffen. Aber wenn die Leistungen so bleiben wie bislang, wird schon gegen England Schluss sein. - Auch wenn mich die Engländer zuletzt nicht vom Hocker gerissen haben.

(26.06.2021, 15:15)Kunar schrieb: Kurioserweise sind sie mit dem zweiten Platz in der Gruppe im auf dem Papier leichteren Teil des Turnierbaums gelandet - die anderen Überlebenden der Todesgruppe sieht man wenn überhaupt erst im Finale wieder.
Ja, das habe ich mir auch gedacht. Beim letzten Mal gab es ja auch zwei sehr unterschiedlich schwere "Äste" des Turnierbaums, wobei Portugal - als Gruppendritter - im leichteren Zweig gelandet war und es erst im Endspiel wirklich mit einer Weltklassemannschaft zu tun bekam.

Ein erster Platz in der Vorrunde hätte der Nationalmannschaft mit der Schweiz einen wahrscheinlich einfacheren Achtelfinalgegener beschwert. Danach aber hätten vermutlich noch Frankreich, Italien und/oder Spanien gewartet.

(26.06.2021, 15:15)Kunar schrieb: das vermeintlich schwächste Spiel Schweden - Ukraine.
Joa, zusammen mit Wales gegen Dänemark.

(26.06.2021, 15:15)Kunar schrieb: auch wenn Manuel Neuer noch gute Erinnerungen an das WM-Achtelfinale vor 11 Jahren haben wird.
Dieses Mal wird es ihm aber nicht gelingen, den 2:2 Ausgleich zu kassieren und das Spiel dann noch 4:1 zu gewinnen. Der Goalcheck nimmt allen - auch umgekehrten - Wembley-Toren die Bedeutung.
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."
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#4
Den Zwölfen zum Gruße!

Da ich bis Ende des Monats Resturlaub abfeiern muss, habe ich ordentlich Zeit, um die Spiele zu gucken. Die ersten vier Spiele des Achtelfinales haben mir mehr Spaß gemacht als die letzte WM - warum bloß?

Dänemark gewinnt überraschend deutlich gegen Wales. Dabei begannen sie durchaus auf Augenhöhe. Das Führungstor noch in der 1. Halbzeit spielte den Dänen in die Karten; die Waliser wurden daraufhin erschreckend schwach und einfallslos. Die Frustration war ihnen anzumerken; die rote Karte war dann nur noch abschließende Bestätigung. Gareth Bale schien sich selbst zu fehlen - er konnte zwar Ecken schießen, die fanden dann aber keinen Abnehmer. Den Walisern weine ich bei dieser EM keine Träne nach, sie hatten eine Chance und haben diese nicht genutzt. Die Dänen haben bei mir viel Sympathie gewonnen, sie spielten frisch auf.

Italien gewinnt gegen Österreich, bricht einen alten Rekord aus den besten Zeiten (Zeit ohne Gegentor) und muss dennoch in die Verlängerung. Die Partie war deutlich ausgeglichener, als es auf dem Papier zunächst aussah: Die Österreicher, die mit großer Mehrheit in der Bundesliga spielen, haben sich teuer verkauft und würdevoll von der EM verabschiedet. Der italienische Trainer hat ein glückliches Händchen bewiesen und die Torschützen eingewechselt; mindestens eines der Tore war allererste Sahne. In dieser Form kann Italien noch Großes erreichen.

Mit den Niederlanden scheitert der erste Mitfavorit - und zwar kläglich. Gegen einen Gruppendritten nichts zustandezubringen war sehr peinlich. Tschechien hatte in der Vorrunde tolle Tore gegen Schottland geschossen, wirkte aber insbesondere gegen England sehr limitiert, was das eigene Können anging. Die Niederländer spielten nicht in ihrem bevorzugten System und kamen mit der Störung ihres Spielaufbaus nicht zurecht - gerade dann muss sich jedoch eine technisch stärkere Mannschaft beweisen und zeigen, dass sie sich davon nicht ablenken läßt. Die Elftal wirkte unglaublich matt und müde. Die rote Karte an sich hat das Spiel nicht gekippt - viel eher muss man sich fragen, wieso ein Verteidiger überhaupt erst in so eine Situation kommen kann. Manndeckung bei Gegenangriffen scheint verboten zu sein - was sich in der Vorrunde gegen die Ukraine schon angedeutet hatte, rächte sich jetzt. Persönlicher Lichtblick: Ich konnte den Analysen und Interviews im niederländischen Fernsehen mühelos folgen. Dort wurde angenehm ruhig und deutlich über alles gesprochen.

