(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: Das ist richtig, kann man aber eben auch in die andere Richtung interpretieren: Das Recht auf Privatkopie machte (nur) in einer Welt Sinn, in der es keine verlustfreien Kopien gab; bezogen auch das Internet muss es daher geändert, ergo abgeschafft werden.So kann man argumentieren, ich sehe das aber anders. Die Privatkopie ist aus bestimmten Gründen eingeführt worden und die sind durch die Digitalisierung nicht obsolet geworden. Die damit ursprünglich geschützten Interessen bedürfen auch weiterhin des Schutzes.
Ich könnte Deine Auffassung eventuell teilen, wenn die Möglichkeit, eine verlustbehaftete Analogkopie zu bekommen weiterhin praktisch und rechtlich bestünde. Das ist aber nicht der Fall. Daß der Übergang von der analogen zur digitalen Welt gänzlich zulasten des Privatkonsumenten gehen soll, ist eine sehr einseitige Sicht.
Ein Grund für die Privatkopie war, daß der private Kleinkonsument nicht in einem kaum zu überwachenden Bereich reglementiert und kriminalisiert werden sollte. Ein anderer Grund war die Beförderung der Verbreitung von Kunst und Kultur in der Bevölkerung zu für jeden leistbaren Bedingungen. An diesen Aspekten hat sich um Grunde wenig geändert. Insofern ist das Recht der Privatkopie aus meiner Sicht reformierungs- nicht aber abschaffungsbedürftig. Und mit einer Reform meine ich zunächst, daß es dort (in zeitgemäßer Form) wieder eingeführt wird, wo es heute schon abgeschafft ist.
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: und ein Punkt ist, dass die es genau anders herum sehen: Durch das Internet UND die Möglichkeit der unbegrenzten Kopien ist eine eigentlich nicht vorgesehene, dramatsiche Verschiebung zu Gunsten der Verbaucher enstanden, die dringendst korrigiert werden muss.Das Internetzeithalter hat mit Sicherheit die Möglichkeiten für Konsumenten erweitert. Es hat auf der anderen Seite aber auch die (wen auch weithin noch ungenutzten) potentiellen Absatzmöglichkeiten von Werkschaffenden und Verwertern revolutioniert. Noch nie konnten so viele Menschen erreicht werden, wie heute. Es muß eben nur gelingen, sie zu "Kunden" zu machen, womit ich meine, daß sie einen Gegenwert für den Werkgenuß leisten müssen. Das kann aber m.E. nicht auf die bisherigen Formen des analogen Zeitalters begrenzt bleiben. Die Notwendigkeit für jeden, einen eigenen Originaldatenträger erwerben zu müssen, ist m.E. nicht zukunftsfähig, weil die technische Entwicklung dieses System einfach überholt hat.
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: Angesichts der Tatsache, wie sehr schon gegen die GEZ-Gebühr Sturm gelaufen wird, habe ich wenig Hoffnung, dass das hinterher auch wirklich akzeptiert wird. Es wird adnn wieder ne Menge Schreihälse geben, die von Zwang und Bevormundung reden.Schreihälse wird es immer geben. Eine neue Regelung muß nicht populär sein, sie muß aber einen sinnvollen Ausgleich der beteiligten Interessen schaffen. Daß ein solcher nie allen gefallen wird, liegt in der Natur der Sache und spricht genausowendig gegen die Notwendigkeit, wie gegen die Möglichkeit einer besseren Regelung, als wir sie heute haben.
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: Nebenbei sehe ich das auch insofern kritisch, dass es aus meiner Sicht sinnvoll ist, wenn eine Gesellschaft frei entscheidet, wessen Werke sie konsumiert (=bezahlt) und wieviel sie insgesamt dafür ausgibt.Ja, es müßte irgendeine Art "Schlüssel" geben, nach dem die Einnahmen aus der Pauschalgebühr gerecht auf die Werkschaffenden verteilt werden. Daß dabei jeder das gleiche bekommt, ist sicherlich nicht die ideale Lösung. Es muß ein Weg gefunden werden, den Erfolg eines Werkes zu mesen (z.B. durch Klickzähler auf bestimten, etablierten Konsumseiten).
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: Außerdem müsste man ein umfangreiches Überwachungssytem einrichten, wer wie oft was konsumiert, um die Verteilung regeln zu können, und man muss verhindern, dass Künstler ihre eigenen Werke automatisiert nutzen, um höhere Einnahmen zu generieren.Und beim heutigen System muß man ein Überwachungssystem etablieren, wer was wann wo heruntergeladen hat, um ihn ggf. bestrafen (und ihm die Internetverbindung kappen) zu können. Finde ich jetzt auch weder einfacher, noch besser.
