(10.04.2015, 16:00)Hendrik schrieb: Also, stay sceptical on scepticism. andere Kritik
Diese Replik geht ein wenig an der eigentlichen Kritik vorbei. Das sind zwar durchaus Punkte, die man anführen kann, aber die Hauptkritik richtet sich ja primär gegen den bewusst überhöhten Eindruck der mit diesem Showvideo erzeugt wurde.
Das Grundproblem ist doch, dass etwas mit vermeintlicher Absolutheit behauptet und als neue Erkenntnis verkauft wird. Ich habe mehrere Kritiken gelesen/angeschaut und die wesentlichen Punkte daraus, lassen sich nicht so pauschal relativieren. Das historische Bogenschießen unterscheidet sich zwangsläufig je nach Einsatzzweck, es gibt nicht die eine richtige oder überlegene Art des Bogenschießens, sondern allenfalls den jeweiligen Entwicklungen und Zwecken angepasste Taktiken/Techniken und Bögen.
Im betreffenden Video, wird der Eindruck erzeugt, Bogenschützen hätten sich früher generell wesentlich dynamischer bewegt, entgegen der Vorstellung eines statischen Fernkämpfers. Warum macht derjenige dann nicht erst einmal den Punkt, dass es je nach Region und Zeit natürlich auch eine unterschiedliche Handhabung des Bogens gegeben hat. Natürlich benötigen berittene Bogenschützen eine ganz andere Taktik, Technik, Ausbildung und Bögen, als die bekannten englischen Langbogenschützen des Mittelalters. Ich würde mir ja schon Gedanken machen, weil dieser vermeintlich neue Stil, eher dem von Legolas ähnelt (natürlich ohne die hier explizit angeführte "falsche" Seite zu verwenden).
Problematisch erscheint mir auch das als Testobjekt ausgerechnet ein Kettenhemd verwendet wird, um den Eindruck zu erwecken, die Pfeile wären noch stark genug, einen entsprechenden Schutz zu durchdringen. Wann ist denn ein Kettenhemd + Gambeson jemals als Primärschutz gegen Pfeile gedacht gewesen? Sollte man das wirklich ernst meinen, müsste man schon eine typische komplette Schutzausrüstung dafür verwenden. Es wird auch nicht klar, worauf sich das nun eigentlich beziehen soll, nur auf den nahen Osten, also Sarazenen zur Zeit der Kreuzzüge, was anderes kann ja fast nicht gemeint sein, wenn man nur diese eine Quelle verwendet? Die Kraft des verwendeten Bogens scheint geringer zu sein, als zum Durchdringen notwendig wäre (vielleicht reichts ja bei ungeschützten Zielen), schließlich geht es hier ja eigentlich nur um die Geschwindigkeit, um zu demonstrieren, dass man mit entsprechener Ausrüstung und Technik sicherlich sehr viele Pfeile mitunter auch treffsicher aus kurzer Entfernung abschießen könnte.
Nichts gegen seine Leistung an sich, will garnicht wissen, wieviele Versuche und Training manche seiner Kunstschüsse benötigt haben, aber das kann man doch nicht ernsthaft als Beleg für vermeintlich gänzlich neue Erkenntnisse für das historische Bogenschießen werten, wenn noch nicht einmal eine entsprechende Basis für diese Aussagen dient. Man kann sicherlich noch mehr am entsprechenden Video kritisieren und der Grund liegt hier wohl primär darin, dass dieser Mann damit anscheinend nur größtmögliche Aufmerksamkeit erlangen wollte (was ihm wohl dank Provokation mehr als gelungen ist) und daher zum Teil unsinnige Behauptungen aufgestellt hat und damit den Eindruck erweckt, er wäre dadurch auf neue Erkenntnisse bzgl. des historischen Bogenschießens gekommen.
Ich meine, wenn man ernsthaft ein Interesse an einer entsprechend sachlichen Auseinandersetzung (im Sinne der historischen Genauigkeit) hätte, dann stellt man seine Behauptungen nicht in dieser provokanten Form auf. Siehe schon zu Beginn des Videos: Hervorhebung aus der einzigen angeführten schriftlichen Quelle: This is the best type of archery and there is nothing beyond it in power and accuracy. Die Aussage wird einfach als wohlklingender Leitsatz herausgestellt. Btw scheint sich das im Kontext wohl eher auf berittene Bogenschützen zu beziehen (was die Ausgangslage bereits erheblich verändert).
Also das Video ist voll von schön anzusehenden Showeinlagen, die unter realen Bedingungen sicherlich für die angedeuteten historischen Situationen unrealistisch bleiben oder glaubt hier tatsächlich jemand, dass man zum Beispiel so wie im Video wirklich einen normalen Pfeil, der mit einem entsprechenden Bogen mit voller Zugkraft abgeschossen wurde, so auffangen und zurückschießen kann und das dies eine realistische, historische Technik für einen echten Kampf darstellt? Dieser Eindruck wird nämlich durch das Video erzeugt, man hätte es ja auch einfach schöne Bogenschusstricks nennen können.