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Zur Entwicklung von DSA und seiner Fangemeinde
#19
Den Zwölfen zum Gruße!

Ich habe mir die Zeit genommen, um das erwähnte Video ganz anzuschauen (und das darin erwähnte Video über die neue Thorwal-Box ebenfalls). Ich kann dem Orkenspalter-Team nur dafür gratulieren, dass sie einige mutige Schritte gehen und dass sie Rezensionen machen, die - für mich - angenehm ruhig und unaufgeregt sind.

(22.08.2021, 15:11)aeyol schrieb: Hat hier jemand früher mit DSA 1, 2 oder 3 gespielt und den Wechsel zu 4.1 (oder auch zum jeweils neueren System) als ähnlich "giftig" empfunden?

Ich habe alle fünf Regelversionen von DSA miterlebt, angefangen von "Silvanas Befreiung" mit einem Abenteurer bis hin zur Theaterritter-Kampagne, die meine Gruppe derzeit spielt.

Ich weiß noch, wie meine Emotionen bei der Umstellung auf DSA4 hochflogen: Bei Steigerungen wurde fundamental von einem Würfel- auf ein Kaufsystem umgestellt? Verrat - das ist doch DnD!

Kurze Zeit später: Naja, es ist ja immer noch DSA; die Sachen, die mir wirklich wichtig sind, sind nach wie vor dabei. An einigen Stellen ist es ja praktisch, dass man ausrechnen kann, wie weit man mit seinen Generierungs- und Abenteuerpunkten kommt.

Nach einigen Jahren Erfahrung: Wieso haben wir das je anders gemacht? Man sieht schon an den Generierungspunkten, wie teuer ein Held wird, und kann die Entwicklung besser planen. Außerdem steigert man die Talente, die sich als wichtig erweisen, und weiß dann auch, dass es gelingt.

Das sind die typischen psychischen Reaktionen auf alle Veränderungen, die bei einer liebgewonnenen Sache geschehen. Das gestehe ich auch anderen Leuten zu; insofern lohnt es sich, bei Foren und Kommentaren zu neueren Entwicklungen immer den "Abwehr gegen Neues"- und Verlustangstfilter davorsetzen.

Auf DSA5 ist meine Gruppen mittendrin umgestiegen, d.h. wir haben unsere DSA4-Helden noch einmal neu generiert. Fiel für meinen Sappeur nicht weiter schlimm aus, der Gildenmagier war anfangs weniger zufrieden. Aber auch hier merkte man nach kurzer Zeit, wie zweitrangig das Regelwerk für eine gute Geschichte ist.

Die DSA5-Abenteuer, die ich bislang erlebt habe, waren alle mindestens von guter Qualität. Natürlich spielen wir nicht alles, unser Meister wählt aus, so dass wir bereits eine positive Vorauswahl bekommen - aber überhaupt so viele gute Abenteuer zur Verfügung zu haben, ist schon etwas. Sehr angetan war ich von den Einstiegsabenteuern, die einem jeweils eine Region näher gebracht haben.

An Produkten gönne ich mir selbst nur sehr ausgewählte Sachen, bei DSA5 etwa die Flusslande-Box - als Koscher Briefspieler habe ich ein ureigenes Interesse.

Wichtiger als eine detaillierte Beschreibung - die ändert sich ohnehin und kann in Regionalwikis besser umgesetzt werden - ist für mich der Fokus "Warum sollte ich dort spielen wollen?" und "Wie kann ich das für die Spielrunde umsetzen?". Eine überzeugende Regionalspielhilfe macht richtig Lust, dort ein Abenteuer zu erleben oder zu meistern, und sprüht nur so vor Ideen (Abenteuerschauplätzen, Szenarien, Konflikten...). Das ist auch im Briefspiel sehr wichtig. Bei allem, was wir (be)schreiben, stellen wir uns die Frage: Was könnte ein Meister damit anfangen? Was wäre eine interessante Möglichkeit für eine Runde?

Was definitiv noch fehlt, ist ein "Wege der Helden" für die 5. Regelausgabe. WdH ist "die eine" Spielhilfe, die ich wirklich ständig verwendet habe zum Generieren und nachschlagen, dazu noch das Liber Cantiones für Zauber. Das ist auch ein relativ faires Angebot für Nicht-Meister-Spieler: Kauf Dir "das eine Produkt" zum Generieren Deiner Helden plus "das eine Spezialprodukt" für die Spezialität Deines Charakters (Kampf, Magie, Alchimie).

Es ist auch kein Wunder, dass Wege der Helden bei Orkenspalter unter den 12 besten DSA-Produkten gelandet ist: Es erfüllt seinen Zweck. Das Liber Cantiones ist nicht ohne Grund ähnlich beliebt. Ich nehme es gerne in die Hand, es sieht gut aus und ich kann immer wieder nachschlagen. Das macht ein gutes DSA-Produkt aus.

Das größte Manko, das ich bei den Produkten sehe: Die Benutzbarkeit hat noch deutlich Luft nach oben. Das war vor 10 Jahren nicht anders (siehe diesen Vorschlag zur besseren Lesbarkeit von Spielhilfen). Gerade das schnelle Einlesen oder etwas mal eben nachschlagen können ist entscheidend. Für Sammler, die alles ins Regel stellen, ist das natürlich egal. Für Spieler und Spielrunden ist das jedoch sehr wichtig und die Erfahrung beim Benutzen kann entweder Treue oder Frustration schaffen.