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: Man sollte grundsätzliche Rechte nicht an technische Errungenschaften anpassen oder daran ausrichten. In meinen Augen sollte ein Kunstschaffender weiterhin seine Rechte behalten können. (Nur weil es mittels Telefon und Internet einfacher geworden ist, jemanden zu beleidigen, haben wir das ja auch nicht aus dem Strafkatalog genommen).Doch, ich finde, genau das sollte man. Die Rechtsordnung sollte sich an die tatsächlichen Entwicklungen der Zeit anpassen. Und genau das passiert auch vielfach. So ersetzt zunehmend in verschiedenen Bereichen die Textform (eMail!) die Schriftform, der massenhafte Versandhandel auch über das Internet hat zu einem Ausbau des Fernabsatzrechts geführt, die Durchsetzung von Geldzahlungsansprüchen wurde durch das elektronische Mahnverfahren deutlich erleichtert. Man kann zu einzelnen Punkten stehen, wie man will, aber das Recht ist ständig im Fluß und muß sich den Entwicklungen der Zeit anpassen - natürlich ohne jeder Forderung des Zeitgeistes hinterherzurennen.
Die Beleidigung finde ich als Gegenargument deshalb wenig geeignet, weil man gerade an ihr ebenfalls deutliche Kritik üben kann und es verschiedene Tendenzen zur Einschränkung des Straftatbestandes gibt. Sie zeigt nur, daß das Urheberrecht nicht der einzige Bereich ist, an dem nicht mehr zeitgemäßes Recht existiert.
Tatsächlich ist es so, daß die Strafwürdigkeit der reinen Verbalbeleidigung in heutiger Zeit hinterfragt werden kann. Bei Schaffung des StGB, im Jahre 1871 hatten Ehrverletzungen einen ganz anderen Stellenwert (zu sehen u.a. daran, daß die Beleidigung in § 185 StGB geregelt ist, noch vor Delikten wie Körperverletzung und Mord). Damals konnte es in bestimmten Kreisen bei schweren Beleidigungen noch zu einem Duell kommen. Heute wird die normale Verbalbeleidigung üblicherweise als Bagatelldelikt verstanden. Es gibt verschiedene Versuche, die Reichweite einzuschränken, so wird § 193 StGB ("Wahrnehmung berechtigter Interessen") vor dem Hintergrund des Grundrechts der Meinungsfreiheit weit ausgelegt und prozessual gibt es neben der (üblichen) Möglichkeit der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit der Schuld ( § 153 StPO) die Möglichkeit, den Geschädigten auf das Privatklageverfahren ( § § 374 ff. StPO) zu verweisen, was eine Verfolgung der Beleidigung zumindest unangenehm und aufwendig macht.
Zeitgemäßer wäre es möglicherweise, den Beleidigungstatbestand gänzlich auf besonders schwere, v.a. tätliche Beleidigungen zu begrenzen und den Rest allenfalls ins Ordnungswidrigkeitenrecht zu verlegen.
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: Und das niemand seine Werke offenbaren muss, greift zu kurz: Wer damit Geld verdienen muss, muss es in irgendeiner Form zur Verfügung stellen,Derjenige ist aber auch von einer weiten und beliebigen Verbreitung seines Werkes nicht ernstlich beschwert, wenn er dafür angemessen entlohnt wird. Und genau das muß sichergestellt werden. Was freilich auf der Strecke bleibt, ist die Möglichkeit, nach Gutdünken beliebig hohe Preise zu verlangen. Das ist eine Einschränkung, aber eine die im Rahmen des Interessenausgleichs hinnehmbar sien dürfte.
(24.03.2012, 14:57)Wolverine schrieb: und kann, selbst wenn er es nicht in digitaler Form anbietet, nicht verhindern, dass es digitalisiert und verbreitet wird. Klassisches Beispiel: Das Einscannen von Büchern, die es nicht digital gibt.Niemand sagt, daß es nicht Grenzen des Zulässigen geben sollte. An diesem Punkt würde ich eine setzen. Was nicht vom Berechtigten digital verbreitet wurde, sollte nicht frei über das Internet verbreitet werden dürfen. Google sollte für seine Buchsuche - zumindest bei aktuell noch im Handel befindlichen Ausgaben - eine Einwilligung der Berechtigen brauchen (also zahlen und ggf. auf manche Werke verzichten müssen).
"Haut die Säbel auffe Schnäbel."