05.10.2025, 09:22
Unterwegs mit Zwergen #58
(Versatzstücke)
Die Anschlusspassage dauert weitere 33 Stunden, und als sie in Overthorn von Land gingen, gingen die Zwerge im Seemannsgang voran. Drei weitere Tage auf See, fast zwei Wochen, nachdem sie aus Prem aufgebrochen waren und sie hatten den nördlichsten Ort der Westküste erreicht.
Es war etwa zwei Monate her, dass sie hier schon einmal durchgekommen waren und sie kehrten zuerst im "Admiral" ein, um sich die Gischt von den Lippen zu spülen... Dann zerstreuten sie sich in der Stadt, begaben sich nach und nach die Häuserzeile zur Klippe hinauf, von der man diesen atemberaubenden Blick auf das Meer und das Umland hatte, und trafen sich, gerade als der Tag sich neigte, in der Taverne Alriks, die sie beim letzten Mal nicht besucht hatten...
Der schwere Kutter stampfte behäbig durch die letzten Wellen, als die Hafenmole von Overthorn in Sicht kam. Dreiunddreißig Stunden war die See unter ihnen gewesen, und nun gingen die Zwerge mit eshalb selbst behauptenfestem Seemannsgang von Bord, als wären sie selbst Teil der Mannschaft gewesen. Fast zwei Wochen war es her, dass sie Prem verlassen hatten – und nun standen sie am nördlichsten Punkt der Westküste.
Die Stadt wirkte vertraut und fremd zugleich. Etwa zwei Monate waren vergangen, seit sie hier zum ersten Mal durchgekommen waren, und vieles hatte sich nicht verändert: der Wind, das Salz in der Luft, das Rufen der Möwen. Zuerst zog es sie in den „Admiral“, wo sie bei einem ersten Bier die Gischt von den Lippen spülten. Furka kommentierte trocken, dass das Bier nicht besser geworden sei – worauf Keldi nur grunzte.
Danach zerstreuten sie sich in der Stadt. Manche sahen bei Händlern vorbei, andere ließen sich treiben, die Straßen hinauf bis zur Klippe. Von dort oben bot sich wieder dieser Blick, der kaum Worte brauchte: das Meer, endlos und gewaltig, und das Land, das sich in Wellen aus Grün und Grau verlor.
Gerade als die Sonne tiefer sank und die Dächer in rötliches Licht tauchte, fanden sie sich wieder zusammen – diesmal nicht im „Admiral“, sondern in der Taverne „Alriks“. Ein Ort, den sie beim letzten Mal gemieden hatten, und dessen Tür nun für sie aufschwang wie ein Versprechen auf Geschichten, Wärme und vielleicht ein neues Kapitel.
Sie betraten das "Alriks", die Taverne ist nicht schlecht besucht. Nach einem gemeinsamen Essen verabschiedet Furka sich hinüber zu einem Tisch in der MItte, an dem man die Würfel klappern hört. Die anderen Zwerge blickten nicht einmal hinterher und Althea lehnte sich entspannt zurück gegen einen Holzbalken des Fachwerks. Man hörte gelegentliches Brummeln von der Mitte aus, aber nichts besorgniserregendes. So verging einige Zeit... "Euer Schützling sollte darauf achten, nicht zu viel zu gewinnen, raunte es plötzlich leise neben Althea!, sie drehte den Kopf, ein Mann , dessen Roben ihn unmissverständlich als wandernden Magier auswiesen, war näher gerückt. Er hob seinen Kelch, in dem es rubinrot schimmerte, und schaute dann sinnierend in den Wein. Der Mann war mittleren Alters, mit grauen Strähnen im schwarzen Haar, einem braungebrannten Gesicht und Händen, die bezeugten, dass er eher auf der Straße unterwegs gewesen, denn in der Studierstube gesessen hatte...
Althea hob eine Braue, der fremde Magier neben ihr hatte eine Stimme wie aus rauem Samt. „Er weiß, was er tut“, erwiderte sie, doch es klang weniger bestimmt, als sie es gedacht hatte.
Curian lächelte, aber ohne Wärme. „Das habe ich über viele gesagt, Mädchen. Manche tun es – manche denken es nur.“ Er drehte den Kelch in der Hand, als würde er darin mehr sehen als nur Wein. „Manchmal ist der Unterschied ein Messer an der Kehle.“
Althea schwieg einen Moment, ehe sie sich aufrichtete. „Und Ihr? Seid Ihr einer, der tut?“
„Früher“, meinte er knapp, und ein Schatten huschte über sein Gesicht. Dann wandte er sich ihr zu, die blauen Augen klar und nüchtern, trotz des Glases in seiner Hand. „Jetzt sehe ich eher zu, dass die, die noch Feuer im Herzen tragen, sich nicht selbst verbrennen.“
Er musterte sie offen, fast durchdringend. „Ihr seid jung. Zu jung für die Schwere, die Ihr euch aufladet. Aber das macht Euch gefährlich – und wertvoll.“
Althea wich seinem Blick nicht aus, legte den Kopf leicht zur Seite. „Und Ihr denkt, Ihr könnt mir sagen, wie ich mit dieser Last umzugehen habe?“
Curian schnaubte ein kurzes Lachen. „Sagen? Nein. Aber ich kann Euch zeigen, wie es aussieht, wenn man sie zu lange trägt. Vielleicht reicht das.“
Aus der Mitte der Taverne drang ein lauter Jubel – Furka hatte offenbar wieder eine Runde gewonnen. Die Zwerge an ihrem Tisch reagierten nicht, als hätten sie das Brummen und Scheppern ihres Gefährten längst ausgeblendet.
Curian aber hob nur sein Glas und nickte fast feierlich. „Und wenn Ihr es zulasst – begleite ich Euch ein Stück. Thorwal ist mein Ziel. Vielleicht lerne ich unterwegs wieder, warum Menschen wie Ihr die Welt nicht aufgeben.“
Althea erwiderte das Nicken. „Dann trinken wir darauf.“
Er füllte ihr den Kelch nach, ohne zu fragen. „Auf Thorwal. Und darauf, dass wir beide den Weg überleben.“
Es ist noch vor Mitternacht, als die Gruppe die Taverne verlässt. Die Zwerge voran, Althea und Ücurian folgend. Curian hat seine Ürobe zugezogen. Sein Stab klackt im Einklang mit dem Altheas auf der Straße. Es ist eine klare Sommernacht über ihnen spannt sich der Sternenhimmel. Die Sterne wirken sehr viel näher, hier oben auf dem Klippe. Bevor sie auf den Weg nach unten einbiegen, schaut Althea noch einmal hinauf. The stars are right, denkt sie...
Die Zwerge stapften vornweg, ihre Schatten kurz und kantig unter dem fahlen Schein der wenigen Laternen. Althea und Curian hielten einen ruhigeren Schritt. Sein Stab klackte im gleichen Rhythmus wie ihrer, fast so, als hätten sie unbemerkt Takt gefunden.
