04.05.2020, 21:09
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 05.05.2020, 20:57 von Fíonlaighrí.)
Oblotin, 10. Travia
Zivilisation. Zumindest, wenn man das so nennen kann. Seit vor wenigen Jahren am Oblomon Gold gefunden worden ist, drängt es immer mehr Glücksritter in das Land der Elfen. Bin mal gespannt, wie lange das gut geht.
Gerasim, 11.Travia
Das Zwischenziel ist erreicht. Wir übernachten hier. Zu meiner Verwunderung habe ich festgestellt, dass die hiesige Akademie kein zentrales Gebäude besitzt. Außerdem sind alle damit beschäftigt, die Festlichkeiten zum morgigen Tag der Treue vorzubereiten.
Gerasim, 12.Travia
Heute musste ich eine Entscheidung treffen: Entweder direkt nach Riva oder noch ein Weilchen in Gerasim bleiben und mal sehen, was ich hier noch so alles lernen kann. Die Karawane jedenfalls konnte nicht warten und so habe ich mich entschieden, sie ziehen zu lassen. Da über den Winter die Route nicht genutzt wird, werde ich wohl einige Zeit hier bleiben dürfen. Der Travia-Geweihte, Bruder Aidin, hat mir angeboten, im Tempel – einem Blockhaus – übernachten zu können. Ich freue mich auf das Fest heute Abend und die kommenden Wochen!
Gersaim, 13. Travia
Die Feier gestern Abend hatte meine kühnsten Erwartungen übertroffen! Aus den bekannten Gründen habe ich noch nicht so die Erfahrung auf diesem Gebiet, aber dennoch habe ich es sehr genossen. Von der Eigensinnigkeit und Aufdringlichkeit der Travia-Kirche, wie man sie von anderswo kennt, war hier keine Spur zu sehen! Waldelfen und Menschen feierten gemeinsam fröhlich in trauter Eintracht. Wildbret, frisch gebackenes Brot, Räucherlachs, fangfrisch aus dem Oblomon, Honigmet – eine wahre Gaumenfreude! Dies änderte sich jedoch augenblicklich, als Bruder Aidin die Feiernden dazu aufrief, einem geliebten Menschen die Treue zu schwören. Ich wollte mich abwenden, aber zu spät: Der Geweihte bemerkte die Träne, die mir über die Wange lief. Liebevoll ermutigte er mich dazu, der Göttin zu schwören – auf sie sei Verlass. Ich muss gestehen, bis gestern Abend hatte Travia keine wesentliche Rolle in meinem Leben gespielt, was sich jedoch in diesem Moment augenblicklich änderte. Ich überlegte, was ich ihr schwören könnte. Da sie genauso wie ich friedliebend ist, habe ich mich dazu durchgerungen, für sie auf alle Beschwörungs-, Kampf- und Beherrschungszauber sowie alle weiteren Zauber, die sich gegen den Willen eines Wesens richten, wie etwa Salander, zu verzichten. Lediglich auf drei Ausnahmen, die man mich in Norburg lehrte, wollte ich nicht verzichten: Bannbaladin, Blitz und Paralü. Ich fühlte mich gut, aber nicht lange.
„Schmerzt Euch dieser Schwur?“, fragte mich Spektabilität Mondglanz Eichenfeld, die überraschenderweise den Platz neben mir einnahm. Es war nur eine simple Frage, die mich jedoch völlig unruhig werden ließ. Wie konnte es diese besserwisserische Elfe wagen, mich etwas Derartiges zu fragen? Sie kannte mich doch überhaupt nicht! Als ich jedoch einen Moment inne hielt, begriff ich, dass es die Akademievorsteherin überhaupt nicht böse mit mir meinte.
„Nein“, antwortete ich ehrlich. „Das ist der Kodex meiner Schule.“ Mondglanz Eichenfeld blickte mich daraufhin nur liebevoll an, ohne einen Vorwurf zu äußern. Ein Blick, der symbolisierte: „Wenn du willst, kannst du mir deine Geschichte erzählen. Ich will mich dir aber nicht aufdrängen. Fühl' dich frei.“ Es war, glaube ich, das erste Mal, dass ein denkendes Wesen keine Erwartungen an mich hatte.
Ich dachte nach. Die Atmosphäre, das Essen, Aidins Ansprache, Mondglanz Eichenfelds liebevolle Art, all das zeigte mir ein neues Lebensgefühl auf, das ich so bisher noch nicht kannte – nennt es Freude, Hoffnung, Sinnhaftigkeit – jedenfalls erschien mir Travia in diesem Moment vertrauenswürdig. Zumindest vertrauenswürdiger als meine bisherigen „Freunde“. Und so schwur ich der Göttin, dass ich neben den genannten Sprüchen auch auf den Paralü, obwohl ich ihn so fleißig erlernt habe, fortan verzichten werde. Mondglanz Eichenlied spürte meinen inneren Kampf, den ich die ganze Zeit mit mir ausgefochten habe und zeigte sich über meinen neuen Schwur erfreut. Zur Ermutigung wolle sie mir einen neuen Spruch beibringen. Ich bin gespannt!