11.10.2025, 07:46
Unterwegs mit Zwergen #64
(Versatzstücke)
Die Gruppe hat die Verfallene Herberge bezwungen, hat einige Stunden gerastet und sich dann weiter auf den Weg nach Daspota gemacht, wo sie bei Einbruch der Nacht eintrifft. Es ist anders als bei ihrer ersten Durchreise, noch vor einem Jahr. Ihre Vorsicht ist einem Selbstbewusstsein gewichen, dass sie dazu bringt, im Ort nach einer Unterkunft für die Nacht suchen zu wollen. Sie begeben sich die langsam, zu fortgeschrittener Stunde belebtere Hauptstraße hinunter. Im Ortskern - zur rechten der Hafen, zur linken eine Straße, die zu einem Anwesen, das auf einem Hügel über der Stadt thront, beschließen sie sich durchzufragen und betreten den Laden eines Tatöwierers. Hier zeigt sich, dass Daspota eben anders ist als andere Orte, und ein kurzer Austausch von Worten endet mit einem Austausch von Schlägen - nicht der Ort, wo man bleibt, aber sie schaffen es, mit einem Gutteil der sichergestellten Beute, aus dem Ort, nach Süden...
Sie rasten am Ende des Waldgebietes, durch das der Karrenpfad Richtung Varnheim führt, sorgsam im Unterholz, mit scharfen Zwergenaugen, die in die Nacht hinter ihnen hinausspähen...
Die Nacht über Daspota lag wie ein schweres Tuch. Hinter ihnen brannte die Stadt im diffusen Licht der Laternen – nicht in Flammen, aber in Unruhe. Kein Ort für Bleiben, kein Ort für Schlaf.
Die Zwerge bewegten sich schweigend, Althea an der Spitze, das Haar im Wind, der Stab in der Hand, noch schwach vom Kampf, aber innerlich klar.
Der Weg nach Süden – ein Karrenpfad, kaum mehr als ein Schatten zwischen den Bäumen. Zu beiden Seiten Dunkelheit, nur das Rascheln der Nadeln über ihnen, das rhythmische Knirschen der Schritte im Boden.
Am Rand des Waldes schlugen sie das Lager auf. Kein Feuer. Nur kalte Rationen, das Flüstern der See weit hinter ihnen.
Keldi und Tondar sicherten den Hang, Hurdin legte Steine um die schlafenden Gefährten, wie eine wortlose Mauer.
Archon notierte im Dämmerlicht Zeilen auf ein zerknittertes Blatt, während Furka mit leerem Blick den Himmel absuchte, als suchte er dort etwas, das er nicht benennen konnte.
Und Althea – sie saß am Rand, der Stab auf den Knien, das Gesicht von Mondlicht gezeichnet. Ihr Blick ging nach Süden, wo der Pfad sich verlor.
──────────────────────────────────
Nach einer ereignislosen Nacht waren sie auf dem Karrenpfad nach Süden unterwegs unterwegs. Der Pfad zwischen Varnheim und Daspota war von besserer Beschaffenheit als der von Ottarje - aber irgendwo müssen die Piraten ja ihre Beute loswerden, dachte Althea grimmig...
Am Nachmittag erreichten sie Varnheim, das kleine Städtchen, das diesseitig der Hjaldorberge das nördliche Ende der 'Zivilisation* darstellte. Sie begaben sich zum großen Platz mit dem Travia Tempel und bezogen Zimmer in der "Rorlifs bescheidener Hütte", die sich nicht viel mit der "Herberge Varnheim" am Hafen nahm, wie sie wussten. Über einem späten Mittagessen beschlossen sie hier zwei, vielleicht drei Tage zu bleiben. Die Strapazen der Nordküste des Golfs von Prem lagen hinter ihnen.
Althea, Curian, Archon und Hurdin begaben sich dann hinüber zu einem beschaulichen Abend in den "Pelikan", während Furka, Keldi und Tondar des etwas lebhaftere "Schwert und Schiff" vorzogen. Althea und Curian kamen im Lauf des Abends ins Gespräch mit einigen Varnheimer Bürgern und wurde auf eine Gelehrte namens "Eliane Windenbek" hingewiesen, die am Nordtor wohnen würde. Es war bereits dunkel, als sie sich zurück auf den Weg über den stillen Platz zu ihrer Herberge machten. Furka, Keldi und Tondar kamen kurz vor Mitternacht beschwingten Schritts zurück, wobei Furka pfeifend einen Geldbeutel in der Hand jonglierte...
Nach einer guten Nacht traten sie am nächsten Morgen hinaus auf einen belebten Markt, der sich bis hinter den Travia Tempel erstreckte. Althea machte eben jenen fahrenden Kräuterhändler ausfindig, der ihnen mit einem Augenzwinkern den Inhalt der Regale des Alchimielabors unter der verfallenen Herberge abkaufte. Die Gruppe verlief sich dann auf dem Markt bevor sie sich wieder sammelte und, als die Mittgassonne den höchsten Punkt erreichte, vor einem gepflegten Haus am nördlichen Ortausgang stand...
