20.02.2012, 20:53
Zurgrimm schrieb:Daß die Entscheidung politisch getroffen wird, ist im System der Wahl über die Bundesversammlung anstatt vom Volk direkt bereits angelegt. Das wollte der Grundgesetzgeber so.
Daran habe ich nichts auszusetzen. Auch gegen den Gauck als solchen habe ich nichts. Mir ging es um die Geschwindigkeit, mit der jetzt sofort ein neuer Kandidat feststehen musste, über den nicht mehr weiter diskutiert werden soll. Dabei wird eine demokratische Partei - egal, wie man nun persönlich zu ihr steht -, die eine nicht geringe Zahl von Wählern im Bundes- und in vielen Landesparlamenten vertritt, plakativ außen vor gelassen.
Was mich aber am meisten stört, ist folgendes: In Deutschland herrscht die Überzeugung, daß die größte Gefahr für die Demokratie darin besteht, daß verschiedene Meinungen gegeneinander stehen. Wenn Koalitionspartner verschiedene Ansichten verlautbaren, hagelt es Kritik über die Uneinigkeit in der Regierung. Wenn irgendwo zwei Kandidaten zur Wahl stehen, macht das Wort von der Kampfkandidatur die Runde. Immer muß schnellstmöglich die größtmögliche Einigkeit hergestellt werden; nach einem partei- oder koalitionsinternen Beschluß darf keiner mehr querschießen und sagen, er sei anderer Ansicht; Diskussionen und Kompromißfindung hat der Teufel gemacht.
Das jetzige Vorgehen schlägt genau in diese Kerbe: Weil die FDP sich hinter Gauck gestellt hat, blieb der Union "nichts anderes übrig", als das auch zu tun. Warum? Es ist noch lange hin bis zur Abnickung des Kandidaten eigentlichen Wahl. Es ist genug Zeit für Verhandlungen. Es gibt Spielraum, verschiedene Möglichkeiten zu diskutieren. Stattdessen muß es mit einem "Fiat Praesidens" getan sein.
wolverine schrieb:Der Bundeskanzler wird vom Volk gewählt?Der Kanzler wird vom Parlament, also den Volksvertretern gewählt, das stimmt. Und genau deshalb hätte ein direkt vom Volk gewählter Präsident eine größere Legitimation als der Kanzler. Dann (d. h. im Falle einer Direktwahl) ließe sich argumentieren, daß der Präsi auch mehr Macht haben sollte. Zurgrimm spielt schon auf mögliche Konsequenzen an. Die berühmten Väter des Grundgesetzes haben die Macht des Staatsoberhauptes nicht zuletzt als Reflex auf die damals jüngste Vergangenheit gering gehalten.
Also meines Wissens wird der Bundeskanzler vom Bundestag, der Bundespäsident von Bundestag und Bundesrat gewählt. Nach dieser Logik hat der Bundeskanzler eine geringere Legimität als der Präsident, da er von weniger Stimmen (hinter denen weniger Wahlen stehen) gewählt wird.
Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mitglieder einer Partei - und mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. (Rosa Luxemburg)