Ich schließe mich Rabenaas an und ergänze:
Wenn man dem Kind gezeigt hat, wie es sich mit sich selbst beschäftigen kann, sollte das weniger problematisch sein. (Es sei denn, es gehört zur extravertierteren Sorte Mensch. Dann sollte es natürlich <i>auch</i> in der Lage sein, sich ne Zeit lang allein zu beschäftigen, aber so lange wie bei einem eher introvertierten wird es das wohl nicht können ohne dass es sich langweilt. Dafür macht man sich beim introvertierten eher Sorgen, weil es so eigenbrötlerisch wirkt. )
Aber wie auch immer, ich sehe den Zusammenhang zum Schreien-lassen nicht, soll heißen: Das eine hat mit dem anderen nicht viel zu tun.
Genauso wie das Fass: Ein Kind und seine Bedürfnisse ernst nehmen hat überhaupt nichts damit zu tun, was man ihm alles erlaubt und was nicht, welches Spielzeug man ihm kauft und welches nicht, etc.
Edit: Ja, ich habe dich übrigens tatsächlich falsch verstanden. Ich dachte im Eifer des Gefechts, du hättest da eine bessere Alternative beschrieben.
Die Erfahrung mit Kindern hilft da wahrscheinlich weniger bis überhaupt nicht. Ich kann sogar nachvollziehen, dass das eher von meiner Position wegführt. Ich tue mich selber schwer mit der Sorte "AK".
Ich spreche von eurer Erfahrung als Kind, von eurer eigenen Kindheit. Darüber, meinte ich, sollt ihr mal nachdenken. Prinzipiell bezieht sich alles, was ihr über die bösen Kinder sagt, ja auch auf euch selbst! - Ich hoffe also, eure Eltern haben euch lange genug schreien lassen, um euch den Egoismus auszutreiben. Je länger ihr als Kinder schreien musstet, um so altruistischer sollte eure Einstellung heute ja sein. (Hey, was denn? Ich versuch auch nur mal, eure Argumentation konsequent zu Ende zu führen. Und für "meine" Fraktion: Natürlich glaube und hoffe ich das nicht. )
(Wir haben uns aber immer noch lieb, gell? Auch wenn wir jetzt in zwei Lager gespalten sind. )
Ich glaube ja auch nicht, dass man mit einem "Ausrutscher" gleich alles kaputt macht. Das kann gar nicht so sein, da muss dann auch die Natur Mechanismen haben, die das wieder ausgleichen. Ein schlechter Tag der Eltern ist immerhin genauso natürlich. Außerdem lernen Menschen ja nicht gleich beim ersten Mal, wie etwas ist. Vokabeln muss man wiederholen, Formeln muss man wiederholen, das Essen mit Messer und Gabeln muss man wiederholen. "Use it or lose it." Ich gehe davon aus, dass sich auch das "Erleben"/die Auswirkungen der Verwahrlosung, etc. erst mit der Zeit festigen. Wirklich problematisch werden die Folgen sowieso erst später im Leben. Meistens werden dann aber die Zusammenhänge nicht erkannt. Die Auswirkungen der Kindheit, insbesondere der ersten Lebensjahre, auf das Leben eines Menschen wird gemeinhin unterschätzt.
(*)Kurzer Exkurs: Alice Miller behauptet jedoch, dass, wenn zumindest diese "Todsünde", von der wir hier reden, konsequent vermieden werden kann, der Welt einiges erspart bleiben würde. Zum Beispiel das Phänomen, dass Millionen Menschen einem massenmordenden Diktator hinterherlaufen, weil sie in ihm eine Vaterfigur sehen und das nachholen wollen, was bei ihren eigenen Vätern nicht geklappt hat: ihn beeindrucken, ihm gefallen, seinen Bedürfnissen gerecht werden, damit sie von ihm, ihrem Vater, geliebt werden. Denn wenn ein Mensch nicht als Kind gelernt hat, dass er seine eigenen Bedürfnisse denen seiner Eltern unterordnen muss, um ihre Liebe nicht zu verlieren, werden sie niemandem hinterherlaufen, der ihnen damit droht, sie nicht lieb zu haben, wenn sie nicht tun, was er von ihnen verlangt.
( Das klingt auch in zwei Sätzen nicht ganz abwegig - zumindest für mich, aber ich kenne ja auch die ganze Argumentation. Und da ohne diese Kenntnis eine Diskussion über diese Theorie mit Sicherheit nach hinten losgeht, bin ich dafür, dass wir darauf jetzt nicht eingehen. Aber es steht jedem frei, sich ein eigenes Bild von Am Anfang war Erziehung zu machen.)
