10.02.2013, 16:42
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 10.02.2013, 16:48 von Fíonlaighrí.)
Vom Kampf noch erschöpft blickte ich den beiden hinterher. Die Menge begann sich aufzulösen. Die Marktschreier waren wieder zu hören. Man widmete sich wieder der Trauer um die verstorbene Anführerin. Glück im Unglück. Auch wenn der Tod der Hetfrau sicherlich tragisch ist, dies führte dazu, dass man meinem „Sieg“ keine allzu große Aufmerksamkeit schenkte, was mir äußerst entgegen kam, denn ich konnte keine Aufmerksamkeit brauchen und wollte mich in den Tempel zurückziehen. Plötzlich verspürte ich eine Hand auf meiner Schulter mit der Tätowierung. Erschrocken zuckte ich zusammen. Es war der Greis aus dem Tempel.
Obwohl er ziemlich unbeweglich aussah, so schien er trotz seines Alters doch noch jede Menge Kraft zu haben. „Kann ich Euch einen Moment sprechen?“ - „Was wollt Ihr?“ - „Lasst uns hineingehen, es muss ja nicht gleich jeder davon Wind bekommen.“ Er forderte mich auf, am großen Travia-Feuer Platz zu nehmen, worüber gerade ein fetter Ochse gebraten wurde. „Warum sitzen wir am Feuer und stellen uns nicht in die Ecke, wenn es nicht jeder mitbekommen soll?“, wollte ich wissen. „Wir sollten vermeiden aufzufallen. Ich denke, das ist auch in Eurem Sinne.“ - „Also, was gibt’s?“ Gestattet zunächst, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Lornir…“ - „Hätten die Herren gerne ein Horn Met?“ Die Aufmerksamkeit des hiesigen Geweihten zwang uns, das Gespräch zu unterbrechen. „Gerne“, sagte ich. Lornir nickte. Der Geweihte schenkte uns jeweils ein Horn ein, bis zum Rand gefüllt. Wir dankten, worauf er antwortete, dass wir Travia danken sollen und sich wieder entfernte. Lornir setzte an, nahm einen großen Schluck und wischte sich mit der Hand über seinen weißen Bart. „Fion“, antwortete ich. „Angenehm. Fion, mich hat es beeindruckt, wie furchtlos Ihr Euch diesem Einfaltspinsel gestellt habt. Wie Ihr mitbekommen habt, regelt man hier seine Angelegenheiten zuerst mit den Fäusten bevor man Fragen stellt. Nun ja, was ich sagen will: Ich habe in Thorwal einiges zu erledigen und könnte jemanden wie Euch gebrauchen, der mich vor den, sagen wir mal hiesigen ‚Gepflogenheiten‘ beschützt. Allerdings kann ich Euch nicht bezahlen und da Ihr offensichtlich Jäger seid, gibt es auch wenig, was ich Euch beibringen könnte. - „Es gibt immer was zu lernen.“, antwortete ich, den Blick ins Feuer gerichtet. „Ist das ein Ja?“ - „Ihr seid Thorwaler. Warum sollten die Leute hier Euch verprügeln wollen?“ - „Einen alten Greis schlägt man auch hier nicht, zumindest wenn man einen Funken Anstand besitzt. Dennoch würde ich mich wohler fühlen.“ Eigentlich hatte ich meine eigenen Ziele. Andererseits, was hatte ich denn vor? Vielleicht ist dies ja die Gelegenheit, irgendwann mal mein Leben zurückzubekommen? Vielleicht ist das der wahre Grund für meine Reise nach Thorwal? Ich schloss kurz die Augen. Noch einmal erlebte ich die Sonnenstrahlen des Efferdmorgens. Meinen Einzug in die schlafende Stadt. Ich spürte diese Sonnenstrahlen jetzt noch intensiver als in der Frühe. Sie verbreiteten eine solch angenehme Wärme wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Ich öffnete meine Augen, blickte ins Feuer und willigte ein. „Ich freue mich, dass Ihr die Herausforderung angenommen habt“, antwortete Lornir erleichtert. Wir stießen an und tranken unseren Met leer.
„Wie geht’s jetzt weiter?“, wollte ich wissen. „Zunächst begleitet Ihr mich in die ‚Vier Winde‘. Bedenkt dabei zwei Dinge. Erstens, wir wollen versuchen, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erwecken. Zweitens, Thorwaler lieben Raufereien, und Schänken sind beliebte Austragungsorte dafür. Wenn Euch jemand herausfordert, egal wer, nehmt Ihr diese Herausforderung an. Tut Ihr das nicht, trennen sich unsere Wege. Habt Ihr das verstanden?“ - „Verstanden.“ - Ich wusste, dass ich mich in Euch nicht getäuscht habe.“ Wir verließen den Tempel und machten uns auf zur Schänke ‚Vier Winde‘.