Die Sonne stieg früh über die Hügel, und mit ihr erwachte Varnheim zu einem jener seltenen Tage, an denen alles leicht schien. Schon vom Fenster der „Rorlifs bescheidenen Hütte“ aus konnte man den Klang der Marktglocke hören, das Rufen der Händler, das Klappern von Eimern und Wagenrädern. Der Platz vor dem Travia-Tempel füllte sich mit Farben: Tücher, Obst, Fässer, Getier, Stimmen.
Althea trat hinaus, den Stab locker in der Hand, das Haar zu einem schlichten Zopf gebunden. Der Wind roch nach Brot, nach Fisch und frischem Heu. Die Zwerge waren bereits unterwegs – man hörte Furkas Lachen irgendwo zwischen den Ständen, wo er mit einem Bäcker um den Preis eines Laibes stritt, während Keldi skeptisch an einem Paar Lederschuhe zog, als wollte er prüfen, ob sie ehrliche Arbeit waren.
Am Rand des Marktes stand der Wagen eines fahrenden Kräuterhändlers – ein älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht, ein blaugrüner Mantel über den Schultern, die Hände ruhig, aber wach. Seine Waren lagen in offenen Holzkisten: getrocknete Wurzeln, Glasphiolen, Pulver in Leinensäcken, Balsam in kleinen, verschlossenen Dosen.
Als Althea nähertrat, musterte er sie, die Zwerge, dann den Beutel, den Archon trug.
„Ihr seht aus, als hättet ihr was Echtes dabei.“
Althea lächelte nur, legte eine kleine, bernsteinfarbene Phiole in seine Hand.
Er hielt sie gegen das Licht, drehte sie langsam, und in der Flüssigkeit tanzten goldene Partikel. Ein leises Pfeifen.
„Das ist keine Wurzelbrühe aus dem Süden... Das ist Destillat. Echtes, konzentriertes Harz.“
Er griff unter den Tisch, zog eine Ledertasche hervor und begann zu zählen.
„Ich sag’s euch ehrlich: Ihr wisst, was ihr da habt? Das verkauft ihr in Thorwal für die Hälfte. Ich geb euch fairen Preis.“
Furka verschränkte die Arme. „Was heißt bei euch fair?“
Der Händler grinste. „So fair, dass ihr mich in Erinnerung behaltet.“
Als sie eine halbe Stunde später weiterzogen, war der Beutel mit Münzen doppelt so schwer, wie sie erwartet hatten. Archon prüfte noch einmal misstrauisch das Siegel der letzten Rolle, aber alles war echt.
„Glück,“ meinte er knapp.
„Nein,“ widersprach Althea. „Timing.“
Sie blieben noch eine Weile auf dem Markt. Hurdin reparierte an einem Stand eine lose Schließe an seiner Rüstung, Keldi feilschte um Bolzenköpfe. Tondar verschwand in der Menge und kam mit einem Stück geräuchertem Lachs zurück, den er wie eine Trophäe präsentierte.
Gegen Mittag, als die Sonne den Platz in flüssiges Gold tauchte, zogen sie sich langsam zurück.
Der Travia-Tempel läutete zur Andacht, Kinder liefen zwischen den Ständen, und der Wind trug den Geruch von Gebackenem herüber.
Furka schob sich die Mütze in den Nacken.
„Wenn’s nach mir ginge, blieben wir hier ein paar Wochen.“
Althea sah ihn an, lächelte, aber ihr Blick blieb auf dem Nordtor hängen – dort, wo zwischen zwei alten Linden ein schmales Haus stand, über dessen Tür ein schlichtes Schild hing.
„Nur ein paar Tage,“ sagte sie leise. „Dann müssen wir weiter.“
Das Haus von Eliane Windenbek lag ruhig am Nordtor, ein gepflegter Garten davor, in dem der Wind durch hoch gewachsene Kräuter strich. Blauschwarze Haare, ein kluger, wacher Blick, ein leicht ironisches Lächeln – das war das Erste, was Althea auffiel, als Eliane die Tür öffnete.
„Ihr seid also jene Abenteurer, von denen man mir berichtet hat,“ sagte sie mit angenehmer Stimme. „Kommt – ich habe Wein geöffnet. Der Tag ist zu schön für Stehen.“
Sie führte die Gruppe durch einen langen Flur in einen offenen Raum an der Rückseite des Hauses. Dort stand ein runder Tisch, darauf eine Karaffe und mehrere Becher. Hinter den weit geöffneten Fenstern lag ein kleiner Hof mit Weinreben und einer alten Steinbank.
Eliane schenkte den Wein ein, setzte sich und musterte die Gäste. „Ihr interessiert euch also für Hyggelik?“
„Wir folgen seiner Spur seit Monaten,“ erwiderte Althea.
