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Unterwegs mit Zwergen
#73
Unterwegs mit Zwergen #71

Die Sachen waren gepackt, die Armbrüste geölt, die Klingen neu geschliffen.
Ein letztes Mal gingen sie hinüber zu den Söhnen des Grufalm, fassten Bolzen, prüften Seile und Riemen.
Hurdin nahm noch ein Bündel Tau mit – „man weiß nie, wann man’s braucht“ –
und Keldi verhandelte über den Preis, obwohl es längst Freundschaft war, nicht Handel.

Auf dem Markt ergänzten sie ihre Vorräte: frisch gebackenes Brot, Äpfel und Wurzeln,
und auf dem Steinbecken am Rand des Platzes kühlte ein Händler den Fang des Morgens aus der Vrala.
Der Geruch von Wasser, Metall und Brot begleitete sie, als sie sich nordwärts wandten.

Jenseits des Ifirn-Schreins begann der Pfad nach Felsteyn,
der entlang der Vrala in weiten Schleifen durchs Tal führte.
Die Sonne stand warm am Himmel, ein klarer Spätsommertag des Jahres 16 Hal.
Das obere Tal lag grün und weit vor ihnen,
und für einen Moment schien alles einfach —
nur Weg, Luft und Zeit.

Eine Weile reisten sie mit einigen Händlerkarren,
deren Räder im gleichen Rhythmus über das Pflaster klapperten.
Doch bald setzten sie sich ab,
denn sie wussten, dass sie Felsteyn in einem wackeren Tagesmarsch erreichen konnten.

Es war bereits Nacht, als sie Felsteyn erreichten.
Sie übernachteten, wie Tondar zu sagen pflegte, „im Schatten der Berge“,
und machten am nächsten Morgen ihre Aufwartung im Ingerimm-Tempel –
bei der kleinen Zwergensippe, einem Ableger aus Oberorken.

Dann erklommen sie den Pass.

Am zweiten Tag, auf der Höhe, gerieten sie in einen Hinterhalt von Goblins –
der jedoch diesen selbst zum Hinterhalt geriet.
Hurdin wechselte einen Blick mit Keldi,
als er den schweren Dolch an der Tunika eines toten Goblins abwischte.
„Sie kommen wieder hervor“, sagte Keldi.
Hurdin nickte nur.

Dann öffnete sich vor ihnen der Blick auf das endlose Grün des Beckens am Hjaldingolf,
und im Abendlicht lag das Land wie unter einem leichten Schleier.
Ein weiterer Tag des Abstiegs führte sie hinunter in die Täler –
und am dritten Abend erreichten sie Orkanger.

Sie hielten sich nicht lange in Orkanger auf – eine Übernachtung, und sie waren wieder unterwegs.
Zwei kurze Tagesmärsche führten sie nordwärts nach Clanegh,
durch Wälder, die schon den ersten Hauch des Herbstes trugen.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie den Ort,
als die Sonne bereits den Horizont berührte.
Sie kehrten in der traviagefälligen Herberge im Ortskern ein,
ließen sich eine Schale warmen Eintopfs reichen,
und nach einer kurzen Erfrischung
machten sie sich auf den Weg zum Haus Treborn Kolbergs.


Treborn Kolbergs Anwesen lag etwas außerhalb, ein festes Haus mit kleiner Hofstelle und Nebengebäuden an der Straße nach Liskor.
Die Gruppe trat durch das Tor. Der Hof lag still im Schein der untergehenden Sonne, nur das letzte Klingen eines Hammers hallte aus der offenen Schmiede.
Ein Mann trat hervor, wischte sich den Ruß von den Händen und musterte sie aufmerksam, ehe er mit einem kurzen Nicken ins Haus wies.

Treborn Kolberg empfing sie, wie er immer empfing – mit einem Lächeln, das zwischen Berechnung und Aufrichtigkeit balancierte.
Ein gutaussehender Mann besten Alters, kräftig, selbstsicher, das Haar bereits silbrig an den Schläfen.
Sie hatten ihn vor fast einem Jahr auf dem Pass von Felsteyn nach Orkanger getroffen –
als er mit einem Wagenzug die letzte Überquerung vor dem Winter unternahm.
Damals hatte er ihnen einen Teil der Karte verkauft, für sechzig Dukaten,
von der sie inzwischen wussten, dass er sie in Hjalsingor für fünf erstanden hatte.
Aber Händler ist Händler – und Schlitzohr bleibt Schlitzohr.

