(Es gilt wieder: Ich zitiere Calesca, rede aber mit allen, die sich angesprochen fühlen wollen.)
Woher kommt die Annahme, dass man ein Kind "verziehen" würde, wenn man auf seine Bedürfnisse eingeht? Wollt ihr damit behaupten, dass "zu viel Liebe" schädlich für ein Kind sei?
Wenn die Bedürfnisse des Kindes von seiner eigenen Mutter nicht ernstgenommen werden - von wem soll es das im späteren Leben noch erwarten? Das Kind lernt bei seiner Mutter, dass es zur Erfüllung Anerkennung(!) der eigenen Bedürfnisse einen permanenten Kampf führen muss. So entstehen verzogene Ego-Schweine!
Und diese Ego-Schweine können, je nach der Qualität der bisherigen Erfahrungen des Kindes, auch schon im Kindergartenalter auftreten. Da trifft Calescas Unterscheidung dann zu. Nur muss man sich im Klaren darüber sein, dass davor schon irgendetwas schiefgelaufen sein muss. Das heißt, mit dieser Begründung eine gewisse "Härte in der Erziehung", oder wie man es nennen will, zu fordern, funktioniert so nicht.
(Übrigens basiert meine Argumentation in dieser Diskussion zum Teil auch hierauf.)
Mir scheint, hier wird ein bedürftiges Kind mit einem eigenverantwortlichen Erwachsenen verglichen, der sich gerne in den Mittelpunkt drängt. Letzterem verweigert man die Aufmerksamkeit natürlich, weil für ihn eine solche Forderung nicht gerechtfertigt ist und jeder Laienpsychologe weiß, dass er wohl ein kleines Problem hat (in mir wächst gerade ein Verdacht... ) - und schließlich bringt es ihn ja auch nicht um. Aus der Sicht eines Kindes wird jedoch mit jeder Minute, die die Mutter auf sich warten lässt, die Bedrohung des eigenen Lebens größer.
Ein Kind lernt immer, was man ihm vorlebt. Ein Kind, das geliebt wird, lernt, dass es dieser Liebe "würdig" ist. Es fühlt sich damit gut und wird auch wollen, dass andere sich gut fühlen. Das gilt vor allem später für sein eigenes Kind.
Ein Kind, dem die Aufmerksamkeit entzogen wird, lernt, dass es diese Aufmerksamkeit nicht verdient hat. Und dass es wohl "sinnvoll" sein muss, sie auch dem eigenen Kind "in bestimmten Situationen" zu verweigern.
Der Mensch handelt hauptsächlich nach in der Kindheit verinnerlichten Mustern. Diese übernimmt er ohne sie zu hinterfragen und gibt sie an seine Umwelt und Nachkommen weiter. Deshalb kommt auch selten jemand von sich aus auf die Idee, dass es ja vielleicht gar nicht so sinnvoll ist, sein Kind zu schlagen, bzw. kann es nicht verhindern, dass er es tut, wenn er selbst früher geschlagen wurde. Man hat einfach kein anderes Reaktionsmuster erlernt und fühlt sich in der Situation mit dem z.B. schreienden Kind so hilflos, dass man das alte Muster aktiviert - auch wieder besseren Wissens und Willens.
Nochmal zum Einzelfall: Ich weiß nicht, wie schädlich es für ein Kind genau ist, wenn es mal fünf Minuten warten muss. Aber noch viel weniger sehe ich, was das Gute daran sein soll?
Vielleicht beruhigt es sich irgendwann von selbst, weil das Jucken nach fünf Minuten wieder aufgehört hat. Glück gehabt. Aber wie schon gesagt, das Schlimme ist nicht, dass seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Das geht ja oft wirklich nicht. Der Knackpunkt ist, dass man seine Bedürfnisse bewusst übergeht und nicht ernstnimmt. - Hey, du wurdest tatsächlich weggestellt! Ich urteile nicht über deine Mutter, sie mag ein wundervoller Mensch sein. Aber ich finde das grausam...
Stell dir mal vor, du würdest dich mit höllischen Magenkrämpfen auf dem Sofa winden und dein Freund kommt vorbei und setzt sich einfach daneben und guckt fern. Klar, wenn du etwas falsches gegessen hast, wird er dir so oder so nicht helfen können. Aber was ist denn schlimmer? Dass er dein Bauchweh nicht heilen kann oder dass es ihn nicht interessiert, dass du Schmerzen hast?
Oder stell dir vor, dein Arbeitsvertrag würde nicht verlängert und du stündest plötzlich ohne Job da. Was ist schlimmer? Dass dein Freund dir keinen neuen Job besorgen kann oder dass er dich mit einem Schulterzucken stehen lässt und mit seinen Freunden einen trinken geht?
Und wie oft dürfte so etwas wohl vorkommen, bevor du deine Sachen packst und gehst?