Eliane nickte, leicht beeindruckt. „Ich habe die Chroniken des Hetmanns von Prem studiert, einige Briefe, Berichte der Beilunker Reiter. Die meisten davon voller Fehler, versteht sich.“ Sie lächelte flüchtig. „Doch einer der Namen, auf die ich stieß, taucht immer wieder auf: Alrik Derondan, aus Phexcaer. Seine Karte…“ – sie erhob sich, ging zu einem Schrank, zog eine sorgfältig verschnürte Rolle hervor – „…diese hier.“
Das Siegel trug ein verblasstes Wappen, und Althea erkannte sofort die feinen Linien, die Art, wie Küsten und Wege eingezeichnet waren.
„Ihr habt sie gekauft?“
„Erstanden. Von Alrik Derondan in Phexcaer.“ Eliane legte die Hand darauf. „Ich gebe sie nicht leichtfertig her.“
Curian hob die Brauen, sein Ton war ruhig, aber fest. „Und was verlangt ihr dafür?“
Eliane zögerte einen Moment. Dann, sachlich:
„Im Norden, auf der Insel Hjalland, steht ein alter Tempel. Einst geweiht, dann entweiht. Dort beten sie jetzt im Schatten. Wenn ihr wollt, dass diese Karte euren Weg weist – dann sorgt dafür, dass dort kein Gebet mehr gesprochen wird.“
Ein Windstoß trug den Duft von Wein und Salz herein. Niemand sagte etwas.
Archon sah kurz auf, Keldi räusperte sich. Althea lehnte sich langsam zurück.
Nur Curian saß still, die Hände verschränkt, den Blick auf den Becher gerichtet.
Eliane fuhr ruhig fort: „Ich verlange keinen Beweis, keinen Bericht. Aber wenn ihr zurückkehrt – bringt mir ein Stück des Altars. Das genügt.“
Curian erhob sich, legte den Becher ab. Kein Wort, kein Widerspruch. Nur ein Nicken. Dann trat er an die offene Tür, sah hinaus in den Hof.
Als sie sich verabschiedeten, war seine Stimme kaum mehr als ein Schatten. „Ich danke euch für den Wein.“
Rückweg
Die Sonne stand schon tief, als sie den Marktplatz erreichten. Die Zwerge blieben stehen – der Duft nach Fleisch und Bier lockte.
„Ein Krug, ein Stück Braten – und dann sehen wir weiter,“ meinte Furka.
Curian nickte nur flüchtig. „Tut das. Ich… brauche Ruhe.“
Er wandte sich ab, ging die Straße hinauf zur Herberge.
Althea zögerte, dann folgte sie ihm. Als sie eintrat, saß er schon an einem der Fenster, den Mantel über die Lehne gehängt, der Blick hinaus auf die Dächer.
„Ihr entschuldigt,“ sagte er leise. „Ich bin müde. Es war ein langer Tag.“
Er lächelte, aber das Lächeln war leer. Dann schloss sich die Tür hinter ihm.
Abend
Althea blieb unten in der Gaststube, die Finger um einen Becher Tee gelegt, doch die Gedanken schweiften immer wieder ab.
Sie versuchte, ihre Aufzeichnungen durchzugehen, doch die Zeilen verschwammen. Jedes Mal, wenn sie die Feder ansetzte, sah sie wieder Elianes Blick – und Curians Schweigen.
Als draußen die Sonne versank, legte sie schließlich die Feder beiseite, stand auf und ging den Flur hinunter. Das Holz unter ihren Schritten knarrte. Vor Curians Tür hielt sie kurz inne, dann klopfte sie an.
„Ja?“
Seine Stimme, ruhig, müde.
Sie trat ein. Das Zimmer war halbdunkel, der Schein der untergehenden Sonne fiel durch das Fenster. Curian saß auf der Bettkante, noch in Reisegewand, den Stab neben sich.
Ein Moment Stille.
„Du sagst nichts dazu,“ begann sie leise.
„Was soll ich sagen?“ Er sah sie an, das Gesicht im Schatten. „Ein Tempel des Namenlosen, Althea. Ich bin doch nicht verrückt.“
Er lächelte – trocken, ohne Humor.
„Ich will helfen,“ sagte sie. „Ich will etwas beenden, was zu lange gewachsen ist.“
„Du willst glauben,“ erwiderte er. „Und das ist dein gutes Recht. Aber ich habe gelernt, dass Glauben kein Schutz ist.“
Althea verschränkte die Arme. „Und Vorsicht ist kein Leben.“
Curian sah sie lange an. Dann: „Du bist jung. Und das ist schön. Aber das hier – das ist nicht Kunchom. Das ist Hjalland.“
Ein Moment stiller Atem.
Dann stand sie auf, nickte, ging zur Tür.
„Vielleicht,“ sagte sie, „ist das der Unterschied zwischen uns.“
Sie ging.
Draußen hörte man das Lachen der Zwerge, das Klirren von Geschirr, den Duft nach Bier und Fleisch.
Und im Zimmer blieb Curian allein, das Gesicht im letzten Licht, das über die Dächer von Varnheim fiel.
Der nächste Tag verlief ruhig.