Die Nacht war klar, das Meer rauschte weit unter ihnen. Über der Klippe spannte sich der Himmel, funkelnd, weit – und die Sterne wirkten näher, größer, als wollten sie herabsinken. Althea hob den Kopf, ließ den Blick schweifen. Einen Atemzug lang schien es ihr, als ergäben sie ein Muster. The stars are right, dachte sie, und ihr wurde kalt und warm zugleich.
Curian folgte ihrem Blick, doch sagte nichts. Er zog die Robe enger um die Schultern, der Weinbecher längst gegen den Stab getauscht. Sein Schweigen wirkte nicht abweisend, eher wie das eines Mannes, der dieselben Fragen schon einmal gestellt hatte – und die Antworten nicht mehr suchte.
Die Zwerge bogen schon in die Straße hinunter Richtung Herberge, Stimmen gedämpft im Dunkel. Althea blieb einen Herzschlag länger stehen, als wollte sie den Himmel abspeichern. Dann ging sie weiter, der Stab im Takt mit dem ihren.
An diesem Abend fielen sie früh in die Betten Am nächsten Morgen, bei einem ausgiebigen Frühstück, besprachen sie ihre weitere Reise. Curians Ziel war Thorwal - man könne direkt von Manrin oder Hjalsingor eine Passage nach Prem bekommen, wenn man einen Hochseefahrer erwischte... "Hauptsache nicht wieder die Küste hinunter," sagte Keldi bestimmt - die Zwerge schienen abgesprochen... "Wie wäre es, wenn wir erst einmal einen Tag rasten", warf Althea beschwichtigend ein. "Ich muss sowieso meine Reiseutensilien ergänzen", stimmte Curian zu. Und so kam es, dass Althea und Archon Curian bei seine Besorgungen begleiteten und Keldi, Hurdin und Tonddar sich zum Waffenemporium hinüber begaben. Furka blieb in der Herberge, war aber als sie im Lauf des Nachmittags zurück jamen, verschwunden, und soll später in der Hafentaverne gesichtet worden sein...
Die Nacht war kurz, der Schlaf tief – wie er es nur nach langen Reisen zu sein vermochte. Am Morgen füllte der Duft von frisch gebackenem Brot und gebratenem Speck die Halle der Herberge „Admiral“. Auf den schweren Holztischen standen Schüsseln mit Hafergrütze und Krüge mit Bier, und für einmal griffen auch die Zwerge ohne Murren zu.
„Thorwal“, sagte Curian knapp, als das Gespräch auf die Zukunft kam. „Von Manrin oder Hjalsingor aus findet man Hochseefahrer, die direkt nach Prem gehen. Mit etwas Glück spart ihr euch den ganzen Küstenweg.“
„Hauptsache nicht wieder die Küste hinunter“, knurrte Keldi und stieß mit der Faust gegen den Tisch. Hurdin und Tondar nickten fast gleichzeitig – ein seltener Einklang, der nur ihre Abneigung gegen die endlosen Zwischenhäfen ausdrückte.
Althea legte beschwichtigend die Hand auf den Tisch. „Wie wäre es, wenn wir erst einmal einen Tag rasten? Wir sind in Overthorn, nicht in Guddasunden. Lasst uns das nutzen.“
Curian zog eine Braue hoch, dann lächelte er schmal. „Ein weiser Vorschlag. Ich muss meine Ausrüstung ergänzen – und ihr vermutlich auch.“
So trennten sie sich nach dem Mahl. Althea und Archon schlossen sich Curian an, während er durch den Markt zog, Stoff für Roben prüfte, Schriftrollenrollen in die Hand nahm und eine neue Ledertasche kaufte. Althea fand sich dabei zwischen Kräuterständen wieder und musterte sorgsam getrocknete Bündel – ein Teil davon wanderte bald in ihren Beutel.
Die drei Zwerge gingen unterdessen zum Waffenemporium, dessen Schild ein blank polierter Streitkolben schmückte. Der Klang von geschliffenem Stahl hallte ihnen entgegen, als sie das Geschäft betraten.
Nur Furka blieb zurück. Er hatte es sich am Fenster der Herberge bequem gemacht, mit einem Becher Bier und einem Stapel Würfel. Doch als die Gefährten am Nachmittag zurückkehrten, war sein Platz leer. „In der Hafentaverne gesehen“, murmelte der Wirt achselzuckend. „Wollte wohl noch etwas Gold in die Welt setzen.“
Der Abend fand Althea, die sich weigerte ins Bett zu gehen, bevor Furka zurück war, sich aber ebenso weigerte zur Taverne hinüber zu gehen, und Curian an einem Tisch in der hinteren Ecke der Gaststube. Curian öffnete gerade die zweite Flasche "des besten Rotwein des Hauses", während Althea ihren Kelch hütete. Ihre Gespräche hatten sich um Mumien auf Runin, Druiden bei Orvil und Räuber am Hjaldorpass gedreht und Althea erzählte gerade vom Rückweg vom Einsiedlersee... Curian schaute sie über gefaltete Hände an, notierte unbewusst Wagnis um Wagnis...
Die Gaststube war fast leer, das Feuer im Kamin zu Glut heruntergebrannt. Nur das leise Knacken der Scheite und das gelegentliche Klirren der Flasche, wenn Curian sie wieder ansetzte, durchbrachen die Stille.
Althea hatte die Beine untergeschlagen, den Kelch zwischen den Händen. Sie hütete ihn, nippte selten, während sie sprach. Von den Mumien auf Runin, die in den Flammen vergingen. Von dem einsamen Druiden bei Orvil, dessen Worte im Nebel verhallten. Von dem Überfall am Hjaldorpass, der sie fast das Leben gekostet hätte.
Curian hörte zu, nicht mit aufgerissenen Augen, sondern mit der Ruhe eines Mannes, der mehr gesehen hatte, als er je erzählen würde. Ab und an wanderte seine Hand zum Kelch, doch meist ruhten seine Finger ineinander verschränkt, als formten sie ein stilles Siegel.
„Ihr tragt zu viel Last auf zu schmalen Schultern“, sagte er schließlich, kaum lauter als ein Murmeln.
Althea hob das Kinn. „Und Ihr? Habt Ihr nie geglaubt, dass Ihr die Welt stemmen müsst?“
Curian lächelte, ein Zug von Bitterkeit darin. „Geglaubt – ja. Versucht – auch. Bis ich gemerkt habe, dass die Welt sich nicht halten lässt. Man kann nur Teile stützen, für eine Weile.“
Er sah sie lange an, über den Rand seiner Hände hinweg. „Aber vielleicht braucht es genau solche wie Euch, die es trotzdem versuchen. Damit Leute wie ich nicht ganz verbittern.“
Althea schwieg, spürte den Ernst in seinen Worten – und zugleich das Gewicht, das nicht ihr gehörte, sondern ihm.
Von draußen drang ein dumpfes Lachen, die Tür ging kurz auf, kalte Nachtluft wehte herein – Furka, schwankend, die Würfel noch in der Faust. Die Zwerge würden ihn morgen tadeln, doch für diesen Abend bedeutete es nur, dass Althea sich endlich erhob.
