(01.07.2010, 09:07)Rabenaas schrieb: Nicht ganz. Köhler hat immerhin mal Gesetze einfach nicht unterschrieben, die er für falsch hielt. Letztens Endes hat der Präsident zwar kaum verfassungsmäßige Macht, aber seine Stimme hat trotzdem Gewicht.Das ist nicht ganz falsch, zugegeben. Dieses Prüfungsrecht des Bundespräsidenten ist zwar nicht unproblematisch (weil es eigentlich Sache des Bundesverfassungsgerichts ist, verfassungswidrige vom Parlament beschlossene Gesetze zu verwerfen), entspricht aber der geübten Praxis - nicht erst seit Köhler. Eigentlich sollte ein Bundespräsident nur bei wirklich evident verfassungswidrigen Gesetzen davon Gebrauch machen, denn an sich ist seine Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren (Ausfertigung der Gesetze) eher formal. Ein Vetorecht im eigentlichen Sinne soll er gerade nicht haben, es ist ihm nur nicht zuzumuten, an einem offensichtlichen Verfassungsbruch mitzuwirken. Theoretisch kann er daher sogar verfassungsgerichtlich angehalten werden, seinen Pflichten nachzukommen und damit seine Unterzeichnungsweigerung überprüft werden. Praktisch wird ein solches Verfahren aber niemand gegen einen Bundespräsidenten einleiten. Wenn man aber auf der praktischen Ebene bleibt, muß man auch sagen, daß kaum ein Bundespräsident extensiv von diesem "faktischen Veto" Gebrauch machen bzw. auf diese Weise in politische Entscheidungen eingreifen wird. Eines von Köhler's Vetos richtete sich z.B. gegen das Verbraucherinformationsgesetz, weil darin eine seiner Meinung nach kompetenziell nicht (mehr) zulässige Regelung war. Ein nur geringfügig geändertes Verbraucherinformationsgesetz hat er eine Weile später dann unterzeichnet. - Er hat nie ein Gesetz nicht unterzeichnet, weil es es für (politisch) falsch hielt, sondern nur, weil er es für verfassungswidrig hielt.
Also, ja, der Bundespräsident kann in die aktuelle Politik eingreifen, aber nur in ganz geringem Umfang. Wirkliche politische Macht kann er nur sehr selten ausüben, etwa, wenn er über die Auflösung des Bundestages zu entscheiden hat. Das ist aber nur ausnahmsweise der Fall (nach einer gescheiterten Vertrauensfrage oder bei einem nur mit relativer Mehreit gewählten Bundeskanzler). Seine größte Macht hätte er in der sog. "Stunde des Präsidenten", wenn er nach einer gescheiterten Vertrauensfrage in Zusammenarbeit mit Bundesregierung und Bundesrat unter Umgehung des Bundestages ein Gesetz zustande bringen kann (Art. 81 GG, Gesetzgebungsnotstand). Den Fall hat es aber noch nie gegeben und wird es wohl auch nicht.
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."