Der WM-Dritte Belgien schmeißt den Titelverteidiger Portugal aus dem Turnier. Die Belgier haben die Nerven behalten und eine der wenigen Chancen wunderbar verwandelt. Möglichkeiten gab es auf beiden Seiten: Der belgische Torhüter rette mehrmals aus höchster Not und hielt so den Sieg fest. Das Viertelfinale Italien - Belgien wird der nächste Kracher und ich wünsche, dass dort die bessere Mannschaft gewinnen möge.

(27.06.2021, 10:10)Zurgrimm schrieb: Das schnelle Umschalten - ehemals Aushängeschild der deutschen Natiuonallmannschaft, sieht man kaum. Der Angriff ist häufig eher behäbig und einfallslos; potentielle Anspielstationen laufen sich nicht frei, sondern gehen neben den gut stehenden gegnerischen Abwehrspielern spazieren. Besonders auffällig fand ich aber, dass - anders als ich es bei anderen Top-Mannschaften gesehen habe - schnelle Spielverlagerungen durch Seitenwechsel mit langen Pässen zumeist entweder nicht ankommen oder gar nicht erst versucht werden. Es wird dann stattdessen mit kurzen Pässen hintenherum über die Abwehrspieler gespielt, was der gegnerischen Mannschaft die Zeit gibt, auch das Spiel zu verlagern und die Räume zu schließen.

Das fasst es tatsächlich gut zusammen. Wie der deutsche Angriff da immer wieder in Schockstarre auf die gegnerische Abwehr guckt und stehenbleibt, ist schon zum Verzweifeln. Irgendeiner muss einmal etwas wagen und eine Flanke geben - zumal die Standards auch nicht wie früher sehr gut genutzt werden.
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#5
Den Zwölfen zum Gruße!

Um es vorsichtig auszudrücken: Was für ein Spieltag gestern. 14 Tore (ohne die Elfmeter) in zwei Spielen - und beide Partien hatten Dramatik und Wendepunkte.

Dabei startete Spanien gegen Kroatien fröhlich-beschwingt mit einer lustigen Slapstick-Einlage, bei der der Torwart eine Rückgabe ohne Bedrängnis in eigene Tor rollen ließ. Damit ist Spanien neuer heißester Anwärter auf den Titel "dümmstes Eigentor", von denen es bei die EM bereits genauso viele gab wie bei allen anderen vorherigen zusammengenommen. Selbst in der Kategorie "Torwart-Eigentor" hängt Spanien die bisherigen Anwärter ab: Lukáš Hrádecký (Finnland, gegen Belgien) haute noch mit einer Hand den Ball ins Tor und sah damit nur etwas unglücklich aus; Martin Dubravka (Slowakei, gegen Spanien) wollte offenbar eine Volleyball-Technik vorführen.

Spanien und Kroatien hatten sich gewissermaßen gegenseitig verdient - die Spanier mit ihrem Ballbesitzfußball, die Kroaten mit einem Maß körperlicher Härte und Kaltschnäuzigkeit bei wenigen Chancen. Kroatien allerdings geschwächt: Einer ihrer bisher besten Spieler war in Quarantäne und konnte nicht antreten.

Spanien gleicht vor der Pause aus, dreht danach das Spiel, erhöht - und bringt den sicher geglaubten Vorsprung nicht über die Zeit. Die kroatischen Einwechselspieler schießen tatsächlich in der Nachspielzeit den Ausgleich. Was habe ich gelacht! In der Verlängerung ging den Kroaten dann aber zunehmend die Puste aus und die Spanier zeigten den längeren Atem. Damit ist der Vizeweltmeister raus, hat sich aber immerhin wacker geschlagen .