Er bat sie jovial herein, ließ Wein bringen, hörte zu, als sie erzählten,
und beugte sich schließlich mit ihnen über die vollständig zusammengesetzte Karte.
„Sagte ich doch“, meinte er und grinste, „wenn ihr sie einmal ganz habt, wird sich das lohnen.“

Sie sprachen über die Wege nach Süden, über die Handelsrouten durch das Orkland,
über die Pässe, die nach Nostria hinüberführten.
Kolberg wusste, wovon er redete.
„Das Geschäft ist gut“, meinte er, „wenn Thorwal und Nostria wieder einmal aufeinander losgehen.“
Doch sein Blick wurde ernster.
Auch er hatte bemerkt, dass das Orkland unsicher geworden war.

Schließlich legte er die Fingerspitzen aneinander, musterte sie nachdenklich und sagte leise:
„Da ihr gute Kunden seid – ich habe vielleicht etwas für euch.“
Er erzählte von einer seiner Wildnisführerinnen.
„Sie kennt jeden Pfad, jedes Tal, jeden Übergang. Sie ist sogar bis nach Nostria gekommen.“
Dann lächelte er. „Wenn ihr sie bezahlen könnt, gehört sie euch für die Strecke.“

Am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne den Marktplatz von Clanegh erreichte,
trat eine Frau in der Herberge an ihren Tisch.
Klein, drahtig, das Gesicht wettergegerbt, in einen leichten Fellanorak nach Nivesenart gekleidet.
Nariell.

Sie musterte die Zwerge kurz, nickte knapp.
„Das wird nicht leicht“, sagte sie, „aber möglich.“
Sie hatte eine Vorstellung, wo der Ort liegen mochte, den ihre Karte zeigte.
„Wir müssen Richtung Gebirge – dann hinüber zum Bodir.“

Auf ihr Anraten überprüfte die Gruppe noch einmal ihre Ausrüstung,
ergänzte Proviant und neue Seile,
und als der Tag erwachte,
brachen sie auf –
hinaus in das Land zwischen Flüssen und Schatten,
wo das Orkland begann.


[Bild: Das-Orkland.png]


Felsteyn, 10. Travia

Die Nacht 'im Schatten der Berge' war klar und kühl gewesen.
Als sie am Morgen aufbrachen, hing der Dunst noch tief über den Hängen, und ihr Atem stieg in kleinen Schwaden auf.
Schon wollte Althea den Weg zur Vrala einschlagen, da spürte sie einen leichten Zug an ihrem Ärmel.
Nariell.

Ohne ein Wort bog sie zum kleinen Firuntempel ab, der über dem Ufer thronte – schlicht, aus hellem Stein gebaut, der Wind pfeifend zwischen den Dachbalken.
Einige Felle hingen an den Wänden, vor dem Altar lag der Schnee des Morgens, der hier nie ganz zu schmelzen schien.

Althea trat vor, zog nach kurzem Zögern einen Beutel Gold aus ihrer Tasche und legte ihn auf den Altarstein.
Ein stilles Nicken – kein Gebet. Nur Anerkennung.
Nariell kniete sich nieder, die Hände auf den Knien, die Stirn gesenkt.
Der Priester im Hintergrund beobachtete sie mit unbewegtem Blick – nicht prüfend, nicht gütig, einfach nur Zeuge.

Als sie den Tempel verließen, wehte kalter Wind vom Fluss herauf.
Sie traten an die Furt der Vrala, wo das Wasser in silbernen Bändern zwischen Kies und Weiden floss.
Jenseits des Ufers erhoben sich dunkle, dicht bewaldete Hänge –
und dahinter, unsichtbar, begann das Orkland.

Einen Moment lang sah niemand hinüber.
Dann schnallte Keldi den Rucksack fester, Furka trat ans Wasser, und Althea nickte.
„Dann gehen wir,“ sagte sie leise.
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