Curian erhob ebenfalls sein Glas, neigte es leicht gegen sie. „Geht schlafen, Mädchen. Die Welt läuft nicht weg – auch wenn sie manchmal so tut.“
Der nächste Morgen fand sie am Hafen. Furka stampfte mit dem Fuß auf - Keine Passage, und der Hafenmeister sagte vorher, dass die nächsten Tage nur mit Schiffen Richting Hjaldingolf zu rechnen sei. "Und hier kommt man ohne Schiff nixht weg", murrte Keldi. Es ist nicht Guddasunden warf Althea ein, aber die Zwerge waren deutlich verstimmt. "Wenn Angrosch gewollt hätte, das Zwerge zur See fahren, hätte er keine Berge erschaffen", brummelte Hurdin. "Berge", murmelte Tondar, und drehte sich nach Südosten, als könne er dort die Hjaldorberge erspähen... Curian stand abseits.
Der Hafen lag im hellen Morgenlicht, Möwen kreischten, Taue knarrten, und die wenigen Fischer, die ihre Netze flickten, warfen nur flüchtige Blicke zu der Gruppe. Furka stampfte mit dem Fuß auf, dass die Bohlen ächzten. „Keine Passage! Gar keine!“
Der Hafenmeister, ein wettergegerbter Mann mit gefurchter Stirn, hatte es schon vorhin gesagt: „Die nächsten Tage laufen nur Schiffe nordwärts in den Hjaldingolf. Wer südwärts will, muss warten.“
„Und hier kommt man ohne Schiff nicht weg“, murrte Keldi, als hätte er es noch einmal laut bestätigt haben wollen.
„Es ist nicht Guddasunden“, warf Althea ein, den Blick über das Wasser schweifend, „wir werden nicht hier festsitzen.“ Doch die Worte prallten am Grummeln der Zwerge ab.
„Wenn Angrosch gewollt hätte, dass Zwerge zur See fahren,“ brummelte Hurdin, „hätte er keine Berge erschaffen.“
„Berge …“ murmelte Tondar. Seine Augen wanderten nach Südosten, als könnte er durch die Sonne hindurch die Hjaldorberge sehen, die dort weit hinter dem Horizont lagen.
Furka verschränkte die Arme, schnaubte hörbar und spuckte ins Hafenbecken, als hätte er den Ärger damit fortwerfen können.
Curian stand abseits, den Stab locker in der Hand, und beobachtete schweigend. Die Züge seines Gesichts verrieten keine Ungeduld, aber die Ruhe eines Mannes, der gelernt hatte, dass Zeit sich nicht beschleunigen ließ.
„Es wird ein Schiff kommen“, sagte er schließlich, sachlich, nicht tröstend. „Die Frage ist nur, ob ihr die Tage verflucht – oder füllt.“
Die Zwerge knurrten im Chor, doch Althea lächelte dünn. „Dann lasst uns sehen, womit man hier die Zeit füllt.“
Der Tag verging für manche zäh, wie Keldi, Tondar, Hurdin und Furka, die ihn in der Gaststube verbrachten, während Tondar sich wieder zum Swafnirtempel hinauf begeben hatte, als könne er von dort die Schiffe herbeiblicken... Althea und Curian nutzten den Tag um Reisenotizen zu vergleichen, Archon ging abends seine alchimistischen Rezepte mit Curin durch, woruf dieser ihn mit neuem Respekt betrachtete... Die anderen Zwerge gingen heute früh schlafen.
Der Tag legte sich wie Blei über die Zwerge. Keldi, Hurdin und Furka verbrachten die Stunden in der Gaststube, zwischen halbleeren Krügen und dem dumpfen Klacken von Würfeln. Einmal stand Tondar auf, wortlos, und stapfte hinaus – hinauf zum Swafnirtempel. Dort verharrte er lange, die Hände auf die Brüstung gestützt, den Blick hinaus aufs Meer gerichtet, als könnte er mit bloßem Willen die ersehnte Silhouette eines Segels an den Horizont rufen.
Althea nutzte die Stille anders. Gemeinsam mit Curian saß sie im oberen Stockwerk, Pergamente zwischen ihnen ausgebreitet, Feder und Tinte griffbereit. Sie verglichen Reiseberichte, tauschten Beobachtungen über Karten, Wetterzeichen und alte Legenden aus. Curians nüchterne Notizen trafen auf Altheas geschmeidige, manchmal schwärmerische Handschrift – zwei Welten, die sich ergänzten.
Gegen Abend schloss sich Archon dazu, seine Kräuterbücher unter dem Arm. Zögernd legte er ein Rezept auf den Tisch, sprach über Mischverhältnisse und Aufbewahrung. Curian hob zunächst die Brauen – doch dann beugte er sich näher, prüfte mit echtem Interesse die Linien und Anmerkungen. Schließlich nickte er, langsam und anerkennend. „Ihr versteht mehr von der Praxis, als manch selbsternannter Meister. Ich hätte Euch unterschätzt.“ Archon antwortete nur mit einem kaum sichtbaren Lächeln.
Die übrigen Zwerge verschwanden früh in ihre Betten, knurrend, dass man hier wohl noch alt werde, bevor ein Schiff ablegte. Ihre gleichmäßigen Atemzüge füllten bald den Schlafsaal, während unten in der Stube Althea, Curian und Archon noch über Kräuter und Zauberstäbe sprachen – bis die Kerzen niedergebrannt waren.
Die Zwerge standen in Morgengrauen mit Sack und Pack bereit und warteten, bis Althea im vorbeigehen einen Bissen vom Gasttisch genommen hatte. Im Hafen angekommen, ließen sie die Blicke schweifen, als Altheas Augen a0n einem kleinen schnittigen Langschiff hängen blieben - deutlich sichtbar das gepflegte Schild mit dem Namen "Hjallandstolz" am Bug. "Hey, ist das dort nicht das Schiff von Swafnild Egilsdotter?" Die Zwerge drehten sich ihr unwillig zu. Aber tatsächlich, die Frau, die gerde die Taue lösen wollte, blickte zu ihnen hinüber.
Es ist tatsächlich Swafnild Egilsdotter, die aufhorcht, als sie nach Hyggelik frgwn und von ihrer Queste erzählen. Sie kennt eine Reihe weiterer Personen, aber es ist kein neuer Name dabei.Zu Ende des Gesprächs verharrt sie kurz und kaut auf ihrer Lippe. Sie besäße ebenflls einen Teil der alten Karte, die sich allerdings mit anderen Teilen ihrer Habe bei einem Kompagnon in Guddasunden befände. Aber wenn die Gruppe sowieso in die Richtung unterwegs wäre, könne sie sie mtnehmen...
Althea zuckte innerlich zusammen, als Swafnild 'Guddasunden sagte, aber sie zwang sich ein Lächeln auf. "Aber natürlich kommen wir mit". Sienam ihr Bündel auf und folgte Swafnild zum Boot, bis sich Curian deutlich hörbar räusperte. Sie blickte zurück. Die Zwerge hatten sich keinen Schritt bewegt. In ihren Gesichtern stand etwas wie 'Hat sie Guddasunden gesagt?'