(30.08.2010, 23:58)Klaun schrieb:Gut. Meine Betonung liegt auf "sollte dringlichst unterlassen". Jedenfalls wenn die Situation so aussieht, wie du sie beschreibst. Eine der wenigen Ausnahmen habe ich genannt.boneman schrieb:Das Kind lernt nicht, dass jemand kommt, wenn es schreit. Das weiß es durch einen natürlichen Instinkt. Wie gesagt: "Kind schreit, Mama kommt" ist der Mechanismus, den die Natur eingerichtet hat, damit das Kind überleben kann. Erst wenn die Mama nicht mehr immer kommt, dann lernt das Kind etwas. Und zwar nur Negatives und Falsches. Wenn das Kind erst herausfinden müsste, wie es die Aufmerksamkeit der Eltern gewinnt, würden nicht alle Kinder das gleiche tun.
Vielleicht war das meinerseits unpräzise formuliert.
Es geht um diesen natürlich Instinkt: Solange dieser aktiv ist und das Kind nur dann schreit,wenn etwas ist (Aua, Hunger, Windel, Langeweile etc), dann sollte man sein möglichstes tun,das Kind zu beruhigen, sobald das Kind aber "vorsätzlich",sprich nicht mehr instinkgetrieben, schreit, dann sollte man abwägen,ob man tatsächlich jedes Mal versucht es zu beruhigen oder nicht, sprich erst dann kann man entweder abwarten, bis es aufhört zu schreien oder versuchen es zu beruhigen. Erst dann kann man versuchen den Naturmechanismus "Ich schreie, Mama kommt" auszuhebeln.
Die Betonung liegt hierbei auf "kann".
Edvard schrieb:Klaun hat es schon gut erklärt. Klar ist das erstmal Instinkt, den die Eltern auch unbedingt beachten müssen. (Das hat auch keiner je bestritten.)Glaubst du, wenn das Kind den Müll runtergetragen oder den Spinat gegessen hat, dass der Papa dann plötzlich wieder Lust hat zu spielen? Vielleicht hast du da einfach was verwechselt und wolltest eigentlich sagen, dass der Papa zwischendrin mal was anderes erledigen muss (z.B. den Müll runtertragen oder den Spinat essen ) und danach wieder Zeit hat zum Spielen und das Kind so lange warten können muss?
Doch irgendwann wird das Kind den Instinkt umgehen und absichtlich handeln. Und da wird halt erst geschrien, weil es den Instinkt quasi kopiert, später, wenn man diese Unart (ja, ich weiß, das Wort wird dir nicht gefallen^^) nicht abstellt, kommen dann andere Methoden dazu, wie eben das von mir angesprochen bockig sein. (Da glaub ich, hast du was falsch verstanden.)
Wohin sich das ganze entwickelt, wenn man den Kind nicht alles durchgehen lässt? Das Kind wird langsam aber sicher lernen, wie es zusätzliche (nicht die, die es eh schon bekommen würde!) Aufmerksamkeit der Eltern auf andere Art und Weise erlangen wird. Ein Beispiel: Papa hat gerade mit mir gespielt, will jetzt aber nicht mehr. Aber wenn ich schnell den Müll/den Spinat esse/etc. raustrage, spielt er sicher noch eine Runde mit mir. Hört sich für mich nach nen tollen Kompromiss an. Und ohne Kompromissfähigkeiten kommt man im Leben nicht weit.
Wenn man dem Kind gezeigt hat, wie es sich mit sich selbst beschäftigen kann, sollte das weniger problematisch sein. (Es sei denn, es gehört zur extravertierteren Sorte Mensch. Dann sollte es natürlich <i>auch</i> in der Lage sein, sich ne Zeit lang allein zu beschäftigen, aber so lange wie bei einem eher introvertierten wird es das wohl nicht können ohne dass es sich langweilt. Dafür macht man sich beim introvertierten eher Sorgen, weil es so eigenbrötlerisch wirkt. )
Aber wie auch immer, ich sehe den Zusammenhang zum Schreien-lassen nicht, soll heißen: Das eine hat mit dem anderen nicht viel zu tun.
Genauso wie das Fass: Ein Kind und seine Bedürfnisse ernst nehmen hat überhaupt nichts damit zu tun, was man ihm alles erlaubt und was nicht, welches Spielzeug man ihm kauft und welches nicht, etc.
Edit: Ja, ich habe dich übrigens tatsächlich falsch verstanden. Ich dachte im Eifer des Gefechts, du hättest da eine bessere Alternative beschrieben.