Und jetzt wieder zurück zum Kind: Das Kind kann nicht gehen. Sein Leben hängt davon ab, dass die Mutter zu ihm hält. Und deshalb wird es seine Mutter immer lieben, egal was sie tut (wirklich E-G-A-L was!). Denn es kann nicht riskieren, sie noch zusätzlich zu verärgern, weil es dann ihre Liebe völlig verlieren könnte. Was folgt, ist die Idealisierung: "Meine Mama war ganz lieb zu mir, wollte nur mein Bestes und hat alles dafür gegeben. Dass das natürlich nicht immer geklappt hat, dafür kann sie nichts. Aber sie hat sich immer bemüht" oder "Ja, mein Vater hat mich ab und an geschlagen. Aber ich mache ihm da keinen Vorwurf, denn ich konnte wirklich richtig garstig sein. Er hat mich also nie ungerechtfertigt geschlagen; ich hatte es dann einfach verdient" und zum Ende dann meistens noch "Aber geschadet hat es mir ja nicht". Wenn man dann aber mal ganz genau guckt, findet man plötzlich einiges, was doch auf Schäden hinweist. Der Körper ist da meist schlauer als der Kopf, denn "der Körper vergisst nicht".
(30.08.2010, 06:33)Calesca schrieb: Wenn ein zweijähriges Kind plärrt und man wirklich keine Ursache finden kann und vorallem das Kind bereits "Aua" und auf eine Körperstelle zeigen kann (was es meist in dem Alter kann), dann muss man es auch mal etwas warten. Da fängt die Erziehung an, dem Kleinen zu zeigen, dass die Eltern nicht immer springen, sobald es was will, sonders es auch mal warten muss und halt nicht immer sein Willen zählt. Sonst hast du irgendwann ein verzogenes Ego-Schwein.Hey, schon wieder die Schwarze Pädagogik. Du sprichst hier ja ganz explizit davon, dass man den Willen des Kindes brechen muss. Vermutlich würdest du es nie so negativ formulieren, aber es läuft genau darauf hinaus.
Woher kommt die Annahme, dass man ein Kind "verziehen" würde, wenn man auf seine Bedürfnisse eingeht? Wollt ihr damit behaupten, dass "zu viel Liebe" schädlich für ein Kind sei?
Wenn die Bedürfnisse des Kindes von seiner eigenen Mutter nicht ernstgenommen werden - von wem soll es das im späteren Leben noch erwarten? Das Kind lernt bei seiner Mutter, dass es zur Erfüllung Anerkennung(!) der eigenen Bedürfnisse einen permanenten Kampf führen muss. So entstehen verzogene Ego-Schweine!
Und diese Ego-Schweine können, je nach der Qualität der bisherigen Erfahrungen des Kindes, auch schon im Kindergartenalter auftreten. Da trifft Calescas Unterscheidung dann zu. Nur muss man sich im Klaren darüber sein, dass davor schon irgendetwas schiefgelaufen sein muss. Das heißt, mit dieser Begründung eine gewisse "Härte in der Erziehung", oder wie man es nennen will, zu fordern, funktioniert so nicht.
(Übrigens basiert meine Argumentation in dieser Diskussion zum Teil auch hierauf.)
(30.08.2010, 06:33)Calesca schrieb: Meine Mutter hat mich ab 1 Jahr auch einfach in meinem Körbchen in einen stillen Raum im Erdgeschoss gestellt, wenn kein Grund da war, warum ich gerade pläge. Und ich habe mich nach ein paar Minuten, wenn keiner reagiert hat, immer beruhigt.Nochmal: Was heißt denn "nur Aufmerksamkeit"? Warum wird das Bedürfnis eines Kindes nach Aufmerksamkeit so leichtfertig und achtlos delegitimiert? Warum glaubt man, ein Kind müsse einen für den Erwachsenen einsichtigen Grund haben, um es überhaupt ernstzunehmen? Woher kommt die Annahme, dass die geforderte Aufmerksamkeit nicht immer notwendig wäre? Wie trifft man die Entscheidung, ob es in diesem Fall "drauf ankommt" (Edvard)?
Meine Mama hat reagiert, sobald ich nach 5 Minuten nicht aufgehört habe (dann war nämlich doch was), ansonsten wollte ich nur Aufmerksamkeit. Und zwar immer, 24 Stunden am Tag.
Mir scheint, hier wird ein bedürftiges Kind mit einem eigenverantwortlichen Erwachsenen verglichen, der sich gerne in den Mittelpunkt drängt. Letzterem verweigert man die Aufmerksamkeit natürlich, weil für ihn eine solche Forderung nicht gerechtfertigt ist und jeder Laienpsychologe weiß, dass er wohl ein kleines Problem hat (in mir wächst gerade ein Verdacht... ) - und schließlich bringt es ihn ja auch nicht um. Aus der Sicht eines Kindes wird jedoch mit jeder Minute, die die Mutter auf sich warten lässt, die Bedrohung des eigenen Lebens größer.