Das Hafenbecken lag still im ersten Licht des Praios, Möwen kreisten, und die wenigen Fischer, die ihre Netze flickten, unterbrachen ihre Arbeit, als das schlanke Langschiff „Hjallandstolz“ sich zum Ablegen rüstete. Das Wappen am Bug glänzte frisch gestrichen, und die Frau an Deck wirkte, als sei sie selbst Teil des Holzes – sehnig, wettergegerbt, entschlossen.
„Swafnild Egilsdotter?“, rief Althea hinüber.
Die Frau blickte auf, die Hand noch am Tau. Als sie den Namen Hyggelik hörte, verengten sich ihre Augen, dann nickte sie knapp. „Ihr seid nicht die Ersten, die fragen.“ Sie nannte Namen, vertraut und bekannt, aber nichts Neues. Und dann, nach einem Schweigen, ein Zögern: „Ich habe ebenfalls ein Stück der Karte. Doch es liegt nicht hier – sondern bei meinem Gefährten in Guddasunden.“
Althea lächelte, auch wenn es ihr schwerfiel. „Aber natürlich, wir sind ohnehin auf dem Weg.“ Sie hob ihr Bündel, setzte schon zum Schritt an.
Ein Räuspern, trocken und unüberhörbar. Curian.
Althea wandte sich um. Die Zwerge hatten sich keinen Fingerbreit bewegt. Keldi stand wie in Stein gemeißelt, Hurdin verschränkte die Arme, Tondar sah finster drein. Furka schnaubte nur.
„Hat sie… Guddasunden gesagt?“ Keldis Stimme war mehr ein Knurren.
Swafnild legte den Kopf schief. „Ihr wirkt nicht erfreut.“
„Erfreut?“ Furka trat vor. „Wir haben vier Tage dort verloren! Vier! In einer Ottaskin, die nur Wind und Langeweile kennt.“
„Und jetzt wollt ihr uns freiwillig wieder dahin schleppen?“ Hurdins Augen blitzten.
Einen Moment stand die Luft still. Dann trat Swafnild ans Geländer. „Ihr wollt die Karte, oder nicht?“ Ihre Stimme war hart, aber nicht feindselig. „Es gibt Dinge, die man nicht überspringen kann. Manchmal führt der Weg eben zurück.“
Curian hob die Brauen, sah von den Zwergen zu Althea. „Eine Entscheidung, Mädchen. Eure Queste, euer Pfad.“
Althea atmete tief, spürte den Widerstand der Zwerge wie eine Mauer hinter sich. Doch sie wusste, dass es keine Wahl gab. Sie zwang sich zu einem Lächeln – und nickte Swafnild zu.
„Dann zurück nach Guddasunden.“
Die Zwerge starrten sie an. Furka stieß einen Fluch aus, Hurdin knurrte, Keldi murmelte etwas von „Angrosch und seinen Bergen“. Doch sie bewegten sich. Einer nach dem anderen stapften sie hinter ihr her, brummend, aber entschlossen.
Swafnild grinste schmal, als sie die Taue lösen ließ. „Dann also Guddasunden.“
Und so setzte sich die „Hjallandstolz“ in Bewegung – das Meer öffnete sich, und mit ihm eine neue Schleife im Knäuel der Westküste.
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Die „Hjallandstolz“ glitt südwärts, das Segel voll im Wind, der Bug schnitt durch die gleichmäßig gekräuselte See. Hinter ihnen Rovik, das schweigsame Nest am Fjord, und auch Hjalsingor lag bald schon wieder im Rücken. „Wir halten nicht in Rovik – außer, man will nach Orvil“, meinte Swafnild nur knapp, und niemand hatte Lust, sie zu widersprechen.
Die Überfahrt verlief ohne Zwischenfall. Die Zwerge standen meist an der Reling, missmutig, aber diszipliniert. Curian blieb im Schatten des Segels, den Blick wachsam auf das Wasser gerichtet, und Althea lehnte sich gelegentlich gegen die Bordwand, ließ die Finger unbewusst Muster über den Stab streichen. Es war keine fröhliche Fahrt, aber eine schnelle – fast, als habe das Schiff selbst es eilig, diese Küsten hinter sich zu lassen.
Am Nachmittag liefen sie in Guddasunden ein.
Der breite Anleger unter den Klippen lag ruhig in der Sonne, Möwen schrien, irgendwo knarrte eine Trosse. Doch die Zwerge blieben hart: Sie weigerten sich, auch nur einen Fuß an Land zu setzen. Zu deutlich war die Erinnerung an Tage zäher Langeweile, an Warten und Vergeblichkeit.
Althea und Curian indes schritten über die Bohlen, die Sonne im Rücken, während Swafnild wortlos den Weg die Klippen hinauf nahm. Sie kam nach gut zwei Stunden zurück – und hielt Althea ein Stück Pergament entgegen. „Hier“, sagte sie nur.
Althea entfaltete es. Die Linien, das Pergament – es war vertraut, zu vertraut. Fast deckungsgleich mit dem Kartenstück, das sie von Hjore Ahrensson erworben hatten. Nur feiner, sauberer, mit mehr Selbstverständlichkeit gezeichnet. War das andere Stück eine plumpe Fälschung? Oder gab es mehrere Varianten, abgeschrieben, verkauft, weitergereicht? Althea spürte, wie ihr Magen sich leicht zusammenzog.
Die Zwerge oben an Deck verfolgten die Szene mit misstrauischen Blicken. „Ich habe ohnehin eine Ladung Zwerge an Bord“, meinte Swafnild, die Blicke auffangend. „Wenn ihr wollt, nehme ich euch noch ein Stück mit. Für mich geht’s weiter die Küste runter.“
Althea erwiderte den Blick ruhig. „Wir reisen gerne bis Kord mit.“
So kam es, dass sie noch in derselben Nacht, mit Wind im Rücken, Kord erreichten.
Es war Mitternacht des 27. Praios, als die „Hjallandstolz“ im Hafen festmachte. Die Zwerge stürmten über die Planken, als sei das Schiff in Flammen aufgegangen. Swafnild reichte Althea die Hand zum Abschied. „Vielleicht sieht man sich wieder.“ – „Vielleicht“, erwiderte Althea, und die Hand war fest, fast freundschaftlich.
Dann trat sie an Land – und fand ihre Gefährten bereits in einer Front aufgestellt, die Arme verschränkt, die Gesichter hart. „Glaub ja nicht, dass wir von hier mit dem Schiff weiterreisen“, knurrte Keldi. „Nie wieder Schiffe“, legte Hurdin nach. Tondar nickte grimmig, und Furka spuckte demonstrativ zur Seite.
Einen Augenblick lang stand nur die Brandung im Hintergrund. Dann räusperte sich Curian, die Hände locker auf seinen Stab gestützt. Sein Blick wanderte von den Zwergen zur Straße hinauf. „Nicht die schlechteste Idee“, sagte er trocken. „Hier beginnt wieder die zivilisierte Welt. Von Kord aus erreicht man jeden Ort um Prem – und das ganz ohne Nächte unter offenem Himmel.“
Ein müdes Lächeln zuckte über Altheas Lippen. Die Knödelei der Westküste war zu Ende.
