21.01.2018, 11:21
(21.01.2018, 00:31)Pergor schrieb: Aber ich persönlich war eigentlich der Auffassung, dass der Gang in die Opposition das kleinere Übel für die SPD wäre. Nun könnte man natürlich anmerken, dass die letzte in der Opposition vollzogene Legislaturperiode nun auch nicht dazu beigetragen hat, großartig Wähler zurückzugewinnen. Aber in einer erneuten GroKo mit Merkel wird ihnen das gewiss auch nicht gelingen.Dem bin ich ja durchaus geneigt zuzustimmen. Nur ist eine Legislaturperiode in der Opposition derzeit m.E. keine Alternative. Wenn die GroKo nicht zustande kommt, sehe ich jedenfalls nur Neuwahlen. Dass Lindner es sich nochmal überlegt, halte ich für ausgeschlossen. Und eine Minderheitsregierung wird die Union nicht machen. Denn damit wäre Merkel soetwas wie eine Kanzlerin auf Abruf, weil die Opposition jederzeit Neuwahlen erzwingen könnte, wenn es ihr gerade passt. - Abgesehen davon hätte die SPD dabei auch wenig zu gewinnen, wenn sie eine solche tolerieren würde. Nicht in der Regierung sein, aber alle wichtigen (und ggf. unpopulären) Entscheidungen mittragen, das hatte die SPD ja auch schon einmal (Stichwort "Euro-Rettung").
Und jetzt - gerade nach den innerparteilichen Querelen - Neuwahlen zu machen, bei denen Merkel auch wieder antreten würde, kann m.E. nicht im wohlverstandenen Interesse der SPD liegen. Das erst Recht nicht, weil man ihr wohl die Schuld für das Scheitern der Regierungsbildung mehr als der Union geben würde (mit "man" sind erster Hand die Medien und zweiter Hand dann die Wähler gemeint).
Die Frage, ob die SPD in den Sondierungen genug erreicht hat, muss man m.E. auch mal realistisch beleuchten. Was hätte sie denn ernstlich erreichen können und sollen? Es geht ja auch nicht darum, dass die SPD einen Juniorpartner braucht. Dass die Union die Bürgerversicherung mitmacht, war doch von Anfang an reine Traumtänzerei. Das ist ein extrem aufwändiger Systemwechsel, der zudem an die Grundfesten des Konservativen geht. Würde die CDU/CSU das mitmachen, könnte das soetwas wie "ihre Agenda 2010" werden - also langfristig wichtige Schichten der Wählerschaft verprellen. Eher hätte ich erwartet, dass die SPD eine substanzielle Anhebung des Mindestlohnes durchsetzen würde. Der Mindestlohn gilt sowieso als eine der größten SPD-Errungenschaften der letzten Jahre und zumindest weithin als Erfolg. Da nochmal nachzulegen, hätte potentiell linkeren SPD-Wählern eher zusagen können. Und das wäre auch mit größerer Wahrscheinlichkeit hinterher nicht Merkel oder der Union zugerechnet worden. Aber BaFöG- und Kindergelderhöhung waren den Sozialdemokraten wohl wichtiger - vielleicht auch in der Hoffnung, die Jusos mit ins Boot zu holen.
(21.01.2018, 00:31)Pergor schrieb: Aber wenn ich mir so angucke, dass selbst die vermeintliche "GroKo" auch nur gerade so über 50% kommt, dann stelle ich mir die Frage, ob man das überhaupt noch eine "GroKo" nennen kann.Ich sehe den Begriff "Große Koalition" solange als gerechtfertigt an, wie die beiden Parteien (dabei CDU und CSU jetzt mal zusammengerechnet) koalieren, die die meisten Stimmen haben. Erst wenn die SPD nur noch drittstärkste Kraft würde, hielte ich den Begriff für falsch. Aber das ist eine Definitionsfrage.
Bei den Wahlergebnissen sollte man m.E. ein Stück weit auch sehen, dass vieles "im Lager" geblieben ist. Dadurch, dass die FDP wieder knapp 10 % geholt hat, hat die Union etwa in dem Maße verloren. Das kann sich auch wieder ändern, wenn die FDP an Reiz verliert (den ich in dem Charisma und der Eloquenz eines einzelnen Mannes begründet sehe). Bei der SPD ist das ein Bißchen anders, weil seit der Agenda 2010 viele Dauerenttäuschte entweder zu Hause bleiben oder endgültig zu den Randparteien abgewandert sind.
Die Masse des AFD-Blocks im Parlemanet, der definitv koalitionsuntauglich ist, halte ich aber auch für das mit Abstand größte Problem derzeit (auch wenn ich an der Regierungsfähigkeit der Linken im Bund ebenfalls noch große Zweifel habe; völlig ausgeschlossen wäre Rot-Rot-Grün aber wohl nicht, wenn's denn reichen würde).
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."