Ein milder Wind trug den Geruch von Tau und frischem Brot durch die offenen Fenster der Herberge. Auf dem Hof schlug jemand Feuerholz, und irgendwo in der Ferne läutete eine Tempelglocke – das Leben in Varnheim nahm seinen gewohnten Lauf, während die Gruppe in einem jener unscheinbaren Zwischenkapitel verweilte, die man später kaum erinnert, die aber still alles verändern.
Die Zwerge verbrachten den Vormittag damit, ihre Ausrüstung zu ordnen. Auf den Tischen in der Stube lagen Waffen, Gürtelschnallen, Lederriemen, Phiolen, Rüstungsteile, die poliert oder genäht wurden. Furka hatte sich mit Hurdin in eine halblaute Diskussion über Klingenbreiten verstrickt, während Tondar draußen Bolzen prüfte und Keldi die Lederriemen seiner Panzerung nachzog. Es war eine dieser stillen, arbeitsamen Stimmungen, in denen sich Zwerge am lebendigsten fühlen.
Archon saß etwas abseits, die Sichel über den Knien, und polierte die goldene Klinge mit einem Tuch, das immer wieder in einem Gemisch aus Öl und Asche getränkt wurde. In der Sonne glomm die Schneide wie warmes Licht.
Althea schrieb eine Weile, ohne recht zu wissen, was. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab – zu Eliane, zur Karte, und vor allem zu Curian.
Er hatte sich in den hinteren Teil der Herberge zurückgezogen, wo das Licht durch grüne Glasscheiben fiel. Als sie ihn dort fand, stand er an einem Tisch, eine Landkarte ausgebreitet, das Gesicht ernst und gedanklich weit fort.
„Wenn du sie oft genug ansiehst, ändert sie vielleicht ihren Inhalt“, sagte Althea leise und trat näher.
Curian blickte auf, ein flüchtiges Lächeln. „Manchmal hilft es, die Grenzen zu verstehen, bevor man sie überschreitet.“
Sie lehnte sich an den Türrahmen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Und wenn die Grenze nicht das Problem ist, sondern das, was dahinter liegt?“
Er faltete die Karte sorgsam zusammen. „Dann gehst du nicht hin.“
„Du würdest also gar nichts mehr wagen? Keine alten Schreine, keine Kartenfragmente, keine Geheimnisse mehr?“
„Ich würde unterscheiden zwischen Neugier und Größenwahn.“
„Größenwahn?“ – Sie lachte leise, aber da war ein Schatten darin. „Ich nenne es Verantwortung.“
„Du nennst es Verantwortung, weil du glaubst, dass du die Wahl hast.“ Er trat ans Fenster. „Aber der Tempel, von dem sie sprach… das ist kein Ort für Wahl. Das ist ein Ort, der frisst. Wer dort hingeht, kommt nicht mit Geschichten zurück, sondern mit Narben, die keiner sehen will.“
„Und du?“ fragte sie. „Wie viele Narben hast du?“
Er schwieg. Lange.
Dann wandte er sich um. „Genug, um zu wissen, wann Mut und Leichtsinn dasselbe Gewand tragen.“
Sie trat einen Schritt näher. „Und genug, um zu wissen, dass es manchmal jemand braucht, der beides trotzdem anzieht.“
Einen Moment hielten ihre Blicke. Kein Streit, keine Wut – nur dieses stille Ringen zwischen zwei Weltbildern, die sich längst ineinander verhakt hatten.
„Ich weiß, was du siehst, Althea,“ sagte Curian schließlich leise. „Und ich beneide dich fast darum. Aber ich kann nicht glauben wie du. Nicht mehr.“
„Dann glaub an mich.“
Das Lächeln, das über sein Gesicht huschte, war schwach, aber echt. „Vielleicht tu ich das ja schon. Und genau das macht es schlimmer.“
Draußen rief Furka nach ihr, irgendetwas wegen einer losen Gürtelschnalle. Sie nickte nur und ging, ließ ihn zurück im Halbschatten.
Der Nachmittag verging still. Die Gruppe überprüfte die Vorräte, teilte Beutel um, füllte Wasserschläuche und sortierte den Proviant. Nur manchmal, wenn Althea zufällig zu Curian sah, bemerkte sie den nachdenklichen Zug um seinen Mund, die Art, wie er den Griff seines Stabes prüfte – als wolle er sich vergewissern, dass er ihn bald wieder loslassen könnte.
Am Abend saßen sie alle noch einmal gemeinsam im Gastraum. Es wurde wenig gesprochen. Furka versuchte eine Geschichte über den Markt von Ljasdahl, Keldi kommentierte trocken, dass selbst dort das Bier besser gewesen sei. Doch die Stimmung war gedämpft, wie kurz vor einem Wetterumschwung.
Als Althea später in ihrem Zimmer die Kerze löschte, hörte sie durch die dünnen Wände, wie jemand im Nachbarzimmer leise auf und ab ging. Kein Zweifel, wer.