(Versatzstücke)
Die Anschlusspassage dauert weitere 33 Stunden, und als sie in Overthorn von Land gingen, gingen die Zwerge im Seemannsgang voran. Drei weitere Tage auf See, fast zwei Wochen, nachdem sie aus Prem aufgebrochen waren und sie hatten den nördlichsten Ort der Westküste erreicht.
Es war etwa zwei Monate her, dass sie hier schon einmal durchgekommen waren und sie kehrten zuerst im "Admiral" ein, um sich die Gischt von den Lippen zu spülen... Dann zerstreuten sie sich in der Stadt, begaben sich nach und nach die Häuserzeile zur Klippe hinauf, von der man diesen atemberaubenden Blick auf das Meer und das Umland hatte, und trafen sich, gerade als der Tag sich neigte, in der Taverne Alriks, die sie beim letzten Mal nicht besucht hatten...
Der schwere Kutter stampfte behäbig durch die letzten Wellen, als die Hafenmole von Overthorn in Sicht kam. Dreiunddreißig Stunden war die See unter ihnen gewesen, und nun gingen die Zwerge mit eshalb selbst behauptenfestem Seemannsgang von Bord, als wären sie selbst Teil der Mannschaft gewesen. Fast zwei Wochen war es her, dass sie Prem verlassen hatten – und nun standen sie am nördlichsten Punkt der Westküste.
Die Stadt wirkte vertraut und fremd zugleich. Etwa zwei Monate waren vergangen, seit sie hier zum ersten Mal durchgekommen waren, und vieles hatte sich nicht verändert: der Wind, das Salz in der Luft, das Rufen der Möwen. Zuerst zog es sie in den „Admiral“, wo sie bei einem ersten Bier die Gischt von den Lippen spülten. Furka kommentierte trocken, dass das Bier nicht besser geworden sei – worauf Keldi nur grunzte.
Danach zerstreuten sie sich in der Stadt. Manche sahen bei Händlern vorbei, andere ließen sich treiben, die Straßen hinauf bis zur Klippe. Von dort oben bot sich wieder dieser Blick, der kaum Worte brauchte: das Meer, endlos und gewaltig, und das Land, das sich in Wellen aus Grün und Grau verlor.
Gerade als die Sonne tiefer sank und die Dächer in rötliches Licht tauchte, fanden sie sich wieder zusammen – diesmal nicht im „Admiral“, sondern in der Taverne „Alriks“. Ein Ort, den sie beim letzten Mal gemieden hatten, und dessen Tür nun für sie aufschwang wie ein Versprechen auf Geschichten, Wärme und vielleicht ein neues Kapitel.
Sie betraten das "Alriks", die Taverne ist nicht schlecht besucht. Nach einem gemeinsamen Essen verabschiedet Furka sich hinüber zu einem Tisch in der MItte, an dem man die Würfel klappern hört. Die anderen Zwerge blickten nicht einmal hinterher und Althea lehnte sich entspannt zurück gegen einen Holzbalken des Fachwerks. Man hörte gelegentliches Brummeln von der Mitte aus, aber nichts besorgniserregendes. So verging einige Zeit... "Euer Schützling sollte darauf achten, nicht zu viel zu gewinnen, raunte es plötzlich leise neben Althea!, sie drehte den Kopf, ein Mann , dessen Roben ihn unmissverständlich als wandernden Magier auswiesen, war näher gerückt. Er hob seinen Kelch, in dem es rubinrot schimmerte, und schaute dann sinnierend in den Wein. Der Mann war mittleren Alters, mit grauen Strähnen im schwarzen Haar, einem braungebrannten Gesicht und Händen, die bezeugten, dass er eher auf der Straße unterwegs gewesen, denn in der Studierstube gesessen hatte...
Althea hob eine Braue, der fremde Magier neben ihr hatte eine Stimme wie aus rauem Samt. „Er weiß, was er tut“, erwiderte sie, doch es klang weniger bestimmt, als sie es gedacht hatte.
Curian lächelte, aber ohne Wärme. „Das habe ich über viele gesagt, Mädchen. Manche tun es – manche denken es nur.“ Er drehte den Kelch in der Hand, als würde er darin mehr sehen als nur Wein. „Manchmal ist der Unterschied ein Messer an der Kehle.“
Althea schwieg einen Moment, ehe sie sich aufrichtete. „Und Ihr? Seid Ihr einer, der tut?“
„Früher“, meinte er knapp, und ein Schatten huschte über sein Gesicht. Dann wandte er sich ihr zu, die blauen Augen klar und nüchtern, trotz des Glases in seiner Hand. „Jetzt sehe ich eher zu, dass die, die noch Feuer im Herzen tragen, sich nicht selbst verbrennen.“
Er musterte sie offen, fast durchdringend. „Ihr seid jung. Zu jung für die Schwere, die Ihr euch aufladet. Aber das macht Euch gefährlich – und wertvoll.“
Althea wich seinem Blick nicht aus, legte den Kopf leicht zur Seite. „Und Ihr denkt, Ihr könnt mir sagen, wie ich mit dieser Last umzugehen habe?“
Curian schnaubte ein kurzes Lachen. „Sagen? Nein. Aber ich kann Euch zeigen, wie es aussieht, wenn man sie zu lange trägt. Vielleicht reicht das.“
Aus der Mitte der Taverne drang ein lauter Jubel – Furka hatte offenbar wieder eine Runde gewonnen. Die Zwerge an ihrem Tisch reagierten nicht, als hätten sie das Brummen und Scheppern ihres Gefährten längst ausgeblendet.
Curian aber hob nur sein Glas und nickte fast feierlich. „Und wenn Ihr es zulasst – begleite ich Euch ein Stück. Thorwal ist mein Ziel. Vielleicht lerne ich unterwegs wieder, warum Menschen wie Ihr die Welt nicht aufgeben.“
Althea erwiderte das Nicken. „Dann trinken wir darauf.“
Er füllte ihr den Kelch nach, ohne zu fragen. „Auf Thorwal. Und darauf, dass wir beide den Weg überleben.“
Es ist noch vor Mitternacht, als die Gruppe die Taverne verlässt. Die Zwerge voran, Althea und Ücurian folgend. Curian hat seine Ürobe zugezogen. Sein Stab klackt im Einklang mit dem Altheas auf der Straße. Es ist eine klare Sommernacht über ihnen spannt sich der Sternenhimmel. Die Sterne wirken sehr viel näher, hier oben auf dem Klippe. Bevor sie auf den Weg nach unten einbiegen, schaut Althea noch einmal hinauf. The stars are right, denkt sie...
Die Zwerge stapften vornweg, ihre Schatten kurz und kantig unter dem fahlen Schein der wenigen Laternen. Althea und Curian hielten einen ruhigeren Schritt. Sein Stab klackte im gleichen Rhythmus wie ihrer, fast so, als hätten sie unbemerkt Takt gefunden.
