(04.03.2015, 19:05)Zurgrimm schrieb: Ja und nein. Es ist zwar richtig, daß es in den postrevolutionären Systemen eigentlich immer an der Führung lag, daß das System in Chaos oder Diktatur mündete. Aber das liegt auch daran, daß es eine Führung geben muß. Die Masse allein ist nicht in der Lage, sich intelligent selbst zu organisieren und zu führen. Jedenfalls hege ich keinerlei Vertrauen in die sog. Schwarmintelligenz. Es muß eine möglichst weitsichtig handelnde Leitung geben, die möglichst aus Eliten bestehen sollte.
Daß es in der Praxis allzuhäufig an der elitären Qualifikation fehlt und daß die Entscheidungen in Qualität und Weitsicht oft zu wünschen übrig lassen, u.a. weil immer wieder die falschen Leute und Gruppiereungen zu viel Einfluß gewinnen, ist m.E. das Kernproblem.
Die Frage ist ja eigentlich, ob man dieses Problem überhaupt jemals überwinden wird/kann. Es ist völlig egal, welches der bisherigen Gesellschaftssysteme man dafür heranzieht. In jedem gab und gibt es eklatante Fehlentwicklungen, die mit der theoretischen Basis nicht mehr viel zu tun haben. In einer Diktatur wird das Versagen der Führung evtl. etwas schneller deutlich. Solange sich in zwangsläufig hierarchischen Systemen entsprechende Machtinteressen Einzelner oder priviligierter Gruppen über ein "gesundes Maß" hinaus manifestieren können, solange werden diese zwangsläufig irgendwann zum Problem für das Gesamtsystem. Eine praktikable Lösung ist wohl nicht bekannt. Die Demokratie wird stetig durch solche Gruppen/Personen untergraben. Theoretisch wäre eine wohlwollende Diktatur möglich, nur das Grundproblem scheint mir generell der Mensch selbst zu sein (welchen Typ Mensch sollte man überhaupt für die Herrschaft (aus)wählen), so dass Macht letztendlich wahrscheinlich jeden irgendwann korumpiert. Gibt es überhaupt ein Beispiel für ein rundum gelungenes/funktionierendes Gesellschaftssystem oder muss sich doch nicht erst der Mensch selbst dafür (ver)ändern?
Mir fällt ja dazu das Beispiel Bhutan ein, verglichen mit uns ein eher ein Entwicklungsland, aber die Ausrichtung (Bruttonationalglück) ist zumindest ein hoffnungsvoller Ansatzpunkt und ja damit wäre man doch wieder bei der jeweiligen Führung als Verantwortungsträger angelangt. Die eher träge Masse in den westlichen Staaten ist zwar auch ein Argument gegen große Veränderungen, aber unsere Führung hat anscheinend auch keinerlei Interesse, dass sich grundsätzlich etwas verändert. Richtig ist, dass wir uns auf einem hohen Lebensstandard befinden und das viele wirklich lebensbedrohende Probleme der Entwicklungsländer in Deutschland so nicht existieren.
Trotzdem ein weiter wie bisher können wir uns wahrscheinlich allenfalls noch ein paar Jahrzehnte erlauben und da wirklich tiefgreifende Veränderungen bekanntlich sehr viel Zeit brauchen, sollte man eigentlich jetzt schon darüber nachdenken und nicht einfach nur den Status Quo als Ziel zementieren. Und das stört mich eigentlich am meisten am heutigen "System", es geht dabei nicht prinzipiell um die Demokratie an sich oder wie gut/schlecht diese in der Praxis funktioniert (ein paar Defizite wird es wohl immer geben), sondern um das Wirtschaftssystem an sich, dass ja leider allzu gerne mit der Demokratie untrennbar verbunden wird. Für mich ist entweder der "Kapitalismus" in seiner heutigen Form oder eben unsere heutige Gesellschaft ein Auslaufmodell, entweder wir schaffen es dieses Wirtschaftssystem grundsätzlich zum besseren für uns und die Natur zu verändern oder diese Gesellschaft wird irgendwann daran zugrunde gehen. Es bleibt nur die Frage, wie lange das noch so weitergehen kann? Wahrscheinlich ist Ayn Rands Philosophie wirklich der Traum & das Ziel der Neoliberalisten und der Alptraum für alle anderen.