Am nächsten Morgen verließen sie Varnheim Richtung Vaermhag.
(Versatzstücke)
Die Gruppe hat die Verfallene Herberge bezwungen, hat einige Stunden gerastet und sich dann weiter auf den Weg nach Daspota gemacht, wo sie bei Einbruch der Nacht eintrifft. Es ist anders als bei ihrer ersten Durchreise, noch vor einem Jahr. Ihre Vorsicht ist einem Selbstbewusstsein gewichen, dass sie dazu bringt, im Ort nach einer Unterkunft für die Nacht suchen zu wollen. Sie begeben sich die langsam, zu fortgeschrittener Stunde belebtere Hauptstraße hinunter. Im Ortskern - zur rechten der Hafen, zur linken eine Straße, die zu einem Anwesen, das auf einem Hügel über der Stadt thront, beschließen sie sich durchzufragen und betreten den Laden eines Tatöwierers. Hier zeigt sich, dass Daspota eben anders ist als andere Orte, und ein kurzer Austausch von Worten endet mit einem Austausch von Schlägen - nicht der Ort, wo man bleibt, aber sie schaffen es, mit einem Gutteil der sichergestellten Beute, aus dem Ort, nach Süden...
Sie rasten am Ende des Waldgebietes, durch das der Karrenpfad Richtung Varnheim führt, sorgsam im Unterholz, mit scharfen Zwergenaugen, die in die Nacht hinter ihnen hinausspähen...
Die Nacht über Daspota lag wie ein schweres Tuch. Hinter ihnen brannte die Stadt im diffusen Licht der Laternen – nicht in Flammen, aber in Unruhe. Kein Ort für Bleiben, kein Ort für Schlaf.
Die Zwerge bewegten sich schweigend, Althea an der Spitze, das Haar im Wind, der Stab in der Hand, noch schwach vom Kampf, aber innerlich klar.
Der Weg nach Süden – ein Karrenpfad, kaum mehr als ein Schatten zwischen den Bäumen. Zu beiden Seiten Dunkelheit, nur das Rascheln der Nadeln über ihnen, das rhythmische Knirschen der Schritte im Boden.
Am Rand des Waldes schlugen sie das Lager auf. Kein Feuer. Nur kalte Rationen, das Flüstern der See weit hinter ihnen.
Keldi und Tondar sicherten den Hang, Hurdin legte Steine um die schlafenden Gefährten, wie eine wortlose Mauer.
Archon notierte im Dämmerlicht Zeilen auf ein zerknittertes Blatt, während Furka mit leerem Blick den Himmel absuchte, als suchte er dort etwas, das er nicht benennen konnte.
Und Althea – sie saß am Rand, der Stab auf den Knien, das Gesicht von Mondlicht gezeichnet. Ihr Blick ging nach Süden, wo der Pfad sich verlor.
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Nach einer ereignislosen Nacht waren sie auf dem Karrenpfad nach Süden unterwegs unterwegs. Der Pfad zwischen Varnheim und Daspota war von besserer Beschaffenheit als der von Ottarje - aber irgendwo müssen die Piraten ja ihre Beute loswerden, dachte Althea grimmig...
Am Nachmittag erreichten sie Varnheim, das kleine Städtchen, das diesseitig der Hjaldorberge das nördliche Ende der 'Zivilisation* darstellte. Sie begaben sich zum großen Platz mit dem Travia Tempel und bezogen Zimmer in der "Rorlifs bescheidener Hütte", die sich nicht viel mit der "Herberge Varnheim" am Hafen nahm, wie sie wussten. Über einem späten Mittagessen beschlossen sie hier zwei, vielleicht drei Tage zu bleiben. Die Strapazen der Nordküste des Golfs von Prem lagen hinter ihnen.
Althea, Curian, Archon und Hurdin begaben sich dann hinüber zu einem beschaulichen Abend in den "Pelikan", während Furka, Keldi und Tondar des etwas lebhaftere "Schwert und Schiff" vorzogen. Althea und Curian kamen im Lauf des Abends ins Gespräch mit einigen Varnheimer Bürgern und wurde auf eine Gelehrte namens "Eliane Windenbek" hingewiesen, die am Nordtor wohnen würde. Es war bereits dunkel, als sie sich zurück auf den Weg über den stillen Platz zu ihrer Herberge machten. Furka, Keldi und Tondar kamen kurz vor Mitternacht beschwingten Schritts zurück, wobei Furka pfeifend einen Geldbeutel in der Hand jonglierte...
Nach einer guten Nacht traten sie am nächsten Morgen hinaus auf einen belebten Markt, der sich bis hinter den Travia Tempel erstreckte. Althea machte eben jenen fahrenden Kräuterhändler ausfindig, der ihnen mit einem Augenzwinkern den Inhalt der Regale des Alchimielabors unter der verfallenen Herberge abkaufte. Die Gruppe verlief sich dann auf dem Markt bevor sie sich wieder sammelte und, als die Mittgassonne den höchsten Punkt erreichte, vor einem gepflegten Haus am nördlichen Ortausgang stand...
