Edvard schrieb:Zu Hitler (und den ganzen anderen Gesocks mit schwieriger Kindheit): Sagt Alice Miller explizit, dass Erziehung nicht der einzige Faktor ist oder erwähnt sie das einfach nicht?Sie erwähnt es sogar mehrfach explizit. Vor allem in ihren folgenden Büchern, wo sie auf Rückmeldungen und Kritik reagiert.
Edvard schrieb:(Krasses (unrealistisches) Beispiel: Jemand, der in Schwarzafrika neben einen Blutdiamantenmine samt Kindersoldaten und Diktator aufwächst, kann noch so eine tolle Erziehung haben, wird aber trotzdem unmenschliche Sachen machen.^^)So sicher wäre ich mir da nicht. Wenn ein Kind nicht zu einem Soldat erzogen wird und auch sonst nicht Opfer der dort praktizierten Indoktrination ist oder sonst irgend etwas anderes Schlimmes passiert, was die Geborgenheit in der Familie nicht ausgleichen kann, sehe ich keine Notwendigkeit, dass das Kind später in dieser Maschinerie mitmachen sollte. Es soll ja tatsächlich sogar in N*zi-Deutschland Leute gegeben haben, die sich sozusagen in der Rebellion engagierten und nicht im Dienste des Imperiums standen.
Edvard schrieb:Und was mir hier noch etwas komisch vorkommt: es wundert mich nicht, dass die ganzen Massenmörder, etc. eine schwierige Kindheit hatten. Nur stellt sich mir die Frage wie schwierig die Kindheit von "normalen" Leuten war. Wenn sehr viele der normalen Menschen eine schwierige Kindheit hatten, dann würde das ihre Thesen entkräften. Wenn weniger viele Normalos eine schwierige Kindheit hatten, dann würde das für ihre Thesen sprechen. Oder wenn man es von der anderen Seite betrachetet: Wie viele der Massenmörder/Vergewaltiger/etc. hatten im Vergleich eine gute Kindheit?Ja, hat sie: Kein einziger.
Hier würde ich mir einfach den ein oder anderen empirischen Vergleich wünschen. (Den A.M. ja vllt auch gemacht hat?)
Was deinen Einwand betrifft, dass nicht aus jedem Menschen, der eine schwierige Kindheit hatte, gleich ein mordendes Monster wird: Du schreibst, je höher der Anteil an "Normalen" (im Vergleich zu Tätern) unter allen Menschen mit einer schweren Kindheit ist, umso mehr würde das ihre Theorie entkräften... Tatsächlich entwickelt sich nur ein Bruchteil zu Tätern (sozusagen endlich viele Ausnahmen ) - zum Glück!
Um dieses Phänomen zu erklären, hat sie aus ihren Untersuchungen die Theorie der helfenden Zeugen abgeleitet.
Bevor ich mir jetzt aber schon wieder einen abbreche, um das genauer zu erklären, zitiere ich lieber nochmal. Dieses Mal aus der Leseprobe zu Wege des Lebens (das erste Ergebnis, das die Suchfunktion der Webseite auf meine Anfrage "helfende Zeugen" ausgespuckt hat):
(Es lohnt sich, die Leseprobe ganz zu lesen.)
Charakteristisch für die von ihr untersuchten Fälle ist, dass sie dort auch nach intensiven Nachforschungen nie einen Hinweis auf die Existenz eines solchen helfenden Zeugen gefunden hat. Ob ein misshandeltes Kind einer solchen Person begegnet, ist daher nach ihrer Aussage quasi das Zünglein an der Waage, das über die Entstehung (bzw. das Ausleben) einer so destruktiven Störung entscheidet. (Selbstverständlich unter der Prämisse, dass die erleideten Misshandlungen schwer genug waren, dass eine solche Störung sich überhaupt so krass äußert.)
Apropos: Wenn du sagst, das klinge dir alles zu theoretisch, kann ich dir nur davon abraten, dich näher mit Psychologie zu beschäftigen. Ich habe mich schon in die eine oder andere psychologische Theorie hineingearbeitet (drei Vorlesungen im Ex-Nebenfach) und die wirken meistens unglaublich "vertheoretisiert". Im Gegensatz dazu schreibt Alice Miller richtig "praxisnah".
Edvard schrieb:Wo ist dann da letztenendes der Unterschied zu dem, was du nicht OK findest (z.B. im Zimmer liegen und Schreien lassen)? Und wenn von uns du die Sachen nicht eingrenzen kannst, wer dann?Der Unterschied liegt doch auf der Hand - solange der Babysitter nicht die Einstellung vertritt, dass er, wenn es ihm irgendwann zu bunt wird, einfach den Fernseher lauter stellen kann.
Wir sollten vielleicht von den ganzen Beispielen wegkommen. Ich glaube, die sind nicht zielführend. Ob das Kind bleibende Schäden davonträgt hängt nämlich nicht so sehr von den Situationen ab, in die ein Kind geraten kann, sondern vielmehr von der Einstellung der Eltern (d.h. ob diese es okay finden, das Kind warten zu lassen; es irgendwohin wegzustellen, weil man seine Ruhe will; ob sie annehmen, dass ihr Kind "grundlos" schreit oder sie vorsätzlich manipuliert; etc.). Und genau da habe ich mit meiner Kritik ja auch angesetzt.
(Und Klaun bringt's auch nochmal auf den Punkt. Das hab ich zu spät gesehen. Aber was soll's, doppelt hält besser.)
Klaun schrieb:Wenn der Babysitter eine Bindungsperson ist,sollte es ihm gelingen das Baby zu beruhigen...Eine kleine Korrektur vorweg: In der Bindungstheorie ist mit "Bindungsperson" oder "Bezugsperson" immer die Mutter gemeint, bzw. die Person, die das Kind die erste Zeit ständig mit sich rumschleppt.
Die Frage ist, was macht er,wenn er zum ersten Mal Babysitting macht?(zumindest bei diesem Kind)
Dann sind natürlich alle Bindungspersonen im Kino, da es keine Großeltern mehr hat bzw. sie noch nicht kennt.
Boneman schrieb:Auch das kann ich dir wieder nur mit "sichere Bindung" beantworten.Ursprünglich hatte ich beim Schreiben dieses Satzes das Experiment aus dem Wikipedia-Artikel im Kopf, das mit Kindern durchgeführt wurde, um herauszufinden, wo die bindungsspezifischen Unterschiede in ihrem Verhalten liegen. Dazu wurden die Kinder von ihren Bezugspersonen in eine fremde Umgebung geführt und dort mit einer fremden Person allein gelassen.
Wenn man sich die Erklärungen zu den Bindungstypen mal durchliest, fällt einem übrigens auf, dass die Kinder in den Beispielsituationen der "Gegenseite" immer einen unsicheren Typ haben. Interessant, oder?
(Beim Korrekturlesen fällt mir gerade schon wieder etwas auf... Im Wikipedia-Zitat steht zur sicheren(!) Bindung: "Sie zeigen die Gefühle deutlich ..."
Die Ansicht, dass es ein Ziel einer gelungenen Erziehung sei, dem Kind abzugewöhnen, in einer fremden Situation zu weinen (also seine Emotionen zu zeigen), da es damit ja irgendwann einmal "klarkommen" und das "aushalten" muss, ist auch so ein kapitales Missverständnis. (Erinnert mich latent an die Gründe für das Weinen lassen.) In der Hinsicht müssten sich vor allem Männer mal fragen, ob sie da nicht... naja... egal jetzt... )
Great people care.