(30.08.2010, 06:33)Calesca schrieb: Bei Neugeborenen gebe ich vollkommen Boni Recht. [...] Bei Kleinkindern gebe ich aber der anderen Seite Recht.Ich könnte mir fast vorstellen, dass es noch schlimmer für ein Kind sein kann, wenn die Mutter erst später anfängt, ihre Liebe zu beschränken. Wenn ein Kind nie die volle Aufmerksamkeit erhält, die es verlangt (also braucht), dann hat es nie gelernt, dass es diese Aufmerksamkeit verdient hat, und stellt sich sofort darauf ein: So funktioniert das Leben offenbar. Wenn sie ihm aber erst später entzogen wird, dann stimmt plötzlich die Welt nicht mehr ("Warum hat Mama mich nicht mehr lieb?")...
Ein Kind lernt immer, was man ihm vorlebt. Ein Kind, das geliebt wird, lernt, dass es dieser Liebe "würdig" ist. Es fühlt sich damit gut und wird auch wollen, dass andere sich gut fühlen. Das gilt vor allem später für sein eigenes Kind.
Ein Kind, dem die Aufmerksamkeit entzogen wird, lernt, dass es diese Aufmerksamkeit nicht verdient hat. Und dass es wohl "sinnvoll" sein muss, sie auch dem eigenen Kind "in bestimmten Situationen" zu verweigern.
Der Mensch handelt hauptsächlich nach in der Kindheit verinnerlichten Mustern. Diese übernimmt er ohne sie zu hinterfragen und gibt sie an seine Umwelt und Nachkommen weiter. Deshalb kommt auch selten jemand von sich aus auf die Idee, dass es ja vielleicht gar nicht so sinnvoll ist, sein Kind zu schlagen, bzw. kann es nicht verhindern, dass er es tut, wenn er selbst früher geschlagen wurde. Man hat einfach kein anderes Reaktionsmuster erlernt und fühlt sich in der Situation mit dem z.B. schreienden Kind so hilflos, dass man das alte Muster aktiviert - auch wieder besseren Wissens und Willens.
(30.08.2010, 06:33)Calesca schrieb: Wenn ich jetzt sage, dass es mir nicht geschadet hat, kommen gleich fiese Grinser und doofe Sprüche, richtig? Also sage ich besser nichts.Nein, dafür ist das Thema zu ernst. Aber würdest du diese Behauptung ernsthaft vertreten wollen? Wer kann von sich behaupten, dass er noch weiß, welche Vorkommnisse in der eigenen Kindheit welche Emotionen hervorgerufen haben? Ich würde es dir einfach nicht glauben - also gut, dass du nichts gesagt hast.
Nochmal zum Einzelfall: Ich weiß nicht, wie schädlich es für ein Kind genau ist, wenn es mal fünf Minuten warten muss. Aber noch viel weniger sehe ich, was das Gute daran sein soll?
Vielleicht beruhigt es sich irgendwann von selbst, weil das Jucken nach fünf Minuten wieder aufgehört hat. Glück gehabt. Aber wie schon gesagt, das Schlimme ist nicht, dass seine Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Das geht ja oft wirklich nicht. Der Knackpunkt ist, dass man seine Bedürfnisse bewusst übergeht und nicht ernstnimmt. - Hey, du wurdest tatsächlich weggestellt! Ich urteile nicht über deine Mutter, sie mag ein wundervoller Mensch sein. Aber ich finde das grausam...
Stell dir mal vor, du würdest dich mit höllischen Magenkrämpfen auf dem Sofa winden und dein Freund kommt vorbei und setzt sich einfach daneben und guckt fern. Klar, wenn du etwas falsches gegessen hast, wird er dir so oder so nicht helfen können. Aber was ist denn schlimmer? Dass er dein Bauchweh nicht heilen kann oder dass es ihn nicht interessiert, dass du Schmerzen hast?
Oder stell dir vor, dein Arbeitsvertrag würde nicht verlängert und du stündest plötzlich ohne Job da. Was ist schlimmer? Dass dein Freund dir keinen neuen Job besorgen kann oder dass er dich mit einem Schulterzucken stehen lässt und mit seinen Freunden einen trinken geht?
Und wie oft dürfte so etwas wohl vorkommen, bevor du deine Sachen packst und gehst?
Und jetzt wieder zurück zum Kind: Das Kind kann nicht gehen. Sein Leben hängt davon ab, dass die Mutter zu ihm hält. Und deshalb wird es seine Mutter immer lieben, egal was sie tut (wirklich E-G-A-L was!). Denn es kann nicht riskieren, sie noch zusätzlich zu verärgern, weil es dann ihre Liebe völlig verlieren könnte. Was folgt, ist die Idealisierung: "Meine Mama war ganz lieb zu mir, wollte nur mein Bestes und hat alles dafür gegeben. Dass das natürlich nicht immer geklappt hat, dafür kann sie nichts. Aber sie hat sich immer bemüht" oder "Ja, mein Vater hat mich ab und an geschlagen. Aber ich mache ihm da keinen Vorwurf, denn ich konnte wirklich richtig garstig sein. Er hat mich also nie ungerechtfertigt geschlagen; ich hatte es dann einfach verdient" und zum Ende dann meistens noch "Aber geschadet hat es mir ja nicht". Wenn man dann aber mal ganz genau guckt, findet man plötzlich einiges, was doch auf Schäden hinweist. Der Körper ist da meist schlauer als der Kopf, denn "der Körper vergisst nicht".
Great people care.