Die Sonne stieg früh über die Hügel, und mit ihr erwachte Varnheim zu einem jener seltenen Tage, an denen alles leicht schien. Schon vom Fenster der „Rorlifs bescheidenen Hütte“ aus konnte man den Klang der Marktglocke hören, das Rufen der Händler, das Klappern von Eimern und Wagenrädern. Der Platz vor dem Travia-Tempel füllte sich mit Farben: Tücher, Obst, Fässer, Getier, Stimmen.
Althea trat hinaus, den Stab locker in der Hand, das Haar zu einem schlichten Zopf gebunden. Der Wind roch nach Brot, nach Fisch und frischem Heu. Die Zwerge waren bereits unterwegs – man hörte Furkas Lachen irgendwo zwischen den Ständen, wo er mit einem Bäcker um den Preis eines Laibes stritt, während Keldi skeptisch an einem Paar Lederschuhe zog, als wollte er prüfen, ob sie ehrliche Arbeit waren.
Am Rand des Marktes stand der Wagen eines fahrenden Kräuterhändlers – ein älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht, ein blaugrüner Mantel über den Schultern, die Hände ruhig, aber wach. Seine Waren lagen in offenen Holzkisten: getrocknete Wurzeln, Glasphiolen, Pulver in Leinensäcken, Balsam in kleinen, verschlossenen Dosen.
Als Althea nähertrat, musterte er sie, die Zwerge, dann den Beutel, den Archon trug.
„Ihr seht aus, als hättet ihr was Echtes dabei.“
Althea lächelte nur, legte eine kleine, bernsteinfarbene Phiole in seine Hand.
Er hielt sie gegen das Licht, drehte sie langsam, und in der Flüssigkeit tanzten goldene Partikel. Ein leises Pfeifen.
„Das ist keine Wurzelbrühe aus dem Süden... Das ist Destillat. Echtes, konzentriertes Harz.“
Er griff unter den Tisch, zog eine Ledertasche hervor und begann zu zählen.
„Ich sag’s euch ehrlich: Ihr wisst, was ihr da habt? Das verkauft ihr in Thorwal für die Hälfte. Ich geb euch fairen Preis.“
Furka verschränkte die Arme. „Was heißt bei euch fair?“
Der Händler grinste. „So fair, dass ihr mich in Erinnerung behaltet.“
Als sie eine halbe Stunde später weiterzogen, war der Beutel mit Münzen doppelt so schwer, wie sie erwartet hatten. Archon prüfte noch einmal misstrauisch das Siegel der letzten Rolle, aber alles war echt.
„Glück,“ meinte er knapp.
„Nein,“ widersprach Althea. „Timing.“
Sie blieben noch eine Weile auf dem Markt. Hurdin reparierte an einem Stand eine lose Schließe an seiner Rüstung, Keldi feilschte um Bolzenköpfe. Tondar verschwand in der Menge und kam mit einem Stück geräuchertem Lachs zurück, den er wie eine Trophäe präsentierte.
Gegen Mittag, als die Sonne den Platz in flüssiges Gold tauchte, zogen sie sich langsam zurück.
Der Travia-Tempel läutete zur Andacht, Kinder liefen zwischen den Ständen, und der Wind trug den Geruch von Gebackenem herüber.
Furka schob sich die Mütze in den Nacken.
„Wenn’s nach mir ginge, blieben wir hier ein paar Wochen.“
Althea sah ihn an, lächelte, aber ihr Blick blieb auf dem Nordtor hängen – dort, wo zwischen zwei alten Linden ein schmales Haus stand, über dessen Tür ein schlichtes Schild hing.
„Nur ein paar Tage,“ sagte sie leise. „Dann müssen wir weiter.“
Das Haus von Eliane Windenbek lag ruhig am Nordtor, ein gepflegter Garten davor, in dem der Wind durch hoch gewachsene Kräuter strich. Blauschwarze Haare, ein kluger, wacher Blick, ein leicht ironisches Lächeln – das war das Erste, was Althea auffiel, als Eliane die Tür öffnete.
„Ihr seid also jene Abenteurer, von denen man mir berichtet hat,“ sagte sie mit angenehmer Stimme. „Kommt – ich habe Wein geöffnet. Der Tag ist zu schön für Stehen.“
Sie führte die Gruppe durch einen langen Flur in einen offenen Raum an der Rückseite des Hauses. Dort stand ein runder Tisch, darauf eine Karaffe und mehrere Becher. Hinter den weit geöffneten Fenstern lag ein kleiner Hof mit Weinreben und einer alten Steinbank.
Eliane schenkte den Wein ein, setzte sich und musterte die Gäste. „Ihr interessiert euch also für Hyggelik?“
„Wir folgen seiner Spur seit Monaten,“ erwiderte Althea.