Ich weiß nicht, ob es am Tod der Hetfrau lag oder daran, dass ich mich Thorwal befand, jedenfalls hatte ich noch nie eine Schänke erlebt, die bereits um kurz nach 11 Uhr morgens so voll war. Wir ließen uns an einem Tisch in einer der hinteren Ecken nieder und bestellten zwei Bier. Das vorherrschende Thema an allen Tischen war natürlich Garhelts Tod. Ich schnappte einzelne Gesprächsfetzen auf. 73 sei sie gewesen, ein Alter, in dem Sterben durchaus erlaubt sei, ihr Sohn Tronde habe jetzt ihre Nachfolge angetreten, vor allem Kjaska, ihre jüngste Enkelin, soll sehr um sie geweint haben. Trotz aller Niedergeschlagenheit um mich herum genoss ich es, wieder unter Menschen zu sein. Zwei Tische weiter sah ich Isidor und Bjaki sitzen. Die beiden schienen sich wirklich gut zu unterhalten. Irgendwie mochte ich die zwei. Kurz darauf, Lornir wollte gerade die zweite Runde einläuten, erschien ein mächtiger Thorwaler im Kriegsmantel. Eine schwere Axt hing an seinem Gürtel, auf deren Schaft ein Pottwal eingraviert war. Wie mir Lornir erklärte, handelte es sich bei dieser Axt um eine Orknase, ein wahres Prunkstück Thorwaler Schmiedekunst. Der Krieger griff mit seiner Rechten nach einem Signalhorn, in das er nun kräftig hineinblies. Blitzschnell wurde es still. „Das ist ein Krieger der Hetskari“, flüsterte Lornir, „das ist die Leibgarde des Hetmanns.“ Alle Augen waren jetzt auf diesen Gardekämpfer gerichtet. Räuspernd erhob er seine Stimme und ließ im Namen des neuen Hetmanns Tronde Torbensson verkünden, dass sein Herr Freiwillige suche, die ihm bei einer wichtigen Aufgabe helfen mögen. Große Ehre und Erwähnung in den Skaldensängen seien im Falle des Erfolgs gewiss. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, hing er sich sein Signalhorn um die Schulter und verschwand wieder, so schnell wie er gekommen war. Stille.
Keiner traute sich etwas zu sagen. Schließlich war es der Wirt, der das Wort erhob: „Tjasse, Isleif, könnt ihr euch das vorstellen? Asleif Nellgardson kommt mit seiner Laute hier herein und besingt, wie ihr zwei dem Hetmann den Allerwertesten gerettet habt? Huahaha!" Rundum brach großes Gelächter aus, es wurde wieder lauter. Lornir wollte erste Anstalten zu gehen machen, als es am Nachbartisch etwas lauter wurde. Ein bärtiger Seefahrer mit Holzbein und Augenklappe erhob das Wort und erzählte was von einem Totenschiff, das auf dem Meer der Sieben Winde umhergeistere. Ich zuckte zusammen. Grund für die Irrfahrt sei ein Fluch Efferds oder Marbos.
Ein anderer am Tisch antwortete, dass er dies für Geschwätz halte und bestellte noch drei Bier. Zu meinem Erstaunen erhob sich Bjaki, der auf der anderen Seite dieser Seegarnspinner saß und ebenfalls die Geschichte mit dem Totenschiff zu hören bekam und kam zu ihnen an den Tisch. „Verzeiht, dass ich mich einmische“, begrüßte er sie bestimmt, „ich kam nicht drum herum, Eurer Unterhaltung beizuwohnen.“ - „Ach ja?“ - „Sagt Euch das Hjaldi-Lied etwas?“ Ein anderer schaltete sich ein, indem er seine Frage beantwortete und darauf hinwies, dass das Hjaldi-Lied in Thorwal jedes Kind kenne, da es die Geburt Swafnirs besingt. Herausfordernd fragte Bjaki ihn, ob er die Strophe mit der Geburt des Gottwals vorsingen könne. Schnell war eine Laute gefunden und weitere Seemänner und Seefrauen hatten sich um den Tisch versammelt. Dieses Volk liebt Skaldensänge und so stimmte eine größere Gruppe das Hjalgi-Lied an:
„Einstmals warb großmächtig Efferd, von wildem Begehren erfüllt, um Rondra, die Himmelserschütternde. Doch löwengleich wies sie ihn ab, des tiefe Fluten ihr kraftlos und schwächlich erschienen. Da tobte Efferd und mit ihm die Meere, die Lande ertranken unter tosenden Wellen. Wohl Hunderte, Tausende ersäufte der Seeherr, hundert mal mehr denn jede Schlacht je getötet. Erhitzt war ihr Antlitz, betört Rondras Sinn, und willig gab sie sich ihm hin.