(31.08.2010, 08:16)Edvard schrieb:Aus meiner Sicht sollten sich diese Fragen mit der Klarstellung, dass "nicht ignorieren" nicht "alles machen, was das Kind verlangt" oder "dem Kind alles durchgehen lassen" bedeutet, erledigt haben, oder? Wenn nicht, solltest du sie vielleicht anders formulieren, denn so wüsste ich nicht, was ich darauf zusätzlich zum bereits Gesagten antworten soll.(30.08.2010, 23:23)Boneman schrieb: Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass es nicht darum geht, dem Kind alle Wünsche zu erfüllen. Ich schrieb nur, dass es ein großer Fehler ist, wenn man seine Bedürfnisse/Wünsche/Ängste/... ignoriert, übergeht, es deswegen gar auslacht oder was weiß ich. Das passiert alles täglich, ohne dass es Erwachsenen überhaupt auffallen würde.Vorab, du hast etwas schlampig formuliert, weil du sagst, es geht nicht darum, dem Kind alle Wünsche zu erfüllen, aber dan schreibst, dass es schlecht ist, die Wünsche des Kindes zu ignorieren.
Dass man nichts verbieten oder nicht schimpfen darf, habe ich auch nicht geschrieben. Ich rede eigentlich überhaupt nicht davon, wie man einem Kind Grenzen setzen soll oder dass man es nicht tun soll. Am ehesten warne ich noch davor, mit den falschen Mitteln zu früh anzufangen.
Ich glaubte eigentlich, ich hätte mich (ausnahmsweise ) recht eng an den ursprünglichen Gegenstand der Diskussion gehalten (die Frage, ob man ein Kind schreien lassen soll) und kein größeres Fass aufgemacht.
Egal, du würdest ein Kind also auch schimpfen, wenn es irgendwas angestellt hat. Nur wer sagt dir, dass das Schimpfen in dem Augenblick nicht genauso falsch ist, wie das Weinen (und ich meine jetzt nur das absichtliche Weinen) lassen, das wir praktizieren würden? Vielleicht hätte das Kind in dem Augenblick auch körperliche Nähe gebraucht?
Davon abgesehen, dass es ja kaum den Bedürfnissen des Kindes entspricht, wenn es geschimpft wird.
Das ist jetzt NICHT meine Meinung. Ich versuche nur deine Argumentation konsequent zu Ende zu führen.
Edvard schrieb:Diese Art von Erfahrung meinte ich gar nicht, aber es würde mich nicht wundern, wenn noch mehr von der "Pro-Schreien-lassen-Fraktion" das so verstanden haben.Zitat:Ich glaube, es ist vor allem die Gegenseite, die aus Erfahrung spricht... - Ja genau, denkt mal drüber nach.Reden wir weiter, wenn du mal soweit bist.
Ich bin 5-facher Onkel und hab zumindest aus zweiter (oder eher eineinhalbter) Hand teilweise unterschiedliche Erziehungsmethoden kennen gelernt. Aus allen 5 Kindern ist was anständiges geworden (der kleinste ist 11) und das obwohl mir eine Erziehungsmethoden einer meiner Geschwister/Schwager bzw Schwägern nicht gefallen hat bzw immer noch nicht gefällt.
Die Erfahrung mit Kindern hilft da wahrscheinlich weniger bis überhaupt nicht. Ich kann sogar nachvollziehen, dass das eher von meiner Position wegführt. Ich tue mich selber schwer mit der Sorte "AK".
