30.09.2011, 05:15
(29.09.2011, 18:37)Rabenaas schrieb:Das ist wieder so ein Beispiel warum ich denke, Kabarettisten sollten besser die Finger von solch komplexen Themen lassen. Es klingt zwar gut und ist sehr populistisch, was er sagt, aber: er verschweigt natürlich, obwohl auf seinem Bild gut sichtbar, wofür die Kredite aufgenommen wurden: Der Posten "Arbeit und Soziales" macht >50% des Haushalts (ex Zinsen) aus. Bildlich gesprochen nimmt der Staat also das Geld der (reichen) Sparer, um es für soziale Zwecke zu verwenden. Formal nimmt er es zwar nur für einen gewissen Zeitraum, zahlt eine Leihgebühr und gibt es wieder zurück, allerdings sind die Staatsschulden bislang immer gestiegen, bisher hat der Staat also unter dem Strich noch nichts wieder zurückgezahlt (korrekter: stets mehr neues Geld geliehen als altes zurückgezahlt). Und Schramms Umverteilungshypothese über die Zinsen ist genauso Unsinn: Der Zins sämtlicher Bundeswertpapiere bis 10 Jahre Laufzeit liegt derzeit weit unter der Inflationsrate, jede Anlage beim Staat verliert also bis zur Rückzahlung deutlich an Wert. Oder um es mal bildlich auszudrücken: Wenn ich dem Staat heute Geld im Wert von 100 Sack Weizen für 6 Jahre leihe (BSB Typ A, Rendite 0,91 %), zahlt er mir pro Jahr eine Gebühr im Wert von knapp 1 Sack Weizen und gibt mir am Ende Geld im Wert von 86 Sack Weizen zurück (Inflation 2,5 %). Summe: <92 Sack Weizen. Und für diese Überlegung hab ich den Nettozins (Bruttozins -25% Steuer) mal außen vor gelassen. Bezieht man die Tatsache mit ein, dass der Staat mir von seiner Gebühr direkt ein Viertel wieder abknöpft, wird die Bilanz noch schlechter.(29.09.2011, 13:13)Wolverine schrieb: Problematisch ist dabei eher die Verteilung, weniger die Menge.Georg Schramm - Umverteilung durch Staatsverschuldung
Also um es mal zusammenzufassen: Der Staat leiht sich momentan Geld von den (vermeintlich) Reichen, um damit seine Ausgaben zu finanzieren, gibt dieses Geld hinterher aber nur zu einem Teil wieder zurück. Auch nicht viel mehr als eine verkappte Vermögensabgabe.
Nebenbemerkung zu Schramms Populismus: "Die Einnahmen aus Kapitalvermögen sind in den letzten Jahren um abartige X Prozent gestiegen, und die Nettolöhne garnicht." Daran erkennt man auch, das der Beitrag etwas älter sein muss. Zunächst mal ist es immer witzig dass auf der einen Seite Kapitaleinkünfte (ohne Berücksichtigung der Inflation) mit Nettolohnentwicklungen (unter Berücksichtigung der Inflation) verglichen werden. Äpfel oder Birnen anyone ? Dann haben Zinseinkünfte so die Eigenart, abhängig von der aktuellen Zinshöhe stark zu schwanken. Wenn ich derzeit 10000 in 2-Jährige Finanzierungsschätze anlege, erhalte ich satte 0,2 % Zinsen, abzüglich Steuern 0,15 %, also 15 Euro. Wenn in 2 Jahren die Zinsen wieder auf ein etwas normaleres Niveaus gestiegen sind, sagen wir 2 %, erhalte ich nach Steuern 150 Euro. eine Steigerung um unglaubliche 900 %, und wenn ich das mit meinem Lohnzuwachs von wahrscheinlich 4 % vergleiche .... . Da die meisten Anlagen länger laufen, wird dieser Effekt deutlich abgemildert, aber es bleibt eine beliebte Methode, sich ein Jahr niedriger Zinsen als Bezugspunkt (2011 wird sich in Zukunft sehr dafür eignen) auszusuchen, und dann mit einem Jahr mit höherem Zinsniveau zu vergleichen, und voila, schon hat man einen beschämend hohen Anstieg der Kaptialeinkünfte, gegen den sofort etwas gemacht werden muss.
Deshalb (an Herrn Schramm): Schuster, bleib bei Deinen Leisten ...