Ein Sohn entsprang dieser Liebe, vollendet sein Leib, kraftvoll wie Sturmwind, doch ernst wie das Meer. Da kam Reue ob Efferd, der Toten Tausend trauerte er, die Lebenden traf sein Blick. So hieß er den Sohn sie bewahren, sie lehren den Fluten zu trotzen…“
„Genug!“, unterbrach Bjaki den grölenden Gesang mit kräftiger Stimme. „Bei Swafnir! Was unterbrichst du unseren Gesang?“, tönte es aus der Runde. „Ihr habt es eben selbst gesungen: Efferd reute sein Verhalten und er will die Seeleute beschützen. Demnach ergibt es keinen Sinn, dass er sie verfluchen sollte. Also, lasst gefälligst eure Spotttiraden auf den Meeresgott.“ Offensichtlich fühlte sich der junge Thorwaler dazu genötigt, Efferd zu verteidigen. „Dir hat der mittelländische Waldschrat wohl zu sehr den Schädel poliert!“, kam es postwendend zurück. „Genau! Lern' erst mal Raufen, dann kannst du uns belehren.“ Die Stimmung drohte schlagartig zu kippen. Streit lag in der Luft.
„Lass uns gehen“, sagte Lornir, der bereits im Begriff war aufzustehen. Ich warf meinen Bogen über die Schulter und erhob mich. „Hej“, tönte plötzlich einer aus der Runde, „dich kenn‘ ich doch! Du bist doch der Waldschrat, der vorhin Torgesson verprügelt hat.“ - „Ihr müsst Euch irren.“, erwiderte Lornir schnell, um zu verhindern, dass ich direkt antwortete und mich aufgrund meines mittelländischen Akzents zu erkennen gab. „Lasst ihn doch selbst antworten…oder hast du Angst, diesmal wirklich auf’s Maul zu bekommen? Hej, Torgesson, das is‘ doch der Kerl, der dich heut‘ morgen verprügelt hat!“ Jetzt war es wohl soweit. Lornir und ich sahen uns gegenseitig an. Wir wussten, wenn wir jetzt nicht auffallen wollten, musste ich mich wohl oder übel der Masse stellen.
Obwohl er ziemlich unbeweglich aussah, so schien er trotz seines Alters doch noch jede Menge Kraft zu haben. „Kann ich Euch einen Moment sprechen?“ - „Was wollt Ihr?“ - „Lasst uns hineingehen, es muss ja nicht gleich jeder davon Wind bekommen.“ Er forderte mich auf, am großen Travia-Feuer Platz zu nehmen, worüber gerade ein fetter Ochse gebraten wurde. „Warum sitzen wir am Feuer und stellen uns nicht in die Ecke, wenn es nicht jeder mitbekommen soll?“, wollte ich wissen. „Wir sollten vermeiden aufzufallen. Ich denke, das ist auch in Eurem Sinne.“ - „Also, was gibt’s?“ Gestattet zunächst, dass ich mich vorstelle. Mein Name ist Lornir…“ - „Hätten die Herren gerne ein Horn Met?“ Die Aufmerksamkeit des hiesigen Geweihten zwang uns, das Gespräch zu unterbrechen. „Gerne“, sagte ich. Lornir nickte. Der Geweihte schenkte uns jeweils ein Horn ein, bis zum Rand gefüllt. Wir dankten, worauf er antwortete, dass wir Travia danken sollen und sich wieder entfernte. Lornir setzte an, nahm einen großen Schluck und wischte sich mit der Hand über seinen weißen Bart. „Fion“, antwortete ich. „Angenehm. Fion, mich hat es beeindruckt, wie furchtlos Ihr Euch diesem Einfaltspinsel gestellt habt. Wie Ihr mitbekommen habt, regelt man hier seine Angelegenheiten zuerst mit den Fäusten bevor man Fragen stellt. Nun ja, was ich sagen will: Ich habe in Thorwal einiges zu erledigen und könnte jemanden wie Euch gebrauchen, der mich vor den, sagen wir mal hiesigen ‚Gepflogenheiten‘ beschützt. Allerdings kann ich Euch nicht bezahlen und da Ihr offensichtlich Jäger seid, gibt es auch wenig, was ich Euch beibringen könnte. - „Es gibt immer was zu lernen.“, antwortete ich, den Blick ins Feuer gerichtet. „Ist das ein Ja?