Acht Tore in einem Spiel - das sollte doch wohl schwer zu überbieten sein, dachte ich mir. Von wegen! Ich hatte von der Partie Frankreich - Schweiz eigentlich ein recht einseitiges Spiel erwartet, insbesondere nach dem 0:3 der Schweizer gegen Italien. Die Schweizer spielten hier jedoch mutig auf, Torszenen gab es auf beiden Seiten, insbesondere weil die Abwehr wackelig war. Die Schweiz schießt die Führung - und die Franzosen wirkten plötzlich ziemlich verdattert und zeigten eine Hemmung und Ideenlosigkeit im Angriff, wie ich sie bisher nur von den Deutschen gesehen hatte.

Dann bekam die Schweiz einen Elfmeter, konnte erhöhen - und der wurde nach einem schwachen Schuss gehalten. Das schien Frankreich neue Hoffnung zu geben, und innerhalb von zwei Minuten drehten sie mit zwei fantastischen Spielzügen die Partie. Absoluter Wahnsinn! "Hier zeigt der Weltmeister, was Klasse ist.", dachte ich. Als dann noch das 3:1 fiel, war ich mir sicher: Das Ding ist durch. Wieder wurde ich eines besseren gelehrt. Die Schweiz schaffte den Anschlusstreffer - und in der letzten Minute der regulären Spielzeit den Ausgleich. In der Verlängerung zeigte sich dann, wie kräftezehrend das Spiel war, Tore wollten nicht mehr gelingen, die Schweiz wirkte jedoch etwas frischer. Kein Wunder, hatten sie schließlich im Gegensatz zu Frankreich ihr Auswechselkontingent erschöpft und gut genutzt. Im Elfmeterschießen treffen dann die ersten 9 Schützen und Superstar Mbappés Schuss wird von Yann Sommer gehalten.

Die Schweiz schmeißt den Weltmeister aus dem Turnier und sorgt für die bislang größte Überraschung. Weltmeister/Vizeeuropameister, Vizeweltmeister und Europameister sind draußen. Von der Todesgruppe ist nur noch Deutschland übrig.

Meine Hochachtung an die Schweizer, die sich von einem verschossenen Elfmeter, zwei genialen Toren der Franzosen und einem Zwei-Tore-Rückstand nicht haben beirren lassen. Hoffentlich geht es gegen Spanien so weiter! Bei der WM-Vorrunde 2010 schafften sie es bereits, den damaligen Europameister zu besiegen.
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#6
War ein cooles Spiel der Schweizer. Habe sogar ich gemerkt.

Was sagen denn die Forenorakel zum Spiel heute in Wembley?
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#7
Den Zwölfen zum Gruße!

Und aus ist es! Deutschland verliert weder unglücklich oder schmählich, aber verdient gegen England. Löw hatte eine gute Aufstellung gewählt, beide Mannschaften tasteten sich vorsichtig ab, entsprechend kamen wenige Torchancen heraus. Die deutsche Abwehr insgesamt deutlich besser, aber zweimalig wackelig - und aus einer dieser Situationen entstand das Gegentor.

Deutschland selbst mit einigen guten Chancen, Havertz' Schuss aus der 2. Reihe, der vom englischen Torwart noch gerettet werden konnte, vorher hätte Werner "nur" lupfen müssen, nachher Müller mit der Großchance zum Ausgleich. Da er diese vergeben hat, war die Niederlage auch verdient: England hat seine wenigen Chancen genutzt, Deutschland wirkte wie so oft in den letzten Jahren gehemmt und vor allem oft ängstlich mit zahlreichen Rückpässen zurück. Wenn man Richtung eigenes Tor guckt, kann nach vorne natürlich wenig zusammenlaufen.

Es war letzten Endes keine Totalblamage wie 2018 in Russland, sondern eine Frage der Nerven - und die hat heute England gewonnen. Sie ernten damit den (vermeintlich) leichteren restlichen Turnierbaum mit Schweden, Ukraine, Tschechien und Dänemark.