Eliane nickte, leicht beeindruckt. „Ich habe die Chroniken des Hetmanns von Prem studiert, einige Briefe, Berichte der Beilunker Reiter. Die meisten davon voller Fehler, versteht sich.“ Sie lächelte flüchtig. „Doch einer der Namen, auf die ich stieß, taucht immer wieder auf: Alrik Derondan, aus Phexcaer. Seine Karte…“ – sie erhob sich, ging zu einem Schrank, zog eine sorgfältig verschnürte Rolle hervor – „…diese hier.“
Das Siegel trug ein verblasstes Wappen, und Althea erkannte sofort die feinen Linien, die Art, wie Küsten und Wege eingezeichnet waren.
„Ihr habt sie gekauft?“
„Erstanden. Von Alrik Derondan in Phexcaer.“ Eliane legte die Hand darauf. „Ich gebe sie nicht leichtfertig her.“
Curian hob die Brauen, sein Ton war ruhig, aber fest. „Und was verlangt ihr dafür?“
Eliane zögerte einen Moment. Dann, sachlich:
„Im Norden, auf der Insel Hjalland, steht ein alter Tempel. Einst geweiht, dann entweiht. Dort beten sie jetzt im Schatten. Wenn ihr wollt, dass diese Karte euren Weg weist – dann sorgt dafür, dass dort kein Gebet mehr gesprochen wird.“
Ein Windstoß trug den Duft von Wein und Salz herein. Niemand sagte etwas.
Archon sah kurz auf, Keldi räusperte sich. Althea lehnte sich langsam zurück.
Nur Curian saß still, die Hände verschränkt, den Blick auf den Becher gerichtet.
Eliane fuhr ruhig fort: „Ich verlange keinen Beweis, keinen Bericht. Aber wenn ihr zurückkehrt – bringt mir ein Stück des Altars. Das genügt.“
Curian erhob sich, legte den Becher ab. Kein Wort, kein Widerspruch. Nur ein Nicken. Dann trat er an die offene Tür, sah hinaus in den Hof.
Als sie sich verabschiedeten, war seine Stimme kaum mehr als ein Schatten. „Ich danke euch für den Wein.“
Rückweg
Die Sonne stand schon tief, als sie den Marktplatz erreichten. Die Zwerge blieben stehen – der Duft nach Fleisch und Bier lockte.
„Ein Krug, ein Stück Braten – und dann sehen wir weiter,“ meinte Furka.
Curian nickte nur flüchtig. „Tut das. Ich… brauche Ruhe.“
Er wandte sich ab, ging die Straße hinauf zur Herberge.
Althea zögerte, dann folgte sie ihm. Als sie eintrat, saß er schon an einem der Fenster, den Mantel über die Lehne gehängt, der Blick hinaus auf die Dächer.
„Ihr entschuldigt,“ sagte er leise. „Ich bin müde. Es war ein langer Tag.“
Er lächelte, aber das Lächeln war leer. Dann schloss sich die Tür hinter ihm.
Abend
Althea blieb unten in der Gaststube, die Finger um einen Becher Tee gelegt, doch die Gedanken schweiften immer wieder ab.
Sie versuchte, ihre Aufzeichnungen durchzugehen, doch die Zeilen verschwammen. Jedes Mal, wenn sie die Feder ansetzte, sah sie wieder Elianes Blick – und Curians Schweigen.
Als draußen die Sonne versank, legte sie schließlich die Feder beiseite, stand auf und ging den Flur hinunter. Das Holz unter ihren Schritten knarrte. Vor Curians Tür hielt sie kurz inne, dann klopfte sie an.
„Ja?“
Seine Stimme, ruhig, müde.
Sie trat ein. Das Zimmer war halbdunkel, der Schein der untergehenden Sonne fiel durch das Fenster. Curian saß auf der Bettkante, noch in Reisegewand, den Stab neben sich.
Ein Moment Stille.
„Du sagst nichts dazu,“ begann sie leise.
„Was soll ich sagen?“ Er sah sie an, das Gesicht im Schatten. „Ein Tempel des Namenlosen, Althea. Ich bin doch nicht verrückt.“
Er lächelte – trocken, ohne Humor.
„Ich will helfen,“ sagte sie. „Ich will etwas beenden, was zu lange gewachsen ist.“
„Du willst glauben,“ erwiderte er. „Und das ist dein gutes Recht. Aber ich habe gelernt, dass Glauben kein Schutz ist.“
Althea verschränkte die Arme. „Und Vorsicht ist kein Leben.“
Curian sah sie lange an. Dann: „Du bist jung. Und das ist schön. Aber das hier – das ist nicht Kunchom. Das ist Hjalland.“
Ein Moment stiller Atem.
Dann stand sie auf, nickte, ging zur Tür.
„Vielleicht,“ sagte sie, „ist das der Unterschied zwischen uns.“
Sie ging.
Draußen hörte man das Lachen der Zwerge, das Klirren von Geschirr, den Duft nach Bier und Fleisch.
Und im Zimmer blieb Curian allein, das Gesicht im letzten Licht, das über die Dächer von Varnheim fiel.
Der nächste Tag verlief ruhig.