“ - „Ihr seid Thorwaler. Warum sollten die Leute hier Euch verprügeln wollen?“ - „Einen alten Greis schlägt man auch hier nicht, zumindest wenn man einen Funken Anstand besitzt. Dennoch würde ich mich wohler fühlen.“ Eigentlich hatte ich meine eigenen Ziele. Andererseits, was hatte ich denn vor? Vielleicht ist dies ja die Gelegenheit, irgendwann mal mein Leben zurückzubekommen? Vielleicht ist das der wahre Grund für meine Reise nach Thorwal? Ich schloss kurz die Augen. Noch einmal erlebte ich die Sonnenstrahlen des Efferdmorgens. Meinen Einzug in die schlafende Stadt. Ich spürte diese Sonnenstrahlen jetzt noch intensiver als in der Frühe. Sie verbreiteten eine solch angenehme Wärme wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Ich öffnete meine Augen, blickte ins Feuer und willigte ein. „Ich freue mich, dass Ihr die Herausforderung angenommen habt“, antwortete Lornir erleichtert. Wir stießen an und tranken unseren Met leer.
„Wie geht’s jetzt weiter?“, wollte ich wissen. „Zunächst begleitet Ihr mich in die ‚Vier Winde‘. Bedenkt dabei zwei Dinge. Erstens, wir wollen versuchen, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erwecken. Zweitens, Thorwaler lieben Raufereien, und Schänken sind beliebte Austragungsorte dafür. Wenn Euch jemand herausfordert, egal wer, nehmt Ihr diese Herausforderung an. Tut Ihr das nicht, trennen sich unsere Wege. Habt Ihr das verstanden?“ - „Verstanden.“ - Ich wusste, dass ich mich in Euch nicht getäuscht habe.“ Wir verließen den Tempel und machten uns auf zur Schänke ‚Vier Winde‘.
Ich weiß nicht, ob es am Tod der Hetfrau lag oder daran, dass ich mich Thorwal befand, jedenfalls hatte ich noch nie eine Schänke erlebt, die bereits um kurz nach 11 Uhr morgens so voll war. Wir ließen uns an einem Tisch in einer der hinteren Ecken nieder und bestellten zwei Bier. Das vorherrschende Thema an allen Tischen war natürlich Garhelts Tod. Ich schnappte einzelne Gesprächsfetzen auf. 73 sei sie gewesen, ein Alter, in dem Sterben durchaus erlaubt sei, ihr Sohn Tronde habe jetzt ihre Nachfolge angetreten, vor allem Kjaska, ihre jüngste Enkelin, soll sehr um sie geweint haben. Trotz aller Niedergeschlagenheit um mich herum genoss ich es, wieder unter Menschen zu sein. Zwei Tische weiter sah ich Isidor und Bjaki sitzen. Die beiden schienen sich wirklich gut zu unterhalten. Irgendwie mochte ich die zwei. Kurz darauf, Lornir wollte gerade die zweite Runde einläuten, erschien ein mächtiger Thorwaler im Kriegsmantel. Eine schwere Axt hing an seinem Gürtel, auf deren Schaft ein Pottwal eingraviert war. Wie mir Lornir erklärte, handelte es sich bei dieser Axt um eine Orknase, ein wahres Prunkstück Thorwaler Schmiedekunst. Der Krieger griff mit seiner Rechten nach einem Signalhorn, in das er nun kräftig hineinblies. Blitzschnell wurde es still. „Das ist ein Krieger der Hetskari“, flüsterte Lornir, „das ist die Leibgarde des Hetmanns.“ Alle Augen waren jetzt auf diesen Gardekämpfer gerichtet. Räuspernd erhob er seine Stimme und ließ im Namen des neuen Hetmanns Tronde Torbensson verkünden, dass sein Herr Freiwillige suche, die ihm bei einer wichtigen Aufgabe helfen mögen. Große Ehre und Erwähnung in den Skaldensängen seien im Falle des Erfolgs gewiss. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, hing er sich sein Signalhorn um die Schulter und verschwand wieder, so schnell wie er gekommen war. Stille.