Hansi Flick wünsche ich alles Gute, er übernimmt keinen Trümmerhaufen von Mannschaft, sondern ein Team mit viel Talent, bei dem aber seit einiger Zeit vieles nicht mehr zusammenläuft. Gerade die Chancenverwertung und Standards können gerne wieder aufs Programm kommen.

Damit ist die gesamte Todesgruppe raus aus dem Turnier! Schweden - Ukraine gucke ich mir nachher noch an.

Die WM 2022 werde ich allerdings aus politischen Gründen nicht angucken. Ist vielleicht auch besser für meine Nerven - ich werde langsam zu alt für diesen Kram.
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#8
Allzu hart würde ich mit den Jungs heute nun nicht ins Gericht gehen wollen. An sich war es kein schlechtes Spiel. Es war nicht spektakulär, aber spielerisch durchaus sehenswert. Haben die Engländer verdient gewonnen? Insofern ja, als dass sie eben diejenigen waren, die eben als erste eine gute Torchance in diesem sehr ausgeglichenen und eher verhaltenen Spiel zu nutzen wussten. Spielerisch war es eigentlich auf Augenhöhe, mit Schwankungen in beiden Richtungen. Letztlich kann man sich dafür aber natürlich nichts kaufen.

Nach dem 1:0 wurde ein ganz neues Spiel draus, das ist ja im K.O.-System auch nicht anders zu erwarten. Leider kam dann doch als Reaktion irgendwie etwas zu wenig und vieles wirkte überhastet und nicht zuende gedacht. Und natürlich wird man situationsbedingt dann auch anfällig für Konter. Da entscheiden dann Kleinigkeiten, heute mit dem besseren Ende für England. Wie gesagt, nicht unverdient. Aber schämen muss man sich nicht angesichts der spielerischen Leistung heute, finde ich. Das waren Nuancen, die da heute die Entscheidung brachten. Siehe die Riesenchance zum Ausgleich von Thomas Müller (leider nicht sein bester Tag heute). Wenn das Ding sitzt, wer weiß, was dann. Aber nunja ... hätte, hätte, Fahrradkette.
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#9
(28.06.2021, 16:18)Kunar schrieb: Das Viertelfinale Italien - Belgien wird der nächste Kracher und ich wünsche, dass dort die bessere Mannschaft gewinnen möge.
Für das heutige Achtelfinale England - Deutschland ist dieser Wunsch leider in Erfüllung gegangen.

Mag sein, dass es kein ganz grottenschlechtes Spiel war. Aber es war heute eindeutig zu wenig für ein Mithalten auf Weltklasseniveau, es war im ganzen Turnier zu wenig - das nur eine wirklich gute Halbzeit der Nationalmannschaft gegen Portugal hervorgebracht hat - und es war im Grunde seit der WM 2014 fast durchgängig zu wenig (mit dem Confed Cup 2017 als Ausnahme, aber das war ja ein "Perspektivteam").

Ich weiß nicht, ob es besser gewesen wäre, wenn Hummels hinten einen Boateng als Nachbarn gehabt hätte. Aber sicher ist: So lange, wie es her ist, dass Boateng-Nachbar-Sprüche aktuell waren, so lange ist es auch her, dass die deutsche Nationalmannschaft hinten mal sicher gestanden hat. Ein Torverhältnis von 7:6 in diesem Turnier spricht für sich.

Ich wünsche Hansi Flick auch eine glückliche Hand. Vor allem hoffe ich, dass er wirklich einen Neuanfang schafft und etwas Grundlegendes an der Herangehensweise der Mannschaft verändert, so dass sie zu alter Stärke - insbesondere als Turniermannschaft - zurückfindet. Ein "Weiter so" wäre nicht günstig. Und da liegt ein gewisses Risiko, da Flick sen Trainerhandwerk ja quasi als Löws Co-Trainer gelernt hat. Mal ein ganz anderer Trainer-Typ wäre vielleicht besser gewesen. Aber man kann es sich ja auch nicht beliebig aussuchen. Ist ja nicht so, dass die Top-Trainer Schlange stünden.
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#10
Den Zwölfen zum Gruße!