Ein milder Wind trug den Geruch von Tau und frischem Brot durch die offenen Fenster der Herberge. Auf dem Hof schlug jemand Feuerholz, und irgendwo in der Ferne läutete eine Tempelglocke – das Leben in Varnheim nahm seinen gewohnten Lauf, während die Gruppe in einem jener unscheinbaren Zwischenkapitel verweilte, die man später kaum erinnert, die aber still alles verändern.
Die Zwerge verbrachten den Vormittag damit, ihre Ausrüstung zu ordnen. Auf den Tischen in der Stube lagen Waffen, Gürtelschnallen, Lederriemen, Phiolen, Rüstungsteile, die poliert oder genäht wurden. Furka hatte sich mit Hurdin in eine halblaute Diskussion über Klingenbreiten verstrickt, während Tondar draußen Bolzen prüfte und Keldi die Lederriemen seiner Panzerung nachzog. Es war eine dieser stillen, arbeitsamen Stimmungen, in denen sich Zwerge am lebendigsten fühlen.
Archon saß etwas abseits, die Sichel über den Knien, und polierte die goldene Klinge mit einem Tuch, das immer wieder in einem Gemisch aus Öl und Asche getränkt wurde. In der Sonne glomm die Schneide wie warmes Licht.
Althea schrieb eine Weile, ohne recht zu wissen, was. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab – zu Eliane, zur Karte, und vor allem zu Curian.
Er hatte sich in den hinteren Teil der Herberge zurückgezogen, wo das Licht durch grüne Glasscheiben fiel. Als sie ihn dort fand, stand er an einem Tisch, eine Landkarte ausgebreitet, das Gesicht ernst und gedanklich weit fort.
„Wenn du sie oft genug ansiehst, ändert sie vielleicht ihren Inhalt“, sagte Althea leise und trat näher.
Curian blickte auf, ein flüchtiges Lächeln. „Manchmal hilft es, die Grenzen zu verstehen, bevor man sie überschreitet.“
Sie lehnte sich an den Türrahmen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Und wenn die Grenze nicht das Problem ist, sondern das, was dahinter liegt?“
Er faltete die Karte sorgsam zusammen. „Dann gehst du nicht hin.“
„Du würdest also gar nichts mehr wagen? Keine alten Schreine, keine Kartenfragmente, keine Geheimnisse mehr?“
„Ich würde unterscheiden zwischen Neugier und Größenwahn.“
„Größenwahn?“ – Sie lachte leise, aber da war ein Schatten darin. „Ich nenne es Verantwortung.“
„Du nennst es Verantwortung, weil du glaubst, dass du die Wahl hast.“ Er trat ans Fenster. „Aber der Tempel, von dem sie sprach… das ist kein Ort für Wahl. Das ist ein Ort, der frisst. Wer dort hingeht, kommt nicht mit Geschichten zurück, sondern mit Narben, die keiner sehen will.“
„Und du?“ fragte sie. „Wie viele Narben hast du?“
Er schwieg. Lange.
Dann wandte er sich um. „Genug, um zu wissen, wann Mut und Leichtsinn dasselbe Gewand tragen.“
Sie trat einen Schritt näher. „Und genug, um zu wissen, dass es manchmal jemand braucht, der beides trotzdem anzieht.“
Einen Moment hielten ihre Blicke. Kein Streit, keine Wut – nur dieses stille Ringen zwischen zwei Weltbildern, die sich längst ineinander verhakt hatten.
„Ich weiß, was du siehst, Althea,“ sagte Curian schließlich leise. „Und ich beneide dich fast darum. Aber ich kann nicht glauben wie du. Nicht mehr.“
„Dann glaub an mich.“
Das Lächeln, das über sein Gesicht huschte, war schwach, aber echt. „Vielleicht tu ich das ja schon. Und genau das macht es schlimmer.“
Draußen rief Furka nach ihr, irgendetwas wegen einer losen Gürtelschnalle. Sie nickte nur und ging, ließ ihn zurück im Halbschatten.
Der Nachmittag verging still. Die Gruppe überprüfte die Vorräte, teilte Beutel um, füllte Wasserschläuche und sortierte den Proviant. Nur manchmal, wenn Althea zufällig zu Curian sah, bemerkte sie den nachdenklichen Zug um seinen Mund, die Art, wie er den Griff seines Stabes prüfte – als wolle er sich vergewissern, dass er ihn bald wieder loslassen könnte.
Am Abend saßen sie alle noch einmal gemeinsam im Gastraum. Es wurde wenig gesprochen. Furka versuchte eine Geschichte über den Markt von Ljasdahl, Keldi kommentierte trocken, dass selbst dort das Bier besser gewesen sei. Doch die Stimmung war gedämpft, wie kurz vor einem Wetterumschwung.
Als Althea später in ihrem Zimmer die Kerze löschte, hörte sie durch die dünnen Wände, wie jemand im Nachbarzimmer leise auf und ab ging. Kein Zweifel, wer.
Am nächsten Morgen verließen sie Varnheim Richtung Vaermhag.