(29.09.2011, 18:37)Rabenaas schrieb:Jein. Das stimmt soweit, solange man Konsum (auf Kredit) als reinen Luxus betrachtet. Von außen ist das soweit auch richtig, im Innenverhältnis der meisten Menschen ist es aber anders. Für die meisten Menschen ist eine gewisser Konsum notwendige Vorraussetztung, um ein zufriendenes Leben führen und arbeiten zu können. Was dabei als notwendig oder zumindest sehr wichtig betrachtet wird, ist individuell sehr verschieden: Regelmäßig abends ausgehen, verreisen, Genussmittel, teure Hobbies und vieles andere noch. Insofern ist ein Konsumkredit zumindest theoretisch eine Investition in die Aufrechterhaltung eines angenehmen Lebens. Anhand eines Beispiels eines Freundes und Komilitonen, den ich (zumindest bis dahin) als sehr clever einschätzte, kann ich das mal verdeutlichen: Nach entbehrungsreichem Studium und Promotion hat er sich einen gutbezahlten Job bei einer großen Chemiefirma mit 4 Buchstaben ergattert. Direkt nachdem er den Vertrag in der Tasche hatte, aber noch vor seinem ersten Arbeitstag ist er auf große Einkaufstour gegangen und hat für über 20000 Euro Möbel, Klamotten und Elektrogeräte auf Pump gekauft. Ich hab das nicht verstanden, aber für ihn war das offenbar unbedingt notwendig, um seinen kommenden anspruchsvollen Job zu kompensieren. Aufgrund seines üppigen Salärs war er dann nach etwa einem Jahr wieder schuldenfrei. Ich persönlich ticke da anders, und muss das Geld erst auf meinem Konto gesehen haben, bevor ich mir etwas leiste.(29.09.2011, 13:13)Wolverine schrieb: Thema Konsumkredite: ...Erst einmal ist Konsum ein Grund, Kredite aufzunehmen, ohne dadurch einen Wettbewerbsvorteil (z.B. bei der Jagd) zu haben.
Das ist auf Deine Kritik gemünzt, dass niemand wirtschaftlich "unsinnige" Kredite aufnehmen würde.
Das Problem mit den Konsumkrediten ist auch nicht das obige Beispiel, sondern das gleiche wie mit vielen anderen Dingen auch: Wie schnelle Autos, Glückspiel, Rauschmittel etc... : es gibt Menschen, die können damit verantwortungsvoll umgehen, andere nicht. Will man es einschränken oder verbieten, beschweren sich die Menschen, die keine Probleme damit bekommen. Erlaubt man es zusehr, nehmen die anderen Schaden.
Bemerkung am Rande:
nachdem ich mir viele Folgen Peter Zwegat angeschaut habe (Authenzität und Repräsentativtät mal dahingestellt) ist mir doch klargeworden, dass viele Menschen eben nicht unverschuldet in die Überschuldung geraten, sondern lange Zeit garnicht merken, dass sie weit über ihre Verhältnisse gelebt haben. Wie man das lösen will, ohne diese Menschen zu entmündigen oder anderen Menschen die Möglichkeit eines sinnvollen Kredit zu verwehren, weiss ich auch nicht.
(29.09.2011, 18:37)Rabenaas schrieb: Wenn ich bedenke, dass bei jeder Unifeier auch immer ein Stand von der Schuldenberatung steht, wäre ich mir da nicht so sicher.Also die Investition in ein Studium (ex Geisteswissenschaften) halte ich eigentlich in fast jedem Fall für eine sinnvolle Verschuldung, solange das nicht zu exzessiv wird. Auf meinen Unifeiern hab ich übrigens nie einen Stand von der Schuldenberatung gesehen, dafür war immer mindestens einer von den Struckis der Vermögensverwaltung (MLP, AWD oder DVAG) da. Mag sein, dass das mit den Studiengebühren zusammenhängt, denen ich gerade noch entkommen bin.