(29.06.2021, 20:35)Zurgrimm schrieb: Ich wünsche Hansi Flick auch eine glückliche Hand. (...) Und da liegt ein gewisses Risiko, da Flick sen Trainerhandwerk ja quasi als Löws Co-Trainer gelernt hat. Mal ein ganz anderer Trainer-Typ wäre vielleicht besser gewesen.

Flick hat zuletzt als Vereinstrainer in einer Saison alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Man weiß, dass er es kann, und er braucht auch nichts zu beweisen. Er ist dem DFB außerdem schon bekannt - was angesichts der politischen Lage dort recht gut sein kann, weil er nicht extra Unruhe reinbringt und gleichzeitig schon gezeigt hat, dass er nicht alles mit sich machen läßt. Und Löw war unter Klinsmann Co-Trainer und hat die Mannschaft dann noch erfolgreicher gemacht. Insofern habe ich keine Angst, dass zu viel gleich bleibt - interessant vielleicht noch die Frage, wen er denn als Co-Trainer nimmt. Die scheinen ja einen guten Kontrapunkt bilden zu können.

Die Analyse mit Thomas Broich ("Mit diesen Spielern wäre mehr möglich gewesen") hat mir sehr gut gefallen; er hat da sehr ruhig und klar einige gute Punkte genannt. Von dem würde ich gerne öfters etwas hören.

Der Kader bestand aus guten Spielern, die in ihren Vereinen z.T. höchst erfolgreich sind. Löw hat jedoch kein funktionierendes Gesamtkonzept mehr gefunden und konnte keine Aufbruchsstimmung mehr entfachen.

Das ist ein ganz normales Problem nach einer Meisterschaft. Da muss man eigentlich mutig sein und mit "kreativer Zerstörung" umbauen und ein neues Kapitel aufschlagen.

Nicht jeder kann und will sich noch einmal neu erfinden - man sieht das auch bei Vereinstrainern, die etwa 10 Jahre lang das Maß aller Dinge waren und deren Stern dann langsam aber sicher verblasst, weil die Innovation fehlt. Bei einer langen Amtszeit steigt das Risiko... "wieso, das hat doch früher funktioniert, wieso soll ich denn jetzt etwas daran ändern?"

Löw ist am Ende Teil des Problems geworden, dessen Lösung er ursprünglich mal war. Die Doku über ihn, die über Kroos, die Rückblicke vor dem Ende der Amtszeit waren alles Zeichen einer "Ausklangphase" und von Sättigung sowohl bei ihm als auch einigen Spielern.

Der ideale Zeitpunkt zum Gehen ist in der Stunde des Triumphes. Es ist rechtzeitig, wenn die Leute was "Was? Da ginge doch noch etwas..." sagen.

Spätestens nach der EM 2016 war es sehr zäh. Die Zeichen der Zeit (WM-Vorrundenaus, eigentlich sportlicher Abstieg in der Nations League, 0:6 gegen Spanien, 1:2 gegen Nordmazedonien) wurden immer deutlicher. Jetzt ist bei mir erst einmal Erleichterung da, dass es endlich vorbei ist.

Das letzte Spiel zwischen Schweden und der Ukraine habe ich mir ebenfalls angesehen, es plätscherte allerdings vor sich hin. Tore auf beiden Seiten, sehr viel Härte zwischendurch, insbesondere das Foul, das zur roten Karte führte, sah sehr böse aus. Die Ukraine schafft in der letzten Sekunde der Verlängerung das entscheidende Tor und trifft mit zwei Siegen in vier Spielen nun auf England. Möge der bessere gewinnen!
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#11
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Die ersten zwei Viertelfinale sind vorbei - wie war's? Ich bin insgesamt gut zufrieden.