Ich spreche von eurer Erfahrung als Kind, von eurer eigenen Kindheit. Darüber, meinte ich, sollt ihr mal nachdenken. Prinzipiell bezieht sich alles, was ihr über die bösen Kinder sagt, ja auch auf euch selbst! - Ich hoffe also, eure Eltern haben euch lange genug schreien lassen, um euch den Egoismus auszutreiben. Je länger ihr als Kinder schreien musstet, um so altruistischer sollte eure Einstellung heute ja sein. (Hey, was denn? Ich versuch auch nur mal, eure Argumentation konsequent zu Ende zu führen. Und für "meine" Fraktion: Natürlich glaube und hoffe ich das nicht. )
(Wir haben uns aber immer noch lieb, gell? Auch wenn wir jetzt in zwei Lager gespalten sind. )
(31.08.2010, 09:03)Edvard schrieb: Noch ein Kommantar allgemein: Ich finde Bones Standpunkt sehr... theoretisch. Praktisch ist es so, dass die Eltern mal nen schlechten Tag haben können, es alleinerziehende Elternteile ohne Oma/Opa in der Hinterhand gibt, (jüngere) Geschwister da sind, die mehr Aufmerksamkeit bekommen, etc.Theoretisch? Mal so sagen: Klar, ich beschreibe mal wieder nur eine Seite, nämlich wie man es todsicher falsch macht. Das ist auch relativ leicht einzusehen, wenn man sich in die Lage eines kleinen Kindes hineinversetzen kann (vor allem dessen, das man selbst einmal war!) - woran ich hier tatsächlich zweifle, denn bisher ist z.B. noch niemand auf Rabenaas' und meine Ausführungen über die Angst des Kindes eingegangen (oder habe ich etwas überlesen?). Wie man es besser machen kann, kann ich dagegen kaum sagen; da fehlt mir dann tatsächlich die Sorte Erfahrung, die du gemeint hast. Und selbst wenn man in diesem einen Punkt alles richtig macht, kann man immer noch so viel anderes falsch machen, dass am Ende noch lange nicht alles gut sein muss.(*)
Ich glaube ja auch nicht, dass man mit einem "Ausrutscher" gleich alles kaputt macht. Das kann gar nicht so sein, da muss dann auch die Natur Mechanismen haben, die das wieder ausgleichen. Ein schlechter Tag der Eltern ist immerhin genauso natürlich. Außerdem lernen Menschen ja nicht gleich beim ersten Mal, wie etwas ist. Vokabeln muss man wiederholen, Formeln muss man wiederholen, das Essen mit Messer und Gabeln muss man wiederholen. "Use it or lose it." Ich gehe davon aus, dass sich auch das "Erleben"/die Auswirkungen der Verwahrlosung, etc. erst mit der Zeit festigen. Wirklich problematisch werden die Folgen sowieso erst später im Leben. Meistens werden dann aber die Zusammenhänge nicht erkannt. Die Auswirkungen der Kindheit, insbesondere der ersten Lebensjahre, auf das Leben eines Menschen wird gemeinhin unterschätzt.
(*)Kurzer Exkurs: Alice Miller behauptet jedoch, dass, wenn zumindest diese "Todsünde", von der wir hier reden, konsequent vermieden werden kann, der Welt einiges erspart bleiben würde. Zum Beispiel das Phänomen, dass Millionen Menschen einem massenmordenden Diktator hinterherlaufen, weil sie in ihm eine Vaterfigur sehen und das nachholen wollen, was bei ihren eigenen Vätern nicht geklappt hat: ihn beeindrucken, ihm gefallen, seinen Bedürfnissen gerecht werden, damit sie von ihm, ihrem Vater, geliebt werden. Denn wenn ein Mensch nicht als Kind gelernt hat, dass er seine eigenen Bedürfnisse denen seiner Eltern unterordnen muss, um ihre Liebe nicht zu verlieren, werden sie niemandem hinterherlaufen, der ihnen damit droht, sie nicht lieb zu haben, wenn sie nicht tun, was er von ihnen verlangt.
( Das klingt auch in zwei Sätzen nicht ganz abwegig - zumindest für mich, aber ich kenne ja auch die ganze Argumentation. Und da ohne diese Kenntnis eine Diskussion über diese Theorie mit Sicherheit nach hinten losgeht, bin ich dafür, dass wir darauf jetzt nicht eingehen. Aber es steht jedem frei, sich ein eigenes Bild von Am Anfang war Erziehung zu machen.)
Edvard schrieb:Kind lernt ganz leicht: ich schreie -> irgendjemand (Mami/Papi) kommt und macht was tolles. Das ist jetzt nicht der weltbewegende Gedanke, von dem ich glaube, dass Kind ihn (vllt sogar etwas komplizierter) ohne weiteres realisieren kann. Auf die Kindergartensituation bezogen wird das Kind genau das gleiche Prinzip anwenden wollen: Ich schreie -> irgendjemand macht was tolles.Zum Schluss meiner Antwort will ich hierzu noch eine Klarstellung ergänzen: Wenn ich sage, dass man ein Kind nicht einfach schreien lässt, dann sage ich damit noch lange nicht, dass man "was Tolles machen" oder ihm ein Programm bieten soll oder dergleichen. Wenn ein Kind z.B. nachts nicht schläft, dann veranstaltet man selbstverständlich kein Puppentheater. Es geht nur einfach nicht, ein Kind liegen zu lassen oder sogar irgendwo abzulegen, obwohl man weiß, dass man es tatsächlich trösten könnte. Man darf das Kind nicht allein lassen, auch wenn man im Moment nichts tun kann.
Später wird es dann erkennen, dass man nicht unbedingt schreien muss, bockig zu sein o.ä. führt zum gleichen Resultat.
Great people care.