(29.09.2011, 18:37)Rabenaas schrieb:Nein, da bin bin ich anderer Meinung: Man muss aber ein bisschen weiter ausholen, um das mit der Bildung einer Blase zu verstehen. Zunächst mal ist die Generierung neuen Geldes über neue Kredite nur möglich, wenn sich ein solventer Schuldner findet. Deren Zahl ist aber durch den Wohlstand und die Wirtschaftkraft begrenzt. Wenn alle Immobilien und Wertgegestände beliehen sind, und die Wirtschaftkraft jedes einzelnen keine weitere Verschuldung mehr zulässt, kann man kein weiteres Geld mehr über Kredite generieren, die Geldmenge hat ihren maximalen Wert erreicht. Für eine Blasenbildung müsste aber die Möglichkeit bestehen, immer weiter neues Geld ohne Hinterlegung von Wert oder Wirtschaftskraft zu generieren. Um derartige Versuche zu unterbinden, gibts es die Eigenkapitalregeln der Banken, die es ihnen verbieten, über eine bestimmte Summe hinaus Kredite zu vergeben.(29.09.2011, 13:13)Wolverine schrieb: Thema Prof. Litaer: Der Denkfehler ist hier, dass man theoretisch unendlich viel Geld erschaffen könnte, man dafür irgendwann aber keine Abnehmer mehr findet, die solvent sind, die Zinsen zu bezahlen. Insofern gibt es auch da eine "natürliche" Obergrenze.Ich denke, dass der "Denkfehler" eigentlich der Fehler im System ist, auf den Prof. Lietaer hinweisen will. Irgendwann platzt die Blase. Sonst würde ich jetzt sofort eine Bank eröffnen. So lohnt sich das Spiel nur für die, die schon systemrelevant sind.
Wieso kam es dann doch zur Immobilienkredit-Blase?
Nun zunächst wurden unter Rot-Grün mittels Basel II die Eigenkapitalrichtlinien der Banken dahin geändert, dass Forderungen höchster Bonität nicht mehr auf das Eigenkapital angerechnet werden müssen. Dass ist zunächst mal nicht unsinnig, da das Ausfallrisiko dieser bombensicheren Anlagen (hauptsächlich Staatsanleihen sicherer Länder) nahezu gleich 0 ist. Problematisch an der Regelung ist allerdings, dass über die Frage, was als bombensicher gilt, die Rating-Agenturen entscheiden konnten, die wiederum mit den Banken verknüpft sind. Dann ist jemand auf die Idee gekommen, im Immobilienbereich Forderungen gegenüber solventen Schuldnern solange mit faulen Krediten zu mischen und immer wieder neu zu verbriefen, bis keiner mehr durchgeblickt hat, und hat sich dann auch noch für diese Zertifikate von den Rating-Agenturen das AAA-Rating (aufgrund der wenigen Top-Schuldner im Korb) geholt. Auf die Art und Weise wurde die natürliche Grenze für Kredite durchbrochen, es wurden quasi Top-solvente Schuldner aus dem Nichts geschaffen, und das auch noch in fast beliebiger Menge. Das Problem war dann, dass diesen Forderungen keine realen Werte mehr gegenüberstanden und es war nur eine Frage der Zeit, bis das genügend Leuten aufgefallen ist.
Dass das mit der Kreditsumme ansonsten recht gut funktioniert, und nicht aus den ersten Krediten immer neue entstehen können, sieht man auch an der Gegenüberstellung von Kreditsumme (3900 Mrd) und Einlagensumme (3200 Mrd) aller deutschen Banken. Von einer in den Himmel schießenden Menge an immer neuen Krediten ist da nichts zu sehen. Würde das passieren, gäbe es im übrigen auch keine "alten" Währungen mehr (Pfund Sterling, sfr, USD etc). Die wären im Lauf der Zeit längst alle mindestens einmal explodiert.
Prof. Litaer ist im übrigen ein sehr starker Verfechter der Sch(w)undgeldtheorie, ihm wird also durchaus daran gelegen sein, das heutige Geldsystem schlecht dastehen zu lassen und seine Probleme möglichst dramatisch zu überzeichnen.
Nebenbemerkung:
Zur Zeit sehen wir wieder das Bestreben, Forderungen schlechter und guter Bonität zu mischen, zu verbriefen und zu hoffen, dass das Konstrukt die Bonität der besten Forderungen "erbt". Das eröffnet wiederum die langfristige Möglichkeit einer Blase ist ist daher sehr gefährlich. Trotzdem werden diese "Eurobonds" genannten Zertifikate wieder als Königsweg aus der Krise gesehen. Wenn diese dann platzen, sind die Verantwortlichen längst weg.