Von Spanien - Schweiz habe ich in der ersten Halbzeit nur wenig geguckt, es las sich im Ticker auch recht schleppend. Das Tor habe ich gesehen - da sah die Schweizer Abwehr nicht gut aus. Meine Befürchtung, die Spanier würden nach dem frühen Tor für den Rest der Zeit einfach den Ball kreisen lassen, wurde zum Glück nicht bestätigt: Sie wurden nachlässig, die Schweizer kämpften - und kamen nach mehreren Großchancen zum verdienten Ausgleich. Die rote Karte spielte wiederum den Spaniern in die Hände, die damit jedoch nichts anfangen konnten. Yann Sommer machte das Spiel seines Lebens und wehrte gegen praktisch alle spanischen Feldspieler Schuss um Schuss ab. Tore wollten nicht mehr fallen, so ging es erneut ins Elfmeterschießen - wo diesmal den Schweizern die Nerven versagten, so dass sie mit dem Geschenk - der erste Schuss der Spanier, der direkt an den Pfosten ging - nichts anfangen konnten. Schade für die Schweiz, aber dennoch eine sehr gute Vorstellung von ihnen.

Italien - Belgien gefiel mir sogar noch besser. Torraumszenen auf beiden Seiten und das sogar im schnellen Wechsel. Italien eine Spur besser, die Belgier etwas mehr auf Konter ausgelegt. Der Elfmeter für die Belgier war fragwürdig - dennoch retteten die Italiener ihrer Führung über die Zeit; die Tore waren alle in der ersten Halbzeit gefallen. Beide haben gezeigt, warum sie im Viertelfinale stehen. Belgien war erneut wie seit der WM 2014 sehr gut, aber Italien als Mannschaft überzeugender.

Das erste Halbfinale lautet also Spanien - Italien, und das liest sich wie ein weiterer Kracher. So kann es gerne weitergehen!
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#12
(03.07.2021, 11:43)Kunar schrieb: Tore wollten nicht mehr fallen, so ging es erneut ins Elfmeterschießen - wo diesmal den Schweizern die Nerven versagten, so dass sie mit dem Geschenk - der erste Schuss der Spanier, der direkt an den Pfosten ging - nichts anfangen konnten.
Ob es nur die versagenden Nerven waren, weiß ich nicht. Bei dem letzten Schweizer schützen, der drüber geschossen hat, war das sicher der Fall. Die beiden davor hat aber der spanische Torwart gehalten - und sich damit als richtiger "Elfmeterkiller" erwiesen. Klar, das gelingt nicht bei den super platzierten Schüssen, die oben ins Eck gehen. Die sind unhaltbar. Aber als Nervenversagen des Spielers würde ich es auch nicht unbedingt werten, wenn ein Torwart einen Elfmeter hält.
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#13
Den Zwölfen zum Gruße!

(03.07.2021, 16:02)Zurgrimm schrieb: Aber als Nervenversagen des Spielers würde ich es auch nicht unbedingt werten, wenn ein Torwart einen Elfmeter hält.

Die Elfmeter gegen Frankreich waren gut geschossen, die zwei gehaltenen gegen Spanien schwach. Das ist für mich dann auch eine Frage der Nerven - fehlende Technik kann es ja nicht gewesen sein, wie das vorangegangene Elfmeterschießen zeigt.

Dänemark - Tschechien bot zwei der Überraschungsmannschaften dieser EM, und ich hatte befürchtet, dass das Spiel überschaubares Niveau bieten würde. Von wegen! Das war richtig schön anzusehen, insbesondere wie Dänemark seine Tore machte. Die Tschechen kamen noch einmal ran, waren dann aber weniger effizient im Verwerten ihrer Chancen.

England - Ukraine hingegen hat meine geringen Erwartungen voll bestätigt. Die Ukraine war bis auf wenige Minuten, in denen es England etwas schleifen ließ, nie in ernsthafter Gefahr, ein Tor zu schießen oder einen Sieg Englands zu verhindern. Es tat schon sehr weh, das als Viertelfinale zu sehen - es erinnerte zu sehr an die K.o.-Runde vor 5 Jahren, in denen jeweils eine Mannschaft im leichten Teil des Turnierbaums plötzlich schwächelte und nichts mehr zustande brachte. Natürlich schwingt da auch Schmerz über das deutsche Achtelfinale mit. Insgesamt fast ein Freilos für England, die mit Dänemark auch den vermeintlich leichtesten Halbfinal-Gegner haben. England nicht überragend und auch hinten stellenweise verletzbar, aber sehr diszipliniert - so wie Italien in vielen Jahren, in denen ich die Mannschaft überhaupt nicht mochte. England könnte mit dem leichten Turnierbaum das machen, was Portugal vor fünf Jahren geschafft hat, und erst im Finale auf einen wirklich ernstzunehmenden Gegner treffen. Deutschland hat sich vielleicht nicht so abschlachten lassen wie die Ukraine, aber unter ernsthafter Gegner konnte ich sie bei dieser EM auch nicht aufführen.

Mein Albtraumfinale ist damit England - Spanien; da weiß ich nicht, wem ich den Titel gönnen würde. Bei Italien - Dänemark wäre es mir fast egal, ich finde beide Teams sehr sympathisch bei dieser EM.
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#14
Den Zwölfen zum Gruße!

Italien steht im Finale - und musste gegen Spanien zum ersten Mal richtig kämpfen und zittern. Nach dem Führungstor wurden die Italiener zu leichtsinnig und wirkten nach dem Ausgleich konsterniert. Wenigstens nahm das Elfmeterschießen ein glückliches Ende. Ich wünsche Italien den Titel!

England war gegen Dänemark insgesamt die bessere Mannschaft. Dänemark sorgte für die erste Führung und das erste Gegentor überhaupt gegen England, aber England war bissig und auch körperlich immer schön unter der Kartengrenze. Einen Sympathiepreis werden die englischen Fans, die bei der gegnerischen Hymne pfeifen, sicherlich nicht mehr gewinnen - aber gut, das war wohl auch nicht ihre Absicht. Schade für Dänemark, insbesondere weil der entscheidende Elfmeter durchaus strittig war.

England damit zum ersten Mal in meinem Leben in einem Finale. Gönnen würde ich ihnen den Titel nicht, auch wenn ich zugeben muss, dass sie kompakt und letzten Endes erfolgreich gespielt haben.
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#15
(08.07.2021, 19:07)Kunar schrieb: Italien steht im Finale - und musste gegen Spanien zum ersten Mal richtig kämpfen und zittern.
Och, gegen Österreich im Achtelfinale war's auch ziemlich knapp. Das war ja das 2:1 nach Verlängerung. Aber ja, gegen Spanien war es wohl noch etwas wackeliger.

In der Tat wünsche ich den Italieniern unter der verbliebenen Auswahl auch den Titel; wozu maßgeblich die von Dir angesprochene Unsportlichkeit der englischen Fans, welche sie regelmäßig an den Tag legen, beiträgt.
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#16
Was die englischen Fans für Probleme haben, verstehe ich auch nicht. Aber die Schotten sind cool. Jedenfalls habe ich einmal Tartans Army live miterlebt. Super Stimmung in der ganzen Stadt.
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#17
Den Zwölfen zum Gruße!

Was für ein Endspiel - und trotz der Teilnahme Englands, die in meinem Leben die erste war, blieb wenigstens eine Gewissheit in diesen unsicheren Zeiten bestehen: England verliert entscheidende Elfmeterschießen.

Zugegeben, das Blitz-Tor quasi direkt nach dem Anpfiff war beeindruckend. Aber England hat schon einmal sehr früh geführt und das nicht weiter ausgebaut (Halbfinale bei der EM 1996 - sogar in Wembley, kicher-kicher).

Die Engländer griffen nicht so konsequent an, wie sie das bei vorherigen Spielen gezeigt hatten, und ließen die Italiener kommen - ein Fehler. Italien wirkte in der ersten Halbzeit über weite Strecken geschockt, kämpfte sich dann aber nach und nach zurück ins Spiel. Der Ausgleich war folgerichtig.

Italien hat sich den Titel redlich verdient. Es hat bereits in der Vorrunde geglänzt und sich im wesentlich schwereren Turnierbaum durchgesetzt. Österreich, Belgien und Spanien waren würdige Gegner, die alle erst einmal bezwungen werden mussten. Es freut mich, dass meine Einschätzung nach der Gruppenphase Bestand gehalten hat:

(26.06.2021, 15:15)Kunar schrieb: Am meisten überzeugt hat mich Italien. Sie haben alle drei Spiele souverän gewonnen, blieben dabei stets ohne Gegentor - und in der Mannschaft scheint die Stimmung zu stimmen. Sie sind für mich gemessen an der Leistung in der Vorrunde der heißeste Anwärter auf den Titel.

