(27.02.2012, 00:32)Wolverine schrieb: Genau deshalb ist eine Aufarbeitung so notwendig: sobald man auf Missstände des DDR-Regimes hinweist, kommt sofort die NS-Retourkutsche, dort sei ja alles noch schlimmer gewesen. Schön zu sehen an der Kandidaten-Diskussion der Linkspartei. Wenn andere einen Kämpfer gegen das DDR-Unrecht ins Rennen schicken, kontern die Linken sofort mit einem Kämpfer gegen das NS-Unrecht: Bloß keine Diskussion über das DDR-Unrecht zulassen.
Ich habe kein Problem mit der Aufarbeitung an sich, sondern nur mit der Art und Weise. Eine Notwendigkeit ist sicherlich gegeben und wird auch zurecht vorangetrieben. Da ist man aber deutlich weiter, als es der von dir latent implizierte Vorwurf andeutet. Gauck als Kämpfer gegen das DDR-Unrecht zu stilisieren, halte ich gemessen an dem, was andere wirklich aktive DDR Bürgerrechtler geleistet haben, mit Verlaub für unangemessen. In diesem Sinne, steht solch ein Kandidat in vielerlei Hinsicht nicht für die Mehrheit der Bevölkerung. Und zur Retourkutsche, die kommt wohl oft deshalb auf, da es nach wie vor genug Versuche gibt, beide Diktaturen miteinander gleichzusetzen. Da dies dann allzu oft auch politisch genutzt wird, darf man den Zweck solch einer pauschalen Gleichsetzung durchaus kritisieren. Insofern verstehe ich allerdings nicht, wieso du diesbezüglich offenbar ein Missverhältnis annimmst, Kritik an DDR-Unrecht wird doch eher gerne hofiert, diese zugegeben selten sinnvolle Verteidigungsstrategie (NS Vergleich), ist da so oder so wohl kaum ein gleichwertiges Gegengewicht.
Zitat:Ehrlich? Du hättest Dir gewünscht, man hätte die NSDAP nicht verboten, auf eine Entnazifizierung verzichtet, und zugelassen, dass sich die Verantwortlichen hinter Juristereien verstecken?
Wo gabs eine Entnazifizierung? In der BRD? Wäre mir neu, aber richtig, man hätte damals wie heute mit deutlich mehr Augenmaß und deutlich zielgerichteter und vor allem weniger politisch motiviert vorgehen müssen. In diesem Sinne steht das was die Russen, zum Teil auch durch Denunziation in vielen Fällen damals wahrscheinlich zuviel getan haben, im Gegensatz zum deutlich zu wenig tun, der damaligen BRD/Besatzungsmächte. Abgesehen davon, bleibt die Unvergleichbarkeit des Ausmaßes der tatsächlichen Verbrechen beider Diktaturen. Selbst eine gründliche Aufarbeitung kann natürlich immer nur bis zu einem gewissen Grad erfolgen, aber man kann nicht gerade erkennen, dass die damalige BRD von sich aus allzu viel Aufwand darin investiert hat. Man hätte sich doch selbst weiter engagieren können und das noch dazu ganz ohne den Druck der Besatzungsmächte. Und ob sich die Verantwortlichen überhaupt vor Gericht verantworten müssen oder nicht, stellt ja schon einen großen Unterschied dar. Was dann dabei im Einzelfall herauskommt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Zitat:Solange weiterhin unwidersprochen verbreitet wird, welche "Vorteile" die damalige DDR doch gehabt haben soll ...
Und wen stört das? Das kann doch eigentlich nur dann stören, wenn man die DDR als schlimmsten Unrechtsstaat schlechthin stilisieren möchte, ganz nachdem Motto, nun sehts doch endlich ein, dass ihr in einem solchen System unterdrückt wurdet und demzufolge keine Vorteile gehabt haben könnt. Ich sehe immer noch kein Missverhältnis, die DDR Kritik überwiegt doch deutlich, die wie auch immer man dazu steht, vermeintliche DDR Stilisierung. Andererseits wirkt es für viele Menschen, die dort gelebt haben, nunmal ein wenig an der eigenen Lebenserfahrung/wirklichkeit vorbeiargumentiert. Das muss man nicht unbedingt verstehen, kann man aber einfach akzeptieren. Das Wort Unrechtsstaat wird auch weiterhin noch oft genug in diesem Zusammenhang genannt/gebraucht werden.
Um einer weiterführenden Diskussion, in einem dafür ungeeigneten Thread vorzubeugen, würde ich es an dieser Stelle damit belassen. Problematisch erscheint mir auch die verzögerte Antwort , aber bei einer Woche Abstand kommt man nicht unbedingt noch auf die Idee, dass auf den eigenen Post noch eine solche Antwort erfolgt.