Beispiel Kosch-Würfel: Was habe ich mich darauf gefreut! Aber die Würfel fühlen sich nicht schön an und lassen sich nur schwer würfeln. Das ist kein Produkt, dass ich in meiner Spielrunde benutzen werde. Es wird also einfach in der Verpackung bleiben. Klasse statt Masse wäre besser gewesen. Ein gutes Produkt hätte ich zu allen möglichen Gelegenheiten anderen Leuten gezeigt, die mit DSA nichts zu tun haben. Chance vertan. Die von Orkenspalter kritisch beleuchtete Crowfounding-Politik kann negativ dazu beitragen, weil "jede Menge weiterer Produkte" wichtiger werden als Anreiz zum Unterstützen statt "wenige, aber qualitativ hochwertige Produkte", die man dann auch benutzen kann und will.

Ich persönlich würde allerdings bei den Heldenbögen anfangen - das betrifft alle und damit verbringen Spieler viel Zeit. Alles, was sich nicht leicht unterbringen läßt, deutet auf Verbesserungsmöglichkeiten hin. Alles, was den Spielfluss unterbricht, weil man es kompliziert nachschlagen muss, zeigt den Optimierungsbedarf an. Wie wäre es etwa mit der Möglichkeit, Sonderfertigkeiten, die mit einer präzisen Beschreibung daherkommen, auf dem Heldenbogen selbst dort zu platzieren, wo sie sich konkret auswirken? Derzeit hat der Charakterbogen den Charme eines Vertrages - ich habe auf dem Heldenbogen mit römischen Ziffern markiert, wo etwas Spezielles greift, und dann mehrere ausgedruckte Seiten mit dem Kleingedruckten.

Zu "früher war alles besser": Wie in der DSA-Doku von Orkenspalter schön herausgearbeitet, haben die frühen Macher keine Ahnung von Projektmanagement gehabt, was unglaublich viel Stress zur Folge hatte, der letzten Endes Ulrich Kiesow das Leben gekostet hat.

(24.08.2021, 16:52)aeyol schrieb: Als älter werdernder Mensch bin ich ja irgendwie schon dankbar, dass die Redaktion sich nicht allzu sehr auf die junge Zielgruppe stürzt. Stellt euch mal vor, sie würden versuchen, ein TikTok-Publikum anzusprechen. Da wäre ich dann auch raus ...

Dem möchte ich freundlich und bestimmt widersprechen. Der zweite tote Winkel bei DSA (neben der Benutzbarkeit) ist das aktive und bewusste Aufbauen von Gemeinschaften. Eine lebendige Gemeinschaft muss immer offen für neue sein. Macht man das nicht, verliert man eine Generation an verwandte Kreise.

Beispiel Briefspiel: Als das Briefspiel boomte, gab es nicht so viel Werbung. Heute kämpfen die Briefspieler gegen das Bild eines elitären und verschlossenen Kreises an - was die heutigen Briefspieler nicht verdient haben.

Beispiel andere Fantasy-Gemeinschaft: Jahrzehnte alt, der Laden lief - keine Not, aktiv neue Leute anzuwerben. Folge: Die Leute, die für so etwas zu haben gewesen wären, sind im LARP oder anderen Gruppen aktiv. Heute hat man das Problem erkannt und guckt besser auf Einsteigemöglichkeiten. Da fehlen jetzt locker 10-15 Jahrgänge zwischendrin. (Ich gehöre sozusagen zu den "mageren Jahren" - fühlt sich sehr seltsam an, fast nur ältere oder deutlich jüngere dabei zu haben!)

Insofern: Her mit der Generation TikTok! Ich habe mit Fantasy vor dem Teenageralter angefangen, warum sollte ich anderen denselben Spaß versagen? Ich kenne auch Beispiele aus meinem Bekanntenkreis, in dem eine neue Generation Spieler heranwächst - großartig!

Spaß an Geschichten ist so alt wie die Menschheit selbst, das wird die Technik nicht verändern. Stattdessen werden die Leute neue Möglichkeiten finden, den Spaß an Geschichten mit der neuen Technik umzusetzen. Darauf bin ich sehr gespannt!

So ein aktives Manangement der Gemeinschaft hat ganz eigene Anforderungen: Neulinge müssen schnell das Gefühl bekommen können, dass sie willkommen und "zu Hause" sind. Das erfordert einen möglichst einfachen Einstieg. An Abenteuern dafür mangelt es nicht, allein bei dem Regelwerk und den Möglichkeiten, sich einzulesen, bin ich skeptisch. Dieser Fokus auf neue Leute würde sich also auch wesentlich die Produktpalette auswirken. Ich glaube, dass das absolut möglich ist und auch zu sehr schönen DSA-Produkten führen kann, die ich mir als alter Veteran ebenfalls kaufe, weil ich Außenstehenden leichter zeigen kann, warum ich für dieses Hobby so brenne. Kein Rollenspieler muss heutzutage mehr als verschrobener Sonderling gelten - die Zeiten sind vorbei!
Ärger im Svellttal? Auf der Suche nach dem Salamanderstein? Dann hilft der Sternenschweif-Reiseführer von Kunar!
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RE: Zur Entwicklung von DSA und seiner Fangemeinde - von Kunar - 29.08.2021, 13:09



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