Keiner traute sich etwas zu sagen. Schließlich war es der Wirt, der das Wort erhob: „Tjasse, Isleif, könnt ihr euch das vorstellen? Asleif Nellgardson kommt mit seiner Laute hier herein und besingt, wie ihr zwei dem Hetmann den Allerwertesten gerettet habt? Huahaha!" Rundum brach großes Gelächter aus, es wurde wieder lauter. Lornir wollte erste Anstalten zu gehen machen, als es am Nachbartisch etwas lauter wurde. Ein bärtiger Seefahrer mit Holzbein und Augenklappe erhob das Wort und erzählte was von einem Totenschiff, das auf dem Meer der Sieben Winde umhergeistere. Ich zuckte zusammen. Grund für die Irrfahrt sei ein Fluch Efferds oder Marbos.
Ein anderer am Tisch antwortete, dass er dies für Geschwätz halte und bestellte noch drei Bier. Zu meinem Erstaunen erhob sich Bjaki, der auf der anderen Seite dieser Seegarnspinner saß und ebenfalls die Geschichte mit dem Totenschiff zu hören bekam und kam zu ihnen an den Tisch. „Verzeiht, dass ich mich einmische“, begrüßte er sie bestimmt, „ich kam nicht drum herum, Eurer Unterhaltung beizuwohnen.“ - „Ach ja?“ - „Sagt Euch das Hjaldi-Lied etwas?“ Ein anderer schaltete sich ein, indem er seine Frage beantwortete und darauf hinwies, dass das Hjaldi-Lied in Thorwal jedes Kind kenne, da es die Geburt Swafnirs besingt. Herausfordernd fragte Bjaki ihn, ob er die Strophe mit der Geburt des Gottwals vorsingen könne. Schnell war eine Laute gefunden und weitere Seemänner und Seefrauen hatten sich um den Tisch versammelt. Dieses Volk liebt Skaldensänge und so stimmte eine größere Gruppe das Hjalgi-Lied an:
„Einstmals warb großmächtig Efferd, von wildem Begehren erfüllt, um Rondra, die Himmelserschütternde. Doch löwengleich wies sie ihn ab, des tiefe Fluten ihr kraftlos und schwächlich erschienen. Da tobte Efferd und mit ihm die Meere, die Lande ertranken unter tosenden Wellen. Wohl Hunderte, Tausende ersäufte der Seeherr, hundert mal mehr denn jede Schlacht je getötet. Erhitzt war ihr Antlitz, betört Rondras Sinn, und willig gab sie sich ihm hin.
Ein Sohn entsprang dieser Liebe, vollendet sein Leib, kraftvoll wie Sturmwind, doch ernst wie das Meer. Da kam Reue ob Efferd, der Toten Tausend trauerte er, die Lebenden traf sein Blick. So hieß er den Sohn sie bewahren, sie lehren den Fluten zu trotzen…“
„Genug!“, unterbrach Bjaki den grölenden Gesang mit kräftiger Stimme. „Bei Swafnir! Was unterbrichst du unseren Gesang?“, tönte es aus der Runde. „Ihr habt es eben selbst gesungen: Efferd reute sein Verhalten und er will die Seeleute beschützen. Demnach ergibt es keinen Sinn, dass er sie verfluchen sollte. Also, lasst gefälligst eure Spotttiraden auf den Meeresgott.“ Offensichtlich fühlte sich der junge Thorwaler dazu genötigt, Efferd zu verteidigen. „Dir hat der mittelländische Waldschrat wohl zu sehr den Schädel poliert!“, kam es postwendend zurück. „Genau! Lern' erst mal Raufen, dann kannst du uns belehren.“ Die Stimmung drohte schlagartig zu kippen. Streit lag in der Luft.
„Lass uns gehen“, sagte Lornir, der bereits im Begriff war aufzustehen. Ich warf meinen Bogen über die Schulter und erhob mich. „Hej“, tönte plötzlich einer aus der Runde, „dich kenn‘ ich doch! Du bist doch der Waldschrat, der vorhin Torgesson verprügelt hat.“ - „Ihr müsst Euch irren.“, erwiderte Lornir schnell, um zu verhindern, dass ich direkt antwortete und mich aufgrund meines mittelländischen Akzents zu erkennen gab. „Lasst ihn doch selbst antworten…oder hast du Angst, diesmal wirklich auf’s Maul zu bekommen? Hej, Torgesson, das is‘ doch der Kerl, der dich heut‘ morgen verprügelt hat!“ Jetzt war es wohl soweit. Lornir und ich sahen uns gegenseitig an. Wir wussten, wenn wir jetzt nicht auffallen wollten, musste ich mich wohl oder übel der Masse stellen.