Die Nacht war klar, das Meer rauschte weit unter ihnen. Über der Klippe spannte sich der Himmel, funkelnd, weit – und die Sterne wirkten näher, größer, als wollten sie herabsinken. Althea hob den Kopf, ließ den Blick schweifen. Einen Atemzug lang schien es ihr, als ergäben sie ein Muster. The stars are right, dachte sie, und ihr wurde kalt und warm zugleich.
Curian folgte ihrem Blick, doch sagte nichts. Er zog die Robe enger um die Schultern, der Weinbecher längst gegen den Stab getauscht. Sein Schweigen wirkte nicht abweisend, eher wie das eines Mannes, der dieselben Fragen schon einmal gestellt hatte – und die Antworten nicht mehr suchte.
Die Zwerge bogen schon in die Straße hinunter Richtung Herberge, Stimmen gedämpft im Dunkel. Althea blieb einen Herzschlag länger stehen, als wollte sie den Himmel abspeichern. Dann ging sie weiter, der Stab im Takt mit dem ihren.
An diesem Abend fielen sie früh in die Betten Am nächsten Morgen, bei einem ausgiebigen Frühstück, besprachen sie ihre weitere Reise. Curians Ziel war Thorwal - man könne direkt von Manrin oder Hjalsingor eine Passage nach Prem bekommen, wenn man einen Hochseefahrer erwischte... "Hauptsache nicht wieder die Küste hinunter," sagte Keldi bestimmt - die Zwerge schienen abgesprochen... "Wie wäre es, wenn wir erst einmal einen Tag rasten", warf Althea beschwichtigend ein. "Ich muss sowieso meine Reiseutensilien ergänzen", stimmte Curian zu. Und so kam es, dass Althea und Archon Curian bei seine Besorgungen begleiteten und Keldi, Hurdin und Tonddar sich zum Waffenemporium hinüber begaben. Furka blieb in der Herberge, war aber als sie im Lauf des Nachmittags zurück jamen, verschwunden, und soll später in der Hafentaverne gesichtet worden sein...
Die Nacht war kurz, der Schlaf tief – wie er es nur nach langen Reisen zu sein vermochte. Am Morgen füllte der Duft von frisch gebackenem Brot und gebratenem Speck die Halle der Herberge „Admiral“. Auf den schweren Holztischen standen Schüsseln mit Hafergrütze und Krüge mit Bier, und für einmal griffen auch die Zwerge ohne Murren zu.
„Thorwal“, sagte Curian knapp, als das Gespräch auf die Zukunft kam. „Von Manrin oder Hjalsingor aus findet man Hochseefahrer, die direkt nach Prem gehen. Mit etwas Glück spart ihr euch den ganzen Küstenweg.“
„Hauptsache nicht wieder die Küste hinunter“, knurrte Keldi und stieß mit der Faust gegen den Tisch. Hurdin und Tondar nickten fast gleichzeitig – ein seltener Einklang, der nur ihre Abneigung gegen die endlosen Zwischenhäfen ausdrückte.
Althea legte beschwichtigend die Hand auf den Tisch. „Wie wäre es, wenn wir erst einmal einen Tag rasten? Wir sind in Overthorn, nicht in Guddasunden. Lasst uns das nutzen.“
Curian zog eine Braue hoch, dann lächelte er schmal. „Ein weiser Vorschlag. Ich muss meine Ausrüstung ergänzen – und ihr vermutlich auch.“
So trennten sie sich nach dem Mahl. Althea und Archon schlossen sich Curian an, während er durch den Markt zog, Stoff für Roben prüfte, Schriftrollenrollen in die Hand nahm und eine neue Ledertasche kaufte. Althea fand sich dabei zwischen Kräuterständen wieder und musterte sorgsam getrocknete Bündel – ein Teil davon wanderte bald in ihren Beutel.
Die drei Zwerge gingen unterdessen zum Waffenemporium, dessen Schild ein blank polierter Streitkolben schmückte. Der Klang von geschliffenem Stahl hallte ihnen entgegen, als sie das Geschäft betraten.
Nur Furka blieb zurück. Er hatte es sich am Fenster der Herberge bequem gemacht, mit einem Becher Bier und einem Stapel Würfel. Doch als die Gefährten am Nachmittag zurückkehrten, war sein Platz leer. „In der Hafentaverne gesehen“, murmelte der Wirt achselzuckend. „Wollte wohl noch etwas Gold in die Welt setzen.“
Der Abend fand Althea, die sich weigerte ins Bett zu gehen, bevor Furka zurück war, sich aber ebenso weigerte zur Taverne hinüber zu gehen, und Curian an einem Tisch in der hinteren Ecke der Gaststube. Curian öffnete gerade die zweite Flasche "des besten Rotwein des Hauses", während Althea ihren Kelch hütete. Ihre Gespräche hatten sich um Mumien auf Runin, Druiden bei Orvil und Räuber am Hjaldorpass gedreht und Althea erzählte gerade vom Rückweg vom Einsiedlersee... Curian schaute sie über gefaltete Hände an, notierte unbewusst Wagnis um Wagnis...
Die Gaststube war fast leer, das Feuer im Kamin zu Glut heruntergebrannt. Nur das leise Knacken der Scheite und das gelegentliche Klirren der Flasche, wenn Curian sie wieder ansetzte, durchbrachen die Stille.
Althea hatte die Beine untergeschlagen, den Kelch zwischen den Händen. Sie hütete ihn, nippte selten, während sie sprach. Von den Mumien auf Runin, die in den Flammen vergingen. Von dem einsamen Druiden bei Orvil, dessen Worte im Nebel verhallten. Von dem Überfall am Hjaldorpass, der sie fast das Leben gekostet hätte.
Curian hörte zu, nicht mit aufgerissenen Augen, sondern mit der Ruhe eines Mannes, der mehr gesehen hatte, als er je erzählen würde. Ab und an wanderte seine Hand zum Kelch, doch meist ruhten seine Finger ineinander verschränkt, als formten sie ein stilles Siegel.
„Ihr tragt zu viel Last auf zu schmalen Schultern“, sagte er schließlich, kaum lauter als ein Murmeln.
Althea hob das Kinn. „Und Ihr? Habt Ihr nie geglaubt, dass Ihr die Welt stemmen müsst?“
Curian lächelte, ein Zug von Bitterkeit darin. „Geglaubt – ja. Versucht – auch. Bis ich gemerkt habe, dass die Welt sich nicht halten lässt. Man kann nur Teile stützen, für eine Weile.“
Er sah sie lange an, über den Rand seiner Hände hinweg. „Aber vielleicht braucht es genau solche wie Euch, die es trotzdem versuchen. Damit Leute wie ich nicht ganz verbittern.“
Althea schwieg, spürte den Ernst in seinen Worten – und zugleich das Gewicht, das nicht ihr gehörte, sondern ihm.
Von draußen drang ein dumpfes Lachen, die Tür ging kurz auf, kalte Nachtluft wehte herein – Furka, schwankend, die Würfel noch in der Faust. Die Zwerge würden ihn morgen tadeln, doch für diesen Abend bedeutete es nur, dass Althea sich endlich erhob.