Gareth Southgate hat das Kunststück fertig gebracht, sowohl als Spieler als auch als Trainer bei der EM im Elfmeterschießen gescheitert zu sein. Dabei hat er zwei der drei Schützen, deren Schüsse nicht reingingen, noch ganz kurz vor Schluss eingewechselt. Damit kann man ihm eine Verantwortung, auch wenn Elfmeterschießen immer ein wenig Glück ist, nicht absprechen. Immerhin hat er das nachher auch selbst zugegeben.

Der italienische Trainer hingegen hat die Leistung vollbracht, aus einer auf ganzer Linie gescheiterten Truppe (WM 2018 verpasst) den nächsten Europameister zu formen. Dabei hat er viel experimentiert und viele Spieler ausprobiert. Das kann man sich für Deutschland nur ebenso wünschen! Italien zeigte erfrischenden Offensivfußball und eine Mannschaftsleistung - genau das, was ich in so einem Turnier sehen will.

Überhaupt war die EM 2020 auf sportlich angenehmen Niveau. Natürlich gab es ein paar sportliche Hänger (die Schnarchpartie Spanien - Schweden kann noch jahrelang als alternatives Einschlafmittel verabreicht werden), aber der Unterschied zur letzten EM war deutlich. Europa hat gezeigt, wie eine gute Konkurrenz der Ideen, Spieler und Systeme aussehen kann. Dass die Spitze dann stark fluktuiert, zeigt nur, wie stark sich selbst kleine Qualitätsschwankungen auswirken können. Gut so!

Es gab mehr Eigentore als bei allen anderen EMs zuvor zusammen - ganze 11 Stück. Dazu kommen noch einige weitere nennenswerte Eigentore: Die Greenpeace-Aktion, bei der zwei Menschen verletzt wurden, zählt dazu. Auf Platz 2 sehe ich das Verhalten der englischen Fans, die anderer Länder Hymnen auspfeifen oder die im Internet die drei englischen Spieler bepöbeln, die im Elfmeterschießen versagt haben. Dass alle drei Schwarze sind und die Kommentare wohl auch auf ihre Hautfarbe abzielten, zeigt dann, wie weit Proteste gegen Rassismus wie das symbolische Niederknieen von der gelebten Realität noch entfernt sind. Sehr schade! Aber die UEFA wäre nicht die UEFA, wenn sie nicht das größte Eigentor von allen geschossen hätte: Das peinliche Herumgezerre um Austragungsorte und Verbot von Regenbogenbeleuchtung und Flaggen in bestimmten Ländern bei gleichzeitiger Werte-PR-Kampagne als Muster ohne Wert ist schlicht und ergreifend peinlich. Es wäre für alle Beteiligten besser, sie würden einfach sagen: "Wir wollen Ihr Geld - und das hat keine Hautfarbe, kein Geschlecht oder sexuelle Orientierung."

Ein letzter positiver Punkt: Die Schiedsrichter standen erfreulich selten im Fokus. Bis auf den Elfmeter im Halbfinale gegen Dänemark ist mir recht wenig in Erinnerung geblieben, das mir nicht gefallen hat. Meistens hatte ich sogar den Eindruck, dass eine bestimmte Linie über das gesamte Spiel durchgehalten wurde - prima!

Ich freue mich schon auf die EM in drei Jahren - bis dahin gibt es noch Olympia, Frauen-Fußball-EM und eventuell noch etwas mit der U-21. Schauen wir mal, was da geht!
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#18
(12.07.2021, 19:33)Kunar schrieb: Der italienische Trainer hingegen hat die Leistung vollbracht, aus einer auf ganzer Linie gescheiterten Truppe (WM 2018 verpasst) den nächsten Europameister zu formen.
Ja, und das soetwas nach einem Trainerwechsel möglich ist, mag uns Deutschen vielleicht etwas Optimismus geben.
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."
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