Curian erhob ebenfalls sein Glas, neigte es leicht gegen sie. „Geht schlafen, Mädchen. Die Welt läuft nicht weg – auch wenn sie manchmal so tut.“
Der nächste Morgen fand sie am Hafen. Furka stampfte mit dem Fuß auf - Keine Passage, und der Hafenmeister sagte vorher, dass die nächsten Tage nur mit Schiffen Richting Hjaldingolf zu rechnen sei. "Und hier kommt man ohne Schiff nixht weg", murrte Keldi. Es ist nicht Guddasunden warf Althea ein, aber die Zwerge waren deutlich verstimmt. "Wenn Angrosch gewollt hätte, das Zwerge zur See fahren, hätte er keine Berge erschaffen", brummelte Hurdin. "Berge", murmelte Tondar, und drehte sich nach Südosten, als könne er dort die Hjaldorberge erspähen... Curian stand abseits.
Der Hafen lag im hellen Morgenlicht, Möwen kreischten, Taue knarrten, und die wenigen Fischer, die ihre Netze flickten, warfen nur flüchtige Blicke zu der Gruppe. Furka stampfte mit dem Fuß auf, dass die Bohlen ächzten. „Keine Passage! Gar keine!“
Der Hafenmeister, ein wettergegerbter Mann mit gefurchter Stirn, hatte es schon vorhin gesagt: „Die nächsten Tage laufen nur Schiffe nordwärts in den Hjaldingolf. Wer südwärts will, muss warten.“
„Und hier kommt man ohne Schiff nicht weg“, murrte Keldi, als hätte er es noch einmal laut bestätigt haben wollen.
„Es ist nicht Guddasunden“, warf Althea ein, den Blick über das Wasser schweifend, „wir werden nicht hier festsitzen.“ Doch die Worte prallten am Grummeln der Zwerge ab.
„Wenn Angrosch gewollt hätte, dass Zwerge zur See fahren,“ brummelte Hurdin, „hätte er keine Berge erschaffen.“
„Berge …“ murmelte Tondar. Seine Augen wanderten nach Südosten, als könnte er durch die Sonne hindurch die Hjaldorberge sehen, die dort weit hinter dem Horizont lagen.
Furka verschränkte die Arme, schnaubte hörbar und spuckte ins Hafenbecken, als hätte er den Ärger damit fortwerfen können.
Curian stand abseits, den Stab locker in der Hand, und beobachtete schweigend. Die Züge seines Gesichts verrieten keine Ungeduld, aber die Ruhe eines Mannes, der gelernt hatte, dass Zeit sich nicht beschleunigen ließ.
„Es wird ein Schiff kommen“, sagte er schließlich, sachlich, nicht tröstend. „Die Frage ist nur, ob ihr die Tage verflucht – oder füllt.“
Die Zwerge knurrten im Chor, doch Althea lächelte dünn. „Dann lasst uns sehen, womit man hier die Zeit füllt.“
Der Tag verging für manche zäh, wie Keldi, Tondar, Hurdin und Furka, die ihn in der Gaststube verbrachten, während Tondar sich wieder zum Swafnirtempel hinauf begeben hatte, als könne er von dort die Schiffe herbeiblicken... Althea und Curian nutzten den Tag um Reisenotizen zu vergleichen, Archon ging abends seine alchimistischen Rezepte mit Curin durch, woruf dieser ihn mit neuem Respekt betrachtete... Die anderen Zwerge gingen heute früh schlafen.
Der Tag legte sich wie Blei über die Zwerge. Keldi, Hurdin und Furka verbrachten die Stunden in der Gaststube, zwischen halbleeren Krügen und dem dumpfen Klacken von Würfeln. Einmal stand Tondar auf, wortlos, und stapfte hinaus – hinauf zum Swafnirtempel. Dort verharrte er lange, die Hände auf die Brüstung gestützt, den Blick hinaus aufs Meer gerichtet, als könnte er mit bloßem Willen die ersehnte Silhouette eines Segels an den Horizont rufen.
Althea nutzte die Stille anders. Gemeinsam mit Curian saß sie im oberen Stockwerk, Pergamente zwischen ihnen ausgebreitet, Feder und Tinte griffbereit. Sie verglichen Reiseberichte, tauschten Beobachtungen über Karten, Wetterzeichen und alte Legenden aus. Curians nüchterne Notizen trafen auf Altheas geschmeidige, manchmal schwärmerische Handschrift – zwei Welten, die sich ergänzten.
Gegen Abend schloss sich Archon dazu, seine Kräuterbücher unter dem Arm. Zögernd legte er ein Rezept auf den Tisch, sprach über Mischverhältnisse und Aufbewahrung. Curian hob zunächst die Brauen – doch dann beugte er sich näher, prüfte mit echtem Interesse die Linien und Anmerkungen. Schließlich nickte er, langsam und anerkennend. „Ihr versteht mehr von der Praxis, als manch selbsternannter Meister. Ich hätte Euch unterschätzt.“ Archon antwortete nur mit einem kaum sichtbaren Lächeln.
Die übrigen Zwerge verschwanden früh in ihre Betten, knurrend, dass man hier wohl noch alt werde, bevor ein Schiff ablegte. Ihre gleichmäßigen Atemzüge füllten bald den Schlafsaal, während unten in der Stube Althea, Curian und Archon noch über Kräuter und Zauberstäbe sprachen – bis die Kerzen niedergebrannt waren.
Die Zwerge standen in Morgengrauen mit Sack und Pack bereit und warteten, bis Althea im vorbeigehen einen Bissen vom Gasttisch genommen hatte. Im Hafen angekommen, ließen sie die Blicke schweifen, als Altheas Augen a0n einem kleinen schnittigen Langschiff hängen blieben - deutlich sichtbar das gepflegte Schild mit dem Namen "Hjallandstolz" am Bug. "Hey, ist das dort nicht das Schiff von Swafnild Egilsdotter?" Die Zwerge drehten sich ihr unwillig zu. Aber tatsächlich, die Frau, die gerde die Taue lösen wollte, blickte zu ihnen hinüber.
Es ist tatsächlich Swafnild Egilsdotter, die aufhorcht, als sie nach Hyggelik frgwn und von ihrer Queste erzählen. Sie kennt eine Reihe weiterer Personen, aber es ist kein neuer Name dabei.Zu Ende des Gesprächs verharrt sie kurz und kaut auf ihrer Lippe. Sie besäße ebenflls einen Teil der alten Karte, die sich allerdings mit anderen Teilen ihrer Habe bei einem Kompagnon in Guddasunden befände. Aber wenn die Gruppe sowieso in die Richtung unterwegs wäre, könne sie sie mtnehmen...
Althea zuckte innerlich zusammen, als Swafnild 'Guddasunden sagte, aber sie zwang sich ein Lächeln auf. "Aber natürlich kommen wir mit". Sienam ihr Bündel auf und folgte Swafnild zum Boot, bis sich Curian deutlich hörbar räusperte. Sie blickte zurück. Die Zwerge hatten sich keinen Schritt bewegt. In ihren Gesichtern stand etwas wie 'Hat sie Guddasunden gesagt?'
Das Hafenbecken lag still im ersten Licht des Praios, Möwen kreisten, und die wenigen Fischer, die ihre Netze flickten, unterbrachen ihre Arbeit, als das schlanke Langschiff „Hjallandstolz“ sich zum Ablegen rüstete. Das Wappen am Bug glänzte frisch gestrichen, und die Frau an Deck wirkte, als sei sie selbst Teil des Holzes – sehnig, wettergegerbt, entschlossen.
„Swafnild Egilsdotter?“, rief Althea hinüber.
Die Frau blickte auf, die Hand noch am Tau. Als sie den Namen Hyggelik hörte, verengten sich ihre Augen, dann nickte sie knapp. „Ihr seid nicht die Ersten, die fragen.“ Sie nannte Namen, vertraut und bekannt, aber nichts Neues. Und dann, nach einem Schweigen, ein Zögern: „Ich habe ebenfalls ein Stück der Karte. Doch es liegt nicht hier – sondern bei meinem Gefährten in Guddasunden.“
Althea lächelte, auch wenn es ihr schwerfiel. „Aber natürlich, wir sind ohnehin auf dem Weg.“ Sie hob ihr Bündel, setzte schon zum Schritt an.
Ein Räuspern, trocken und unüberhörbar. Curian.
Althea wandte sich um. Die Zwerge hatten sich keinen Fingerbreit bewegt. Keldi stand wie in Stein gemeißelt, Hurdin verschränkte die Arme, Tondar sah finster drein. Furka schnaubte nur.
„Hat sie… Guddasunden gesagt?“ Keldis Stimme war mehr ein Knurren.
Swafnild legte den Kopf schief. „Ihr wirkt nicht erfreut.“
„Erfreut?“ Furka trat vor. „Wir haben vier Tage dort verloren! Vier! In einer Ottaskin, die nur Wind und Langeweile kennt.“
„Und jetzt wollt ihr uns freiwillig wieder dahin schleppen?“ Hurdins Augen blitzten.
Einen Moment stand die Luft still. Dann trat Swafnild ans Geländer. „Ihr wollt die Karte, oder nicht?“ Ihre Stimme war hart, aber nicht feindselig. „Es gibt Dinge, die man nicht überspringen kann. Manchmal führt der Weg eben zurück.“
Curian hob die Brauen, sah von den Zwergen zu Althea. „Eine Entscheidung, Mädchen. Eure Queste, euer Pfad.“
Althea atmete tief, spürte den Widerstand der Zwerge wie eine Mauer hinter sich. Doch sie wusste, dass es keine Wahl gab. Sie zwang sich zu einem Lächeln – und nickte Swafnild zu.
„Dann zurück nach Guddasunden.“
Die Zwerge starrten sie an. Furka stieß einen Fluch aus, Hurdin knurrte, Keldi murmelte etwas von „Angrosch und seinen Bergen“. Doch sie bewegten sich. Einer nach dem anderen stapften sie hinter ihr her, brummend, aber entschlossen.
Swafnild grinste schmal, als sie die Taue lösen ließ. „Dann also Guddasunden.“
Und so setzte sich die „Hjallandstolz“ in Bewegung – das Meer öffnete sich, und mit ihm eine neue Schleife im Knäuel der Westküste.
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Die „Hjallandstolz“ glitt südwärts, das Segel voll im Wind, der Bug schnitt durch die gleichmäßig gekräuselte See. Hinter ihnen Rovik, das schweigsame Nest am Fjord, und auch Hjalsingor lag bald schon wieder im Rücken. „Wir halten nicht in Rovik – außer, man will nach Orvil“, meinte Swafnild nur knapp, und niemand hatte Lust, sie zu widersprechen.
Die Überfahrt verlief ohne Zwischenfall. Die Zwerge standen meist an der Reling, missmutig, aber diszipliniert. Curian blieb im Schatten des Segels, den Blick wachsam auf das Wasser gerichtet, und Althea lehnte sich gelegentlich gegen die Bordwand, ließ die Finger unbewusst Muster über den Stab streichen. Es war keine fröhliche Fahrt, aber eine schnelle – fast, als habe das Schiff selbst es eilig, diese Küsten hinter sich zu lassen.
Am Nachmittag liefen sie in Guddasunden ein.
Der breite Anleger unter den Klippen lag ruhig in der Sonne, Möwen schrien, irgendwo knarrte eine Trosse. Doch die Zwerge blieben hart: Sie weigerten sich, auch nur einen Fuß an Land zu setzen. Zu deutlich war die Erinnerung an Tage zäher Langeweile, an Warten und Vergeblichkeit.
Althea und Curian indes schritten über die Bohlen, die Sonne im Rücken, während Swafnild wortlos den Weg die Klippen hinauf nahm. Sie kam nach gut zwei Stunden zurück – und hielt Althea ein Stück Pergament entgegen. „Hier“, sagte sie nur.
Althea entfaltete es. Die Linien, das Pergament – es war vertraut, zu vertraut. Fast deckungsgleich mit dem Kartenstück, das sie von Hjore Ahrensson erworben hatten. Nur feiner, sauberer, mit mehr Selbstverständlichkeit gezeichnet. War das andere Stück eine plumpe Fälschung? Oder gab es mehrere Varianten, abgeschrieben, verkauft, weitergereicht? Althea spürte, wie ihr Magen sich leicht zusammenzog.
Die Zwerge oben an Deck verfolgten die Szene mit misstrauischen Blicken. „Ich habe ohnehin eine Ladung Zwerge an Bord“, meinte Swafnild, die Blicke auffangend. „Wenn ihr wollt, nehme ich euch noch ein Stück mit. Für mich geht’s weiter die Küste runter.“
Althea erwiderte den Blick ruhig. „Wir reisen gerne bis Kord mit.“
So kam es, dass sie noch in derselben Nacht, mit Wind im Rücken, Kord erreichten.
Es war Mitternacht des 27. Praios, als die „Hjallandstolz“ im Hafen festmachte. Die Zwerge stürmten über die Planken, als sei das Schiff in Flammen aufgegangen. Swafnild reichte Althea die Hand zum Abschied. „Vielleicht sieht man sich wieder.“ – „Vielleicht“, erwiderte Althea, und die Hand war fest, fast freundschaftlich.
Dann trat sie an Land – und fand ihre Gefährten bereits in einer Front aufgestellt, die Arme verschränkt, die Gesichter hart. „Glaub ja nicht, dass wir von hier mit dem Schiff weiterreisen“, knurrte Keldi. „Nie wieder Schiffe“, legte Hurdin nach. Tondar nickte grimmig, und Furka spuckte demonstrativ zur Seite.
Einen Augenblick lang stand nur die Brandung im Hintergrund. Dann räusperte sich Curian, die Hände locker auf seinen Stab gestützt. Sein Blick wanderte von den Zwergen zur Straße hinauf. „Nicht die schlechteste Idee“, sagte er trocken. „Hier beginnt wieder die zivilisierte Welt. Von Kord aus erreicht man jeden Ort um Prem – und das ganz ohne Nächte unter offenem Himmel.“
Ein müdes Lächeln zuckte über Altheas Lippen. Die Knödelei